OGH 9ObA107/09i

OGH9ObA107/09i30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Peter Ladislav und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei „w*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 1.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Juni 2009, GZ 11 Ra 38/09a-15, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Jänner 2009, GZ 16 Cga 123/08a-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1. 7. 2003 als technischer Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Im Sommer 2007 stand diese knapp vor dem Konkurs. Der Betriebsratsvorsitzende L***** bemühte sich daher, einen neuen Geldgeber zu finden, was ihm letztlich in der Person eines Dipl.-Ing. Friedrich N***** gelang. Dieser erklärte sich bereit, die überwiegenden Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu übernehmen und dieser frisches Kapital zuzuführen, wenn ein Geschäftsführer aus den Reihen der vorhandenen Mitarbeiter gefunden werde, der sich überdies an der Kapitalerhöhung mit einem Betrag von insgesamt 37.500 EUR beteiligen werde. Im Zuge der Gespräche wurde Thomas K*****, damals noch Mitarbeiter der Beklagten, für diese Funktion vorgeschlagen, dieser erklärte sich auch bereit, diese Funktion zu übernehmen. Er war allerdings nicht in der Lage, den gesamten Betrag von 37.500 EUR aus eigenen Mitteln aufzubringen. Daraufhin schlug ihm ein anderer Mitarbeiter spontan vor, dass er sich mit 1.000 EUR als „Spende“ beteiligen würde. Diesen Vorschlag griff der Betriebsratsvorsitzende auf und zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende August 2007 berief er eine Betriebsversammlung ein. An dieser nahmen die Mitarbeiter der Beklagten, darunter auch der Kläger teil. Der Betriebsratsvorsitzende erklärte, dass das Unternehmen zahlungsunfähig sei und ein Konkursantrag gestellt werden müsse. In diesem Fall werde das Septembergehalt nicht mehr ausbezahlt werden können. Er fragte, wer bereit sei 1.000 EUR zu spenden, damit sich der Mitarbeiter K***** am Unternehmen beteiligen könne, wobei er darauf hinwies, dass dieser Betrag nur dann zurückbezahlt werde, wenn in den ersten vier Wochen eine Kündigung erfolge. Der Betriebsratsvorsitzende wies eindringlich daraufhin, dass es zwei Möglichkeiten gebe, nämlich ein Vorstelligwerden beim AMS und damit verbunden eine Nichtauszahlung des Weihnachtsgeldes oder die Leistung eines einmaligen Betrags von 1.000 EUR und dafür weitere Lohnzahlungen. Sämtliche Mitarbeiter der Vöcklabrucker Niederlassung erklärten sich bereit, diesen Betrag zu zahlen, so auch der Kläger. Es wurde vereinbart, dass die Mitarbeiter den Betrag von 1.000 EUR jeweils an Thomas K***** überweisen. Alle Mitarbeiter gingen davon aus, dass es sich bei ihrer Zahlung um eine „Spende“ an Thomas K***** handeln würde. Weiters waren sie der Meinung, dass dieser ohne diese Beteiligung nicht Geschäftsführer der Beklagten werden könne. Niemand ging daher von einer Rückzahlung des Betrags von 1.000 EUR aus. Der Kläger überwies den Betrag von 1.000 EUR am 18. 9. 2007 an Thomas K*****.

Die bis zum 5. 9. 2007 vertretungsbefugten Geschäftsführer (gleichzeitig Gesellschafter) der Beklagten Dipl.-Ing. E***** und Dipl.-Ing. L***** wussten nichts von dieser Vereinbarung und den Zahlungen an K*****. Mit Notariatsakt vom 5. 9. 2007 traten die bisherigen Gesellschafter und Geschäftsführer ihre gesamten Geschäftsanteile an der Beklagten zu 75 % an Dipl.-Ing. Friedrich N***** und zu 25 % an Thomas K***** ab. Mit Generalversammlungsbeschluss vom gleichen Tag wurden die bisherigen Geschäftsführer abberufen und Thomas K***** zum (alleinigen) Geschäftsführer bestellt. Gleichzeitig wurde eine Erhöhung des Stammkapitals von 150.000 EUR auf 190.000 EUR beschlossen. Thomas K***** überwies den von ihm zu leistenden Anteil in Höhe von 37.500 EUR, der überwiegend von ihm selbst aufgebracht worden war, am 5. oder 6. 9. 2007 an die Beklagte.

Der Kläger, dessen Dienstverhältnis mit der Beklagten am 18. 4. 2008 aufgelöst wurde, begehrt die Rückzahlung des von ihm geleisteten Beitrags von 1.000 EUR. Die zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes an die Beklagte geleistete Zahlung sei nach dem Kautionsschutzgesetz nichtig und daher rückforderbar. Jedenfalls liege diese Zahlung in dem durch Analogie zu erweiternden Anwendungsbereich des § 3 Kautionsschutzgesetz, weil der vom Kläger geleistete Betrag tatsächlich der Beklagten zur Kapitalerhöhung zugeflossen sei. Die von den Beteiligten gewählte Umgehungskonstruktion sei nicht geeignet, den Rückforderungsanspruch des Klägers zu hindern.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt ihre Passivlegitimation, weil ihr nie Mittel des Klägers zugekommen seien, vielmehr sei Thomas K***** als späterer Gesellschafter freiwillig mit Mitteln ausgestattet worden, um seinen Gesellschaftsanteil in Höhe von 37.500 EUR aufbringen zu können, dafür seien insgesamt von 17 Mitarbeitern je 1.000 EUR bezahlt worden. Weder liege eine verpönte Umgehungskonstruktion vor, noch sei von Seiten der Beklagten irgend ein Druck auf den Kläger ausgeübt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vorliegende Fallkonstellation sei auch mittels Analogie nicht dem Tatbestand des § 3 Kautionsschutzgesetz zu unterstellen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es hat dabei die Frage eines Verstoßes gegen das Kautionsschutzgesetz zutreffend verneint. Insoweit reicht es aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 Kautionsschutzgesetz darf der Abschluss oder die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, dass dem Dienstgeber vom Dienstnehmer oder einem Dritten ein Darlehen gewährt wird oder dass der Dienstnehmer oder ein Dritter sich mit einer Geldanlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Gemäß § 4 Kautionsschutzgesetz sind Rechtsgeschäfte, die den Bestimmungen des § 3 widersprechen, nichtig. Das aufgrund solcher Rechtsgeschäfte und Verträge Geleistete kann jederzeit zurückgefordert werden.

Zweck der mit Nichtigkeitsanktion bewehrten Verbotsnorm des § 3 Kautionsschutzgesetz ist es, den Dienstnehmer davor zu schützen, dass er der Aufrechterhaltung des Dienstvertrags wegen dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt wird (RIS-Justiz RS0063461). Die Rechtsprechung hat diese Schutznorm auch auf andere Fälle analog angewendet, wenn es galt, Arbeitnehmer vor dem durch den Arbeitgeber ausgeübten Druck zu schützen, um denselben Effekt wie eine Darlehensgewährung oder Beteiligung durch Umgehungen zu erreichen (RIS-Justiz RS0063439; RS0032297 ua). Der festgestellte Sachverhalt kann jedoch entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch mittels Analogie dem § 3 Kautionsschutzgesetz nicht unterstellt werden. Unzweifelhaft ist der Tatbestand des § 3 Kautionsschutzgesetz erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer explizit vor die Alternative stellt, das Darlehen oder die Beteiligung abzuschließen oder allenfalls gekündigt zu werden. Die allgemein im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen unterstellte Drucksituation gegenüber Ansinnen und Wünschen des Arbeitgebers wird aber nicht immer ausreichen. Ansonsten wäre das Tatbestandsmerkmal „Abhängigmachen des Dienstverhältnisses“ neben dem Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses weitgehend überflüssig. Zum Beispiel wäre die Annahme eines vom (potenziellen) Arbeitnehmer aus Eigeninitiative angebotenen Darlehens oder einer solchen Beteiligung daher vom Schutzzweck des § 3 Kautionsschutzgesetz nicht umfasst. Auch wird der bloße Hinweis auf eine mögliche Insolvenz als Druckmittel nicht reichen: Das Ende des Arbeitsverhältnisses ist dann nicht Ergebnis einer willentlichen Reaktion des Arbeitgebers auf die Weigerung des Arbeitnehmers, sondern einer wahrscheinlichen Entwicklung und als solches auch vom Arbeitgeber dargestellt (Geist, „Beiträge der Arbeitnehmer zur Standortsicherung und Kautionsschutzgesetz“ in RdW 1995, 388, 392, 393). Auch die vorliegende Konstellation muss daher als vom Schutzbereich des § 3 Kautionsschutzgesetz nicht umfasst beurteilt werden: Zunächst waren die damals noch befugten Organe (Geschäftsführer) der Beklagten an der vom Betriebsrat initiierten Vorgangsweise in keiner Weise beteiligt. Wenn der vom Betriebsratsvorsitzenden aufgetriebene Kapitalgeber und spätere Mehrheitsgesellschafter seine Mitwirkung davon abhängig machte, dass ein Geschäftsführer aus der Belegschaft gefunden werde, der sich überdies an der Gesellschaft beteilige, so kann dies insbesondere damit erklärt werden, dass er eine Person wollte, die - anders als er selbst - mit dem Betrieb vertraut war. Selbst wenn der spätere Mehrheitsgesellschafter gewusst hätte, dass die Kapitalaufbringung durch den späteren Minderheitsgesellschafter teilweise auch aus Mitarbeitermitteln erfolgte, hätte dies nichts daran geändert, dass die vom Gesetz verpönte Druckausübung nicht vom Arbeitgeber ausging: Die Initiative ergriff vielmehr die Belegschaft bzw deren Vertretung. Der in Aussicht genommene Mehrheitsgesellschafter konnte auch durch eigene Verfügungen weder eine Kündigung herbeiführen, noch hatte er im Vorstadium irgendeinen Einfluss auf die der Beklagten drohende Insolvenz. Dass überdies eine bevorstehende Insolvenz allein keinen unzulässigen Druck des Arbeitgebers in Form eines „Abhängigmachens“ darstellt, hat Geist (aaO) überzeugend nachgewiesen. Mangels (analoger) Anwendbarkeit des § 3 Kautionsschutzgesetz besteht somit kein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der - im Übrigen definitiv und ohne Rückzahlungsabrede - dem in Aussicht genommenen Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter erbrachten Leistung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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