OGH 9ObA139/19k

OGH9ObA139/19k26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner (Senat nach § 11a ASGG) in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers ***** E***** M*****, wegen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, im Verfahren über die „Beschwerde“ (richtig: Rekurs) des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 15. November 2019, GZ 3 Nc 2/19x-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00139.19K.0226.000

 

Spruch:

Das beim Obersten Gerichtshof anhängige Verfahren 9 ObA 139/19k wird bis zur Mitteilung des Pflegschaftsgerichts, ob für den Antragsteller ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt oder eine sonstige Maßnahme getroffen wird, unterbrochen.

Das Bezirksgericht Linz wird ersucht, das gefertigte Gericht vom Ausgang des Pflegschaftsverfahrens AZ 38 P 208/19y bzw den getroffenen Maßnahmen zu verständigen.

 

Begründung:

Mit dem vom Antragsteller mit „Beschwerde“ bekämpften Beschluss hat das Oberlandesgericht Linz mehrere Anträge des Antragstellers, bestimmte Vorabentscheidungs- bzw Vorlagefragen dem Europäischen Gerichtshof im Eilverfahren vorzulegen, zurückgewiesen, weil jedes Vorabentscheidungsersuchen das Vorliegen eines präjudiziellen Anlassverfahrens voraussetze. Dies sei nicht der Fall. Darüber hinaus habe eine Partei eines anhängigen Verfahrens keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu beantragen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller ein als „Beschwerde“ bezeichnetes (als Rekurs gemeintes) Rechtsmittel. Die erforderliche Unterschrift (§ 520 Abs 1 letzter Satz ZPO) einer qualifizierten Person iSd § 40 Abs 1 Z 1 bzw 2 ASGG fehlt. Der Antragsteller beantragt die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und alle Vorlagefragen dem Europäischer Gerichtshof vorzulegen.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung über das Rechtsmittel des Antragstellers ist derzeit nicht möglich.

Zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Antragsteller ist beim Bezirksgericht Linz zu AZ 38 P 208/19y ein Pflegschaftsverfahren anhängig. Der in diesem Verfahren bestellte neurologisch-psychiatrische Sachverständige Prim. Dr. C***** R***** hat am 17. 12. 2019 ein Gutachten erstattet (ON 58). Darin ist er zusammengefasst zur Ansicht gelangt, dass aus neurologisch-psychiatrischer Sicht für den Betroffenen die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die finanziellen Angelegenheiten und für die Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Gerichten, privaten Vertragspartnern, für Verträge, welche über den täglichen Gebrauch hinausgehen, und Sozialversicherungsträgern, insbesondere in den anstehenden und gegenständlichen Gerichtsverfahren zu empfehlen sei.

Es liegen somit Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann (§ 271 Z 1 ABGB). Davon umfasst ist auch die Frage, ob der Antragsteller in der Lage ist, die Tragweite eines allenfalls von ihm erteilten Prozessauftrags zu erkennen. Nur dann wäre auch eine Bevollmächtigung wirksam (vgl RS0008539; 7 Ob 216/18t Pkt 2.).

Das Prozessgericht darf die Prozessfähigkeit einer der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegenden Partei, für die kein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wurde, nicht selbst prüfen (vgl RS0035270). Liegen Anzeichen dafür vor, dass eine Partei aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit das Gerichtsverfahren nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann, ist vielmehr auch im Rekursverfahren (1 Ob 168/18i Pkt 3 mwN) das zuständige Pflegschaftsgericht gemäß § 6a ZPO zu verständigen. Dieses hat dem Prozessgericht mitzuteilen, ob ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird (§ 6a Satz 2 ZPO). Bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 ZPO zu unterbrechen (RS0035234; 9 Ob 24/11m).

Auch wenn – so wie hier – zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für eine Prozesspartei bereits ein Verfahren beim Pflegschaftsgericht anhängig ist, so ist – ebenfalls in sinngemäßer Anwendung des § 190 ZPO – das anhängige Verfahren zu unterbrechen, um die betroffene Prozesspartei vor möglichen Nachteilen, die die Fortführung des Verfahrens mit sich bringen kann, zu schützen. Dies gilt auch für das Rekursverfahren (RS0035234 [T9]). Einer Übermittlung des Akts an das Pflegschaftsgericht bedarf es diesfalls nicht.

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