OGH 9ObA11/17h

OGH9ObA11/17h24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Werner Krachler in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. D***** R*****, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen 23.937,89 EUR und Feststellung (7.720 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. November 2016, GZ 7 Ra 41/16z‑53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00011.17H.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963).

Auch die vermeintliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor: Auch wenn die Klägerin in ihrer Berufung hinreichend deutlich gemacht hat, welche Zeugeneinvernahmen sie zum Nachweis der Beziehungen ihres Mitbewerbers ins Präsidium des beklagten Vereins vermisste (Berufung S 6 f), ginge daraus noch keine anspruchsbegründende geschlechtsdiskriminierende Entscheidungsfindung des Beklagten hervor. Den Erwägungen der Klägerin zu einer derartigen „auf einen Mann zugeschnittenen, ohne konkreten Bedarf geschaffenen Leiterposition“ steht das festgestellte Interesse des Beklagten an der Schaffung einer zentralen Ansprechstelle für Arbeitsrechtsangelegenheiten entgegen.

2. Der festgestellte Sachverhalt bietet auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Auswahlverfahren des Beklagten bloß zum Schein durchgeführt wurde. Es steht fest, dass die Leitungsfunktion unternehmensintern ausgeschrieben und zunächst ein Hearing vor einer dreiköpfigen Kommission durchgeführt wurde. Das Hearing – bei dem die Klägerin eine Beurteilung von 162,5 und ihr Mitbewerber 161 Punkte erzielten – war nur ein Kriterium bei der Besetzung der Leitungsstelle. Zusätzlich wurden die bisherige Arbeitsleistung und die Persönlichkeit der beiden Bewerber mit Praxisbeispielen diskutiert und der Mitbewerber der Klägerin in diesen Punkten durchgehend besser beurteilt, sodass die Wahl auf ihn fiel. Nach den Feststellungen spielte das Geschlecht der Klägerin dabei keine Rolle, auch nicht ihre Arbeit in Elternteilzeit, zu der sie beim Hearing ohnehin erklärt hatte, die Stelle auch im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung ausüben zu können.

3. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr entgegen der Ansicht der Vorinstanzen eine Glaubhaftmachung der Diskriminierung gelungen sei, sodass der Beklagte den Entlastungsbeweis erbringen hätte müssen.

Einen möglichen Diskriminierungstatbestand hat die Klägerin glaubhaft zu machen (RIS‑Justiz RS0123606). Die Frage, ob die Glaubhaftmachung, also die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen, gelungen ist oder nicht, stellt das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine rechtliche Beurteilung dar (RIS‑Justiz RS0040286). Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS‑Justiz RS0123663 [T2]), sodass die Tatfrage, ob der Klägerin die Glaubhaftmachung der Diskriminierung gelungen ist, nicht revisibel ist (RIS‑Justiz RS0040286 [T3]).

4. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist für die Klägerin auch aus den Entscheidungen 8 ObA 11/09i und 8 ObA 35/10w nichts zu gewinnen. Anders als in der Entscheidung 8 ObA 11/09i hatten die Äußerungen ihres Vorgesetzten im Bewerbungsverfahren keinen geschlechtsdiskriminierenden Charakter. Die Entscheidung 8 ObA 35/10w bezog sich auf die Frage der Verletzung des Frauenförderungsgebots nach §§ 11, 11b Bundes‑Gleichbehandlungsgesetz (B‑GlBG), die dann eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts iSd § 4a B-GlBG darstellt, wenn die Entscheidung für einen männlichen Kandidaten aus solchen Gründen erfolgt, die für die gleich qualifizierten Mitbewerberinnen diskriminierende Wirkung entfalten. Im vorliegenden Fall kommt weder das B‑GlBG, das vor allem für Dienst‑ und Ausbildungsverhältnisse zum Bund gilt (§ 1 B‑GlBG), zur Anwendung, noch war letztlich nach den Feststellungen von einer völlig gleichen Qualifikation der Mitbewerber auszugehen.

5. Da es Aufgabe der nationalen Gerichte ist, das Vorliegen der Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung im Einzelfall zu prüfen (RIS‑Justiz RS0115587), ist der Anregung der Klägerin auf Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens zum Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung nicht zu folgen. Dies gilt in gleicher Weise für die von ihr angeregten Fragestellungen zur Glaubhaftmachung einer Diskriminierung.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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