OGH 9ObA137/11d

OGH9ObA137/11d30.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KG in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien MA 2 - Personalservice, 1082 Wien, Rathausstraße 4, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 125.229,96 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2011, GZ 8 Ra 83/11a‑19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Stadt Wien fanden die Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995), LGBl 1995/50 und das Wiener Personalvertretungsgesetz (W‑PVG), LGBl 1985/49 Anwendung. Das Dienstverhältnis des Klägers, der noch keine drei Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, wurde gemäß § 42 Abs 1 VBO ohne Angabe eines Kündigungsgrundes von der Beklagten gekündigt. Bereits das Erstgericht hat das Klagebegehren im Zusammenhalt mit der Klageerzählung einerseits als ein auf Anfechtung dieser Kündigung nach § 105 ArbVG und nach § 39 Abs 13 W‑PVG gerichtetes Begehren verstanden, andererseits aber als Begehren auf Feststellung des aufrechten Fortbestands des Dienstverhältnisses des Klägers zur Beklagten. Das Kündigungsanfechtungsbegehren wies das Erstgericht mit Beschluss zurück, das Feststellungsbegehren wies es hingegen mit Urteil ab. Der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts erwuchs mangels Anfechtung durch den Kläger in Rechtskraft. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich das Begehren auf Feststellung des aufrechten Fortbestands des Dienstverhältnisses des Klägers zur Beklagten.

2. Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers ist das Rechtsgestaltungsbegehren nicht als ein „Minus“ im Verhältnis zum Feststellungsbegehren anzusehen. Beide Begehren verfolgen unterschiedliche Rechtsschutzziele: Ist eine Kündigung - etwa nach vertragsrechtlichen Grundsätzen - rechtsunwirksam, bedarf der Arbeitnehmer keines weiteren Schutzes vor der Kündigung. Ein zusätzliches Anfechtungsrecht wäre sinnlos. Vielmehr ist in diesem Fall eine Feststellungsklage zu erheben (9 ObA 9/02t mwH; RIS‑Justiz RS0039015). Hingegen setzt das Wirksamwerden des Kündigungsschutzes des § 105 ArbVG eine rechtswirksame Kündigung voraus. Dies gilt nach dem völlig klaren Gesetzeswortlaut des § 39 Abs 13 W‑PVG („ist die Kündigung … für rechtsunwirksam zu erklären“) auch für den durch diese Bestimmung normierten Kündigungsschutz. Feststellungs- und Anfechtungsklage hätten daher richtigerweise in Form der Erhebung eines Haupt- und eines Eventualbegehrens zu erfolgen, weil ja ein Erfolg des Anfechtungsbegehrens die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Abweisung des Feststellungsbegehrens voraussetzt. Darauf braucht hier infolge der in Rechtskraft erwachsenen Zurückweisung des Anfechtungsbegehrens nicht weiter eingegangen zu werden. Mit den sich über weite Strecken auf die geltend gemachten Anfechtungsgründe gemäß § 105 ArbVG und § 39 Abs 13 W‑PVG beziehenden Revisionsausführungen vermag der Revisionswerber daher schon aus diesen Gründen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

3. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Den vom Kläger bereits in der Berufung geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz, der in der Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Kläger infolge einer Fehlkonstruktion eines Fahrzeugs mit diesem umgekippt sei, liegen sollte, hat schon das Berufungsgericht verneint, sodass dieser Mangel in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0042963). Die Unterlassung der Erörterung des Klagebegehrens hat der Kläger in seiner gegen das abweisende Urteil erhobenen Berufung nicht als Mangel des Verfahrens erster Instanz gerügt, sodass ein solcher Mangel in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0043111 ua).

4. Die Ausführungen in der Revision, dass die Kündigung des Klägers deshalb erfolgt sei, weil er die Absicht gehabt habe, aus der Gewerkschaft auszutreten, weichen vom festgestellten Sachverhalt ab, sodass die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS‑Justiz RS0043312).

Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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