OGH 9ObA13/04h

OGH9ObA13/04h23.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. Dipl. Ing. Hans Lechner und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angelika P*****, Einzelhandelskauffrau, derzeit ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Mag. Dr. Ernst Reitmayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Josef W*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Götz Schattenberg und Dr. Ernst Moser, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 22.000 sA, über die Revision (Revisionsinteresse EUR 21.064,77 sA) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 2003, GZ 12 Ra 61/03g-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. November 2002, GZ 36 Cga 26/02w-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Erstgerichtes, welches hinsichtlich der Teilabweisung von EUR 935,23 brutto sA als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt und das Urteil des Berufungsgerichtes werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile hatten 22 Jahre lang in Lebensgemeinschaft gelebt. Im Oktober 2000 zog die Klägerin aus dem gemeinsamen Haus aus. 1995 hatte sich der Beklagte mit einem Lebensmittelmarkt selbständig gemacht. Die Klägerin war dann vom 2. 2. 1995 bis 31. 12. 2000 als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen und hatte zuletzt ein monatliches Gehalt von brutto S 19.548 (für eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden) 14x jährlich bezogen. Das Dienstverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben anzuwenden. Schon im Oktober 2000 hatte der Beklagte der Klägerin ein als "Vereinbarung" betiteltes, mit 31. 12. 2000 datiertes Schriftstück zur Unterfertigung übergeben, welches folgenden Wortlaut aufwies: "Betrifft Frau P***** Angelika 1. Zwischen dem im Betreff angeführten Dienstnehmer und der Firma W***** (Lebensmittelhandel) wird vereinbart, das bestehende Dienstverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen per 31. 12. 2000 zu beenden. 2. Der Abfertigungsanspruch wird nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Handelsangestellte ausbezahlt. 3. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass das gesamte Urlaubsguthaben als verbraucht und abgegolten gilt.

4. Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis zwischen Frau Angelika P***** und Herrn Josef W***** beglichen und abgegolten." Beide Streitteile unterfertigten dieses Schriftstück noch vor dem 31. 12. 2000. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Unterfertigung des Schriftstückes spezielle Gespräche über noch ausständige Ansprüche der Klägerin vorausgegangen wären, insbesondere dass irgendwelche Unstimmigkeiten hinsichtlich der Klägerin zustehender Ansprüche, sei es Urlaubsentschädigung, sei es Überstundenabgeltung, bestanden hätten.

Erstmals mit Schreiben vom 16. 10. 2001 machte die Klägerin Überstundenentgelt und Ansprüche aus nicht verbrauchtem Urlaub gegenüber dem Beklagten geltend. Das Erstgericht stellte zu den Überstunden fest, dass die Klägerin ab 1998 von Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 18.30 Uhr und am Samstag von 6.00 Uhr bis 12.30 Uhr im Lebensmittelgeschäft des Beklagten gearbeitet hatte. Seit 1. 9. 2000 bis zum Ende des Dienstverhältnisses hatte sie einen Nachmittag pro Woche frei. In diesen Arbeitszeiten sind jeweils eine halbe Stunde Vorarbeiten vor der Öffnung und Nacharbeiten nach der Schließung des Geschäftes enthalten. Das der Klägerin ausbezahlte Bruttomonatsgehalt entsprach einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Im September 2000 hatte sie eine Woche Urlaub konsumiert; im November 2000 war sie eine Woche lang im Krankenstand. Seit 2. 2. 1998 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte sie noch eine weitere Woche Urlaub im Jahr 1998 verbraucht.

Mit ihrer Klage vom 17. 4. 2002 begehrte die Klägerin zunächst den Zuspruch von EUR 11.000 netto samt 10,25 % Zinsen seit 1. 1. 2001. Sie habe während der Dauer des Dienstverhältnisses regelmäßig 70 Stunden pro Woche gearbeitet, dabei aber lediglich auf Basis eines Arbeitseinsatzes von 38,5 Stunden pro Woche die Entlohnung erhalten. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses habe die Klägerin überdies noch 119 offene Urlaubstage gehabt. Es ergebe sich damit eine Forderung der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung eines Betrages, welcher aus "prozessualer Vorsicht und unter Vorbehalt der Ausdehnung zunächst mit EUR 11.000 netto geltend gemacht" wurde. In der Folge (Schriftsatz ON 10) brachte die Klägerin vor, dass sie zumindest in der Zeit von April 1999 bis Dezember 2000 mindestens 31,5 Überstunden pro Woche geleistet habe, wofür ihr S 522.029,98 oder EUR 38.005,20 zustünden. Die offene Urlaubsentschädigung für 119 unverbrauchte Urlaubstage belaufe sich auf S 102.693,95 oder EUR 7.463,06. Gesamtansprüche aus Urlaubsentschädigung und Überstundenentgelt betrügen daher EUR 45.468,26. Aus "prozessualer Vorsicht" setzte die Klägerin den Klagebetrag aber bewusst niedrig an (eine Zuordnung dieser Ansprüche auf den konkreten Klagebetrag wurde bis zuletzt nicht vorgenommen). In der Tagsatzung vom 27. 11. 2002 dehnte die Klägerin ihr Begehren auf den Betrag von EUR 22.000 sA aus, ohne diesen Betrag weiter zu spezifizieren.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Streitteile hätten mit ihrer Auflösungsvereinbarung sämtliche Ansprüche bereinigt und verglichen. Es sei keine Drucksituation vorgelegen, sodass die Klägerin für den Fall, dass ihr noch Ansprüche zugestanden wären, wirksam verzichten konnte. Überdies seien sämtliche Ansprüche der Klägerin nach dem seit 1. 1. 2001 in Kraft getretenen neuen Kollektivvertrag für die Handelsangestellten verfallen, weil die Klägerin die Ansprüche nicht spätestens binnen sechs Monaten ab dem 1. 1. 2001 geltend gemacht habe. Die Klägerin entgegnete, dass die Auflösungsvereinbarung, weil unter dem Druck des noch aufrechten Arbeitsverhältnisses zustande gekommen, unwirksam sei. Überdies sei der erst mit 1. 1. 2001, somit nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses, in Kraft getretene Kollektivvertrag nicht maßgeblich, insbesondere seien die dort genannten Verfallsfristen, welche schlechter seien als die im früheren Kollektivvertrag enthaltenen, nicht anzuwenden. Das Erstgericht erkannte den Beklagten für schuldig, der Klägerin EUR 21.064,77 brutto samt 10,25 % Zinsen aus EUR 11.000 brutto vom 1. 1. 2001 bis 27. 11. 2002 und aus EUR 21.064,77 brutto seit 28. 11. 2002 zu zahlen. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin während des aufrechten Arbeitsverhältnisses auf ihre zwingenden Ansprüche nicht wirksam verzichten konnte, zumal keine Hinweise auf den Wegfall der üblichen Drucksituation hervorgekommen seien. Die im Kollektivvertrag 2001 normierte Verfallsbestimmung sei nur auf im Jahr 2001 noch aufrechte Arbeitsverhältnisse anzuwenden, sodass die Verfallsbestimmung des Punktes IX B 10 d des früheren Kollektivvertrages anzuwenden sei. Infolge schriftlicher Geltendmachung vom 16. 10. 2001 könne die Klägerin die ab zwei Jahren vor diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche auf Überstundenentgelt noch verlangen. Für die Zeit vom 1. 10. 1999 bis 31. 8. 2000 seien dies bei wöchentlich 20,5 Überstunden EUR 12.955,67, für die Zeit vom 1. 9. 2000 bis 31. 12. 2000 für 16 Überstunden wöchentlich (unter Berücksichtigung der Urlaubswoche und der Krankenstandswoche) EUR 3.217,37. Da eine vom Arbeitsjahr abweichende Urlaubsregelung nicht hervorgekommen sei, könne die Klägerin Urlaubsentschädigung für jene Urlaubstage begehren, die sie seit Feber 1998 nicht verbraucht habe, dies seien insgesamt 78 Werktage, wofür eine Entschädigung von EUR 4.891,73 zustehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, dass gemäß § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG der erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Kraft getretene Kollektivvertrag auch hinsichtlich seiner Verfallsfrist auf die Ansprüche der Klägerin anzuwenden sei. Die Vereinbarung eigener Verfallsklauseln in Kollektivverträgen sei grundsätzlich auch hinsichtlich außerkollektivvertraglicher Ansprüche zulässig und stelle eine dem § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG unterfallende Regelungsmaterie dar. Der ausdrückliche Verweis des § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG auf die Z 2 leg cit lege dann aber auch insoweit die inhaltliche Identität der Regelungsbefugnis für Rechtsansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer nahe. Auch nach dem Wortsinn der neuen Verfallsbestimmung sei diese auf bereits beendete Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Da die Ansprüche der Klägerin somit verfallen seien, brauche die weiters relevierte Frage nicht geprüft zu werden, dass die Klägerin im Rahmen einer objektiven Klagehäufung für sämtliche geltend gemachten Ansprüche einen Pauschalbetrag angesprochen und diesen - entgegen dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO - nicht aufgegliedert und damit die Aufteilung des Pauschalbetrages auf die einzelnen Ansprüche unzulässigerweise dem Gericht überlassen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Zulässigkeit kollektivvertraglicher Verfallsregelungen für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen, welche bei Inkrafttreten des betreffenden Kollektivvertrages bereits beendet seien, keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes vorliege und dieser Frage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung mit den von der Judikatur zu § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG entwickelten Auslegungsgrundsätzen nicht übereinstimmt; sie ist im Rahmen eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt. Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit eines vom Dienstnehmer während des Bestehens des Dienstverhältnisses ausgesprochenen Verzichtes auf zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Ansprüche entscheidend darauf an, ob der Dienstnehmer dabei noch unter wirtschaftlichem Druck seines Dienstgebers gehandelt hat; entscheidend ist dabei, ob das Arbeitsverhältnis wirtschaftlich noch nicht beendet und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers noch aufrecht ist (RIS-Justiz RS0029981, insbesondere T 6, T 7). Da aus dem Verfahren keine besonderen Umstände hervorgekommen sind, welche den Wegfall dieser üblichen Drucksituation hätten erkennen lassen, sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass der Verzicht der Klägerin auf zwingende Ansprüche vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam geblieben ist. Sowohl bei der Urlaubsentschädigung (9 ObA 323/99m ua) als auch bei der Abgeltung für Überstunden im Sinn des § 10 Abs 1 AZG (Grillberger Arbeitszeitgesetz² Rz 1 zu § 10 mit weiteren Judikaturzitaten) handelt es sich um zugunsten des Arbeitnehmers relativ zwingende Ansprüche. Somit kommt, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, der Frage eines allfälligen Verfalls dieser Ansprüche entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Der Handelsangestellten-Kollektivvertrag 2000, welcher beim Ausscheiden der Klägerin noch gültig war, sah keine eigenen Verfalls- oder Verjährungsfristen für die Urlaubsentschädigung vor. Für

Überstunden bestanden folgende Regelungen: "IX 10 Verfall von

Überstunden: Ansprüche auf Überstundenvergütung sind am Ende der Gehaltsperiode, in welcher sie entstanden sind, durch nachstehendes

Verfahren geltend zu machen: a) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, laufend ordentliche Aufzeichnungen über die von seinen Arbeitnehmern geleisteten Überstunden zu führen, die vom Arbeitgeber am Ende der betreffenden Gehaltsperiode dem Arbeitnehmer zur Bestätigung vorzulegen sind. b) Verweigert der Arbeitnehmer die Unterschrift mit begründetem Hinweis auf eine höhere Überstundenleistung, so gilt dies als Geltendmachung des höheren Anspruches des Arbeitnehmers. Für die nach Absatz a) und b) geltend gemachten Überstundenansprüche gelten die Verjährungsfristen des ABGB. c) Etwaige seitens des Arbeitnehmers nach dem Verfahren nach Abs b) nicht geltend gemachte Überstunden verfallen nach dem Ablauf von drei Monaten. d) Werden vom Arbeitgeber entgegen diesen Bestimmungen die vorgeschriebenen laufenden Überstundenaufzeichnungen nicht geführt, so verfallen allfällige Überstundenentgeltansprüche nach Ablauf von zwei Jahren." (Im Rechtsmittelverfahren ist unstrittig, dass keine Überstundenaufzeichnungen durch den Beklagten geführt wurden.) Der Handelsangestellten-Kollektivvertrag 2001, in Kraft getreten am 1. 1. 2001, sieht in seinem Punkt XX folgende (allgemeine) "Verfalls- und Verjährungsbestimmungen" vor: "A) Grundsatz. Soweit in diesem Kollektivvertrag nicht anders geregelt, sind Ansprüche des Arbeitgebers sowie des Arbeitnehmers bei sonstigem Verfall innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich dem Grunde nach geltend zu machen. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche Verjährungsfrist gewahrt. b) Arbeitsaufzeichnungen.... d) Inkrafttreten: Abschnitt XX gilt für alle Ansprüche, die ab dem 1. 1. 2001 fällig werden. Vor dem 1. 1. 2001 fällige Ansprüche verfallen nach den bis 31. 12. 2000 geltenden Fristen, spätestens jedoch am 30. 6. 2001." Mit dem Inkrafttreten des Kollektivvertrages 2001 verloren nach dessen Schlussbestimmungen (XX 3) die Bestimmungen des bis dahin gültigen Kollektivvertrages ihre Gültigkeit.

Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG können durch Kollektivverträge die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geregelt werden. Dazu gehört auch die Vereinbarung von Verfallsklauseln hinsichtlich zwingender Ansprüche, weil diese nicht den Anspruch als solchen, sondern nur dessen Geltendmachung betreffen (stRsp; siehe die Zitate bei Cerny im Arbeitsverfassungsrecht III² Anm zu § 2 ArbVG). Gemäß § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG kann durch Kollektivverträge auch die Änderung kollektivvertraglicher Rechtsansprüche gemäß Z 2 der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer geregelt werden. Diese Regelungsbefugnis für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer ist aber mehrfach beschränkt (Cerny aaO Anm 10). Die in § 2 Z 3 genannten Rechtsansprüche müssen, damit die Regelungsmacht des § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG gegeben ist, auf Kollektivvertrag beruhen. Diese Beschränkung auf kollektivvertragliche Ansprüche bedeutet, grob gesprochen, dass Kollektivvertragspartner das, was sie einmal gegeben haben„ auch wieder nehmen können. Einzige Schranke dieser Eingriffe bilden die guten Sitten (RIS-Justiz RS0050917). Gegenstand einer solchen Regelung kann aber nicht die Auferlegung von Verpflichtungen sein (9 ObA 603/90 = SZ 63/144 uva). Im vorliegenden Fall ist Gegenstand des neuen Kollektivvertrages die Verkürzung von Verfallsfristen für Ansprüche, welche aber nicht kollektivvertraglicher, sondern gesetzlicher Natur sind (hier: Überstundenabgeltung und Urlaubsentschädigung). Wenngleich daher - bei aufrechtem Arbeitsverhältnis - und unter bestimmten Prämissen - gesetzliche Verjährungsfristen durch kürzere Verfallsfristen ersetzt werden können, so kann genau eine solche Kompetenz der Kollektivvertragsparteien aber für ausgeschiedene Arbeitnehmer dann nicht erkannt werden, wenn der Anspruch, dessen Verfallsfrist verändert wird, kein aus dem Kollektivvertrag entspringender ist. Daraus folgt, dass auf die Ansprüche der Klägerin Verfallsfristen nur insoweit Anwendung finden können, als diese dem früheren, bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltenden Kollektivvertrag entsprechen. Während der frühere Kollektivvertrag hinsichtlich der Urlaubsentschädigung keine Verfallsfrist vorsah, sodass die (kurze) Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB Anwendung zu finden hat (SZ 68/213), ist, wie vom Erstgericht grundsätzlich zutreffend erkannt, für die Forderungen nach Überstundenentgelt die Verfallsfrist des Art IX B 10 d Kollektivvertrag 2000 anzuwenden. Da diese Bestimmung keine Klagsführung zur Verhinderung des Verfalls vorsieht, muss die außergerichtliche Geltendmachung grundsätzlich genügen (9 ObA 210/92 ua). Ein Verfall von Überstundenentgelten tritt nach ständiger Rechtsprechung nicht ein, wenn der Arbeitnehmer sein Begehren soweit konkretisiert hat, dass der Arbeitgeber die hievon betroffenen Ansprüche ihrer Art nach erkennen kann (8 ObA 2341/96i mwN). Die Arbeitsrechtssache ist jedoch aus einem anderen Grund noch nicht spruchreif. Nach der Rechtsprechung muss jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüche ziffernmäßig bestimmt und individualisiert werden, und zwar selbst dann, wenn nur ein Teilbetrag der angeblich gesamt zustehenden Forderungen eingeklagt wird (4 Ob 342, 343/80; RIS-Justiz RS0031014). Abgesehen davon, dass das (ausgedehnte) Klagebegehren nicht erkennen lässt, ob ein Netto- oder Bruttobetrag begehrt wird, erfolgte bis zuletzt auch keine Zuordnung des Klagebetrages auf die verschiedenen Ansprüche. Eine alternative Klagenhäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht die Wahl überlässt, welchem Begehren es stattgeben will, ist jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0031014 [8 Ob 135/03s]). Das Fehlen des Bestimmtheitserfordernisses im Sinn des § 226 ZPO berechtigt - entgegen der Meinung der beklagten Partei - aber nicht zur sofortigen Abweisung der Klage; vielmehr hat der Richter in Erfüllung seiner Prozessleitungspflicht nach § 182 ZPO den Kläger - auch wenn dieser anwaltlich vertreten ist - zu entsprechender Präzisierung des Begehrens aufzufordern. Ist das in erster Instanz nicht geschehen, dann hat diesen Mangel auch das Berufungsgericht noch aufzugreifen, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Erstgericht anzuweisen, dem Kläger gemäß §§ 84, 85 ZPO eine entsprechende Verbesserung seines Antrages aufzutragen (4 Ob 342/80; 8 Ob 135/03s). Dies hat im vorliegenden Fall das Berufungsgericht, ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung, unterlassen. Da jedoch - mangels eines Verbesserungsversuches - die diesbezügliche Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens feststeht und ergänzendes Vorbringen erforderlich ist, war mit einer Aufhebung bis in die erste Instanz vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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