OGH 9ObA124/22h

OGH9ObA124/22h19.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Niedermayr Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagte Partei * Kirche *, vertreten durch Dr. Erich Ehn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.500 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Oktober 2022, GZ 7 Ra 31/22p‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00124.22H.1219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger steht als Priester im Dienste einer der griechisch-orientalischen (orthodoxen) Kirchengemeinden in Österreich und ist in den Pfarrgemeinden W* und W* im Auftrag des Bischofs tätig.

[2] Mit seiner an das Arbeits‑ und Sozialgericht gerichteten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten aus dem Titel Schmerzengeld wegen Mobbing durch den Bischof einen Betrag von 7.500 EUR. Dem von der Beklagten erhobenen Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs hielt der Kläger entgegen, dass er mit seinem Begehren einen Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Dienstverhältnis geltend mache, der nicht vom verfassungsrechtlichen Gebot der Freiheit der Religionsausübung umfasst sei.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs durch das Erstgericht.

[4] In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Staat und damit die weltlichen Gerichte in den innerkirchlichen Bereich nicht eingreifen dürfen, sodass der Rechtsweg in solchen Angelegenheiten unzulässig ist (Art 15 StGG; RS0045553 [T3]). Der Gehalt des Begriffs der „inneren Angelegenheiten“ ist unter Bedachtnahme auf das Wesen der jeweiligen gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft nach deren Selbstverständnis zu bestimmen (VfGH G 146/87; G 147/87; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 55; 9 ObA 129/11b Pkt 2.). Zu den „inneren Angelegenheiten“ im Sinne des Art 15 StGG zählen jene, welche den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der sich daraus ergebende Bereich der inneren Angelegenheiten kann naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden (RS0073107). Im Hinblick auf die Weite der Autonomiegarantie des Art 15 StGG sind auch die Arbeitsverhältnisse derjenigen Personen, die mit inneren Angelegenheiten befasst sind, konsequenterweise Teil der inneren Angelegenheiten (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 58 mwN). Auch bei Dienstrechtsstreitigkeiten scheiden daher aus der Beurteilung durch das Gericht alle Vorfragen aus, welche etwa die Rechtsgültigkeit der Amtsenthebung, der Pensionierung, der Disziplinarstrafen, einer Versetzung oder die Änderung der kirchlichen Organisation und die damit verbundene Auflassung von Pfarren etc betreffen. Nur der so verbleibende Teil der Entscheidung berührt die kirchliche Autonomie nicht (RS0045553).

[6] 2.1. Die Vorinstanzen haben diese Rechtslage ausführlich und zutreffend dargestellt und ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Ihre Anwendung auf den hier zu beurteilenden Fall stellt eine Frage des Einzelfalls dar, die – von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht rechtfertigen kann (8 ObA 77/12z). Eine unvertretbare Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass sich der Kläger mit seinem Vorbringen zum Vorgehen des ihm vorgesetzten Bischofs der Beklagten, etwa, dass ihn dieser mehrfach übergangen und öffentlich schlecht gemacht, nicht zu einem Treffen aller Priester in Österreich eingeladen und die Versetzung des Klägers beabsichtigt und angeordnet habe, in Wahrheit gegen die inhaltliche Begründetheit dieser Äußerungen und Handlungen des Bischofs in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner priesterlichen Tätigkeit wendet, die jedoch zu diesem innerkirchlichen Bereich gehörten, ist nicht zu beanstanden.

[7] 2.2. Es trifft zu, dass die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften beim Ordnen der inneren Angelegenheiten nicht gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie etwa das allgemeine Willkürverbot verstoßen dürfen (9 ObA 129/11b Pkt 4; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 54 mwN). Dem Argument der Vorinstanzen, der Kläger habe gar nicht behauptet, dass das ihm zur Verfügung stehende (und von ihm nicht ausgeschöpfte) innerkirchliche Verfahrensrecht einen unter dem sozialen Standard der allgemeinen Staatsgesetze liegenden Standard hätte (vgl 8 ObA 77/12z), tritt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision – für eine rechtliche Auseinandersetzung durch den Obersten Gerichtshof unzureichend – bloß mit der unsubstantiierten Behauptung entgegen, er verfüge innerkirchlich nicht über Rechtsmittel, die auch nur annähernd den staatlichen vergleichbar seien. Dadurch, dass der Rechtsweg vor den staatlichen Gerichten für das auf Mobbinghandlungen des Bischofs gegründete Schadenersatzbegehren nicht zulässig ist, werden die Grund- und Menschenrechte des Klägers nicht schon per se deshalb beeinträchtigt, weil – wie der Kläger meint – „damit der Staat akzeptiert habe, dass er weiter in diesem Mobbingzustand gehalten werde“. Vielmehr wendet sich der Kläger mit seinen Mobbingvorwürfen gegen den ihm vorgesetzten Bischof in Wahrheit gegen die Art dessen Amtsführung bei der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben (Versetzung eines Priesters in eine andere Pfarre, dessen Einbindung in kirchliche Treffen etc). Es kommt den staatlichen Gerichten aber nicht zu, die Amtsführung eines Bischofs zu überprüfe (vgl 9 ObA 12/96).

[8] 2.3. Neue Argumente, die für den Senat einen Anlass für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Unzulässigkeit des Rechtswegs für innerkirchliche Angelegenheiten bieten würden, zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf.

[9] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen.

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