OGH 9ObA100/08h

OGH9ObA100/08h29.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsler und Mag. Edgar Wojta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger, Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Raiffeisenbank P***** eGen, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Streitwert: 21.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. April 2008, GZ 7 Ra 18/08h-130, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. September 2007, GZ 35 Cga 205/04v-117, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.327,68 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 221,28 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 6. 2. 1974 bei der Beklagten als Geschäftsleiter beschäftigt, sein Verdienst betrug zuletzt 6.568,68 EUR monatlich (dies 16 x jährlich). Am 11. 5. 2000 wurde der Arbeitsvertrag des Klägers erneuert, der in seinem Punkt X.) lautet:

„X.) Kündigung, Abberufung und Zurücklegung der Geschäftsleiterfunktion

1. Das Dienstverhältnis gilt als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von beiden Seiten jeweils zum Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten aufgelöst werden.

2. Die Raiffeisenbank verzichtet - auf Grund seiner bisherigen 25-jährigen Geschäftsleitertätigkeit - auf das Recht, das vorliegende Dienstverhältnis mit dem Arbeitnehmer zu kündigen.

Die Raiffeisenbank hat aber sehr wohl das Recht, das Dienstverhältnis mit dem Arbeitnehmer zu kündigen, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Erlangung der Alterspension oder der vorzeitigen Alterspension erreicht hat. Dies allerdings frühestens ab dem 62./57. Lebensjahr des Arbeitnehmers.

3. Der Geschäftsleiter ist berechtigt, seine Funktion unter Wahrung einer sechsmonatigen Frist zu Ende eines Kalendermonates zurückzulegen.

Widerruft der Vorstand die Bestellung zum Geschäftsleiter, gilt die gleiche Frist. Es ist jedoch dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wird. In diesen Fällen erlischt die Funktionszulage."

Die Beklagte ist eine Kreditgenossenschaft (im Firmenbuch seit 21. 11. 2007 als „eGen" eingetragen), für die als Mitglied des Raiffeisenverbands S***** die Satzung der Raiffeisenbanken vom 2. 8. 2001 gilt. Ihre Organe sind gemäß § 10 der Satzung der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Der Vorstand besteht gemäß § 11 Abs 1 der Satzung aus mindestens vier, höchstens jedoch zehn Mitgliedern, darunter dem Obmann und mindestens einem Obmannstellvertreter. § 12 der Satzung regelt Aufgaben, Vertretung und Zeichnung des Vorstands und lautet unter anderem wie folgt:

„(1) Der Vorstand hat bei der Leitung der Genossenschaft die Interessen der Mitglieder im Sinne des Genossenschaftszweckes (§ 2 der Satzung) unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen, der für ihn geltenden Geschäftsordnung und der Beschlüsse der Generalversammlung wahrzunehmen.

Er hat folgende Aufgaben:

a) Die Bestellung der Geschäftsleiter gemäß BWG, Überwachung ihrer Tätigkeit und Widerruf der Bestellung, den Abschluss und die Änderung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsleitern sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den Geschäftsleitern.

...

g) Die Erlassung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsleiter, in welcher der Vorstand sich die Zustimmung zu bestimmten Arten von Geschäften vorbehalten kann.

...

(2) Der Vorstand kann für bestimmte Aufgaben (Absatz 1) aus seiner Mitte Ausschüsse, insbesondere einen Kreditausschuss bestellen. Er hat für sich und seine Ausschüsse je eine Geschäftsordnung zu erlassen.

...

(3) Die Führung der Bankgeschäfte sowie der sonstigen mit dem Betrieb einer Kreditunternehmung verbundenen Geschäfte und die Vertretung der Raiffeisenbank als Kreditgenossenschaft sind im Sinne der Bestimmungen des BWG auf die Geschäftsleiter eingeschränkt.

Sie haben bei ihrer Tätigkeit neben den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen die für sie geltende Geschäftsordnung zu beachten.

(4) Die Vertretung bei Bankgeschäften hat durch zwei Geschäftsleiter gemeinsam oder durch einen Geschäftsleiter gemeinsam mit einem Gesamtprokuristen zu erfolgen. ...

(5) Die Vertretung in Ausübung der in § 12 Abs 1 dem Vorstand obliegenden Verpflichtungen hat durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam, wovon mindestens eines der Obmann oder ein Obmannstellvertreter sein muss, zu erfolgen.

...

(7) Die Bestellung von Geschäftsleitern sowie die Erlassung der Geschäftsordnung für die Geschäftsleiter und jede Abänderung derselben, ferner die Abberufung von Geschäftsleitern, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den Geschäftsleitern sowie der Abschluss und jede Änderung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsleitern bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrates. ...

(8) Die Bestellung und Abberufung von Prokuristen erfolgt durch die Geschäftsleiter gemeinsam und bedarf der Zustimmung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

..."

Die am 8. 10. 1999 beschlossene Geschäftsordnung für den Vorstand lautet unter anderem:

„§ 3

Aufgaben und Befugnisse des Vorstandes

(1) Der Vorstand hat bei der Leitung der Genossenschaft (§ 12 Abs 1 der Satzung) die Interessen der Mitglieder im Sinne des Genossenschaftszweckes wahrzunehmen.

...

(3) Der Vorstand hat zur Führung der Bankgeschäfte der Raiffeisenbank mindestens zwei hauptberufliche Geschäftsleiter zu bestellen. Die Geschäftsleiter müssen die vom Gesetz geforderte Qualifikation besitzen. ...

(4) Der Vorstand hat die Geschäftsleiter im Rahmen der gesetzlichen, satzungsmäßigen und geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen zu überwachen. Stellt der Vorstand fest, dass die Geschäftsleiter die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht anwenden, die Interessen der Raiffeisenbank schädigen, die gesetzlichen, satzungsmäßigen oder geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen nicht einhalten, ist er verpflichtet, unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Wahrung der Interessen der Raiffeisenbank notwendig sind. Der Vorstand vertritt die Raiffeisenbank in allen Verfahren gegen die Geschäftsleiter. Im Falle einer Abberufung der Geschäftsleiter ist die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Gleichzeitig ist über eine etwaige Auflösung des Dienstverhältnisses zu entscheiden. Bei Vorliegen von Entlassungsgründen hat der Obmann Geschäftsleiter vorläufig vom Dienst zu suspendieren und unverzüglich den Vorstand zu informieren, der über die Entlassung zu entscheiden hat.

...

(9) Folgende Angelegenheiten bedürfen auch der Zustimmung des Aufsichtsrates:

a) Bestellung und Abberufung der Geschäftsleiter und Prokuristen sowie der Abschluss und jede Änderung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsleitern und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den Geschäftsleitern.

...

§ 4

Aufgaben und Befugnisse des Obmannes

(1) Der Obmann hat insbesondere:

...

1) Bei Vorliegen von Entlassungsgründen Geschäftsleiter vorläufig vom Dienst zu suspendieren (siehe § 3 Abs 4 der Geschäftsordnung);

...

§ 8

Beschlussfassung

(1) Der Vorstand kann gültige Beschlüsse nur dann fassen, wenn sämtliche Vorstandsmitglieder einberufen wurden und mehr als die Hälfte der Vorstandsmitglieder anwesend ist.

(2) Bei der Abstimmung gilt die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Die Stimmenthaltung gilt als Gegenstimme.

..."

Gemäß der ebenfalls am 8. 10. 1999 beschlossenen Geschäftsordnung des Aufsichtsrats muss der Aufsichtsrat einer Abberufung eines Geschäftsleiters und jeder Änderung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsleitern zustimmen (§ 3). Auch der Aufsichtsrat kann Beschlüsse nur fassen, wenn sämtliche seiner Mitglieder einberufen wurden und mehr als zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind. Bei der Abstimmung gilt die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder, Stimmenthaltungen gelten als Gegenstimme (§ 8).

Die ebenfalls in der Sitzung des Vorstands vom 8. 10. 1999 beschlossene „Geschäftsordnung für die Geschäftsleiter" lautet auszugsweise wie folgt:

„Gemäß § 12 der Satzung erlässt der Vorstand im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat für die Geschäftsleiter folgende

Geschäftsordnung

§ 1

Genossenschaftliche Zielsetzungen

Die Geschäftsleiter sind die gesetzlichen Vertreter der Raiffeisenbank im Sinne der Bestimmungen des Bankwesengesetzes. Die Raiffeisenbank verwirklicht ihren Förderungsauftrag autonom im genossenschaftlichen Verbund. Die Geschäftsleiter haben daher ihre Aufgaben nach diesen Grundsätzen zur Erreichung der genossenschaftlichen Ziele zu erfüllen.

§ 2

Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsleiter

(1) Die Geschäftsleiter führen die Bankgeschäfte sowie die sonstigen mit dem Betrieb einer Bank verbundenen Geschäfte in gemeinsamer Verantwortung. Sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen, satzungsmäßigen und geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen anzuwenden und für eine wirtschaftliche Gebarung zu sorgen.

...

(3) Unbeschadet ihrer Gesamtverantwortung haben die Geschäftsleiter ihre sachlichen Zuständigkeiten unter Zugrundelegung der vom Fachverbandsausschuss beschlossenen 'Betriebsorganisation für Raiffeisenbanken in Österreich' in einer Geschäftsverteilung schriftlich festzulegen.

(4) Die Geschäftsleiter haben für einen gegenseitigen Informationsaustausch zu sorgen und bei der Führung der Geschäfte grundsätzlich das Einvernehmen herzustellen. Bei Differenzen zwischen den Geschäftsleitern ist der Obmann unverzüglich zu informieren (§ 4 Abs 1k der Geschäftsordnung für den Vorstand).

...

(7) Die Geschäftsleiter sind berechtigt, Überziehungen von Krediten, die der Zustimmung des Vorstandes bedürfen (§ 3 Abs 1e der Geschäftsordnung), bis zu 10% des bewilligten Obligos zu bewilligen.

..."

Der Kläger wurde in der Vorstandssitzung vom 4. 11. 2004 als Geschäftsleiter abberufen, nachdem Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gescheitert waren. Ursache für die Abberufung war, dass die Mehrheit der Mitarbeiter der Beklagten, darunter der Geschäftsleiter P*****, eine Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse wünschten, sodass die Handlungsunfähigkeit der Beklagten drohte. Die Abberufung erfolgte mit einer Stimmenthaltung. Ebenfalls am 4. 11. 2004 wurde eine Aufsichtsratssitzung abgehalten. Auch in dieser wurde der Kläger - einstimmig - als Geschäftsleiter abberufen. Die Einladung zur Vorstands- wie auch zur Aufsichtsratssitzung, die beide in der Bankstelle P***** stattfanden, enthielt unter anderem den Tagesordnungspunkt 4., „Personalangelegenheiten/Geschäftsleitung", der über einstimmigen Beschluss in beiden Sitzungen jeweils vor den Punkten 2. und 3. behandelt wurde. Neben der Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter wurde seine Dienstfreistellung (zunächst bis 19. 11. 2004) beschlossen. Schließlich wurde in der Aufsichtsratssitzung die Innenrevisorin Maria W***** als weitere Geschäftsleiterin neben Günter P***** bestellt. An eine fristlose Entlassung des Klägers war am 4. 11. 2004 noch nicht gedacht.

Nach der Abberufung des Klägers fand zwischen 24. 11. 2004 und 10. 12. 2004 eine Sonderkreditprüfung statt, weil bei einer nach seiner Abberufung begonnenen Durchsicht der Kreditfälle des Klägers Ungereimtheiten zu Tage getreten waren. Deren Ergebnis wurde am 10. 12. 2004 präsentiert. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde am 10. 12. 2004 durch die Geschäftsleiter Günter P***** und Maria W***** die Entlassung des Klägers ausgesprochen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis über den 13. 12. 2004 infolge der Rechtsunwirksamkeit der am 10. 12. 2004 ausgesprochenen und ihm am 13. 12. 2004 zugegangenen Entlassung hinaus aufrecht fortbestehe. Ein Entlassungsgrund liege nicht vor, die Erklärung der Entlassung sei vor dem Hintergrund des vertraglich vereinbarten Kündigungsschutzes daher unwirksam und überdies verfristet. Trotz seiner Abberufung habe der Geschäftsleitervertrag weiterhin bestanden, sodass die Entlassung durch den Vorstand mit nachträglicher Zustimmung des Aufsichtsrats, nicht aber durch die dazu nicht befugten Geschäftsleiter hätte ausgesprochen werden müssen. Denn nach der Geschäftsordnung des Vorstands der Beklagten hätte dieser mit der Abberufung des Geschäftsleiters unter einem auch über das Schicksal dessen Arbeitsvertrags zu entscheiden gehabt, was jedoch unterblieben sei. Die Kompetenz des Vorstands für den Arbeitsvertrag des abberufenen Geschäftsleiters gehe weder nach der Geschäftsordnung noch nach dem Arbeitsvertrag des Klägers, auf die (weiteren oder neuen) Geschäftsleiter über. Die Verhandlungen über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hätten überdies gezeigt, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers der Beklagten zumutbar gewesen wäre, sodass auch daher kein Entlassungsgrund vorliege. Der Sonderrevisionsbericht sei nicht geeignet, eine Entlassung zu begründen, weil er gemäß den §§ 4, 5, 6 und 8 GenRevG dem Betroffenen zur Mängelbehebung vorgelegt werden müsse.

Darüber hinaus sei auch die Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter rechtswidrig und nichtig erfolgt, weil dazu gemäß § 17 Abs 2 GenG ein einstimmiger Vorstandsbeschluss erforderlich sei. § 8 Abs 2 der Geschäftsordnung des Vorstands sei, weil er § 17 Abs 2 GenG abändere und auch durch die Satzung der Beklagten (§ 12) nicht gedeckt sei, rechtswidrig. Weil sich ein Vorstandsmitglied bei der Beschlussfassung über die Enthebung des Klägers als Geschäftsleiter der Stimme enthalten habe, sei diese daher nicht rechtsgültig zustandegekommen. Selbst wenn man von einer rechtswirksamen Abberufung ausgehen wollte, wäre der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag für zumindest weitere sechs Monate als Geschäftsleiter zu beschäftigen gewesen, sodass auch daher die Zuständigkeit des Vorstands - und nicht der Geschäftsleiter - zum Ausspruch der Entlassung gegeben gewesen wäre. Schließlich habe es an weiteren formellen Erfordernissen für einen rechtswirksamen Vorstandsbeschluss zur Enthebung des Klägers gemangelt: Der diesbezügliche Tagesordnungspunkt sei weder ordnungsgemäß angekündigt noch tatsächlich vorhanden gewesen, den Vorstandsmitgliedern seien teilweise keine oder falsche Informationen über die Enthebungsgründe vorgelegen, eine Beschlussfassung über die Suspendierung des Klägers sei nicht erfolgt.

Die Beklagte wandte gegen das Klagebegehren zusammengefasst ein, dass der Kläger ordnungsgemäß als Geschäftsleiter durch Vorstand und Aufsichtsrat abberufen worden sei. Auch die Entlassung des Klägers sei rechtswirksam und berechtigt erfolgt. Dieser habe durch schlechte Personalführung fast die Handlungsunfähigkeit der Beklagten verursacht. Neben anderen Verfehlungen habe er insbesondere Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Vergabe von Krediten zu verantworten, sodass die Beklagte mit Kreditausfällen zu rechnen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte neben dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt zusammengefasst noch folgenden im Revisionsverfahren entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Neben dem Kläger war als weiterer Geschäftsleiter seit August 2003 Günter P***** tätig. Zu Beginn des Jahres 2004 häuften sich Beschwerden von Mitarbeitern über den Führungsstil des Klägers, die in einem gemeinsamen Schreiben vom 2. 4. 2004 an den Vorstand der Beklagten auch artikuliert wurden. Dieses Schreiben wurde zwar nicht an den Vorstand gesandt, gelangte jedoch dessen Obmann zur Kenntnis. Zwischen 2. 4. 2004 und 23. 9. 2004 richteten sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Schreiben an die Beklagte, in denen sie um einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse ersuchten, darunter auch Günter P*****. Gespräche des Obmanns der Beklagten mit dem Kläger führten nur zu einer kurzfristigen Besserung.

Der Kläger hat unter anderem für bestimmte Aufgaben Mitarbeiter ohne entsprechende Ausbildung herangezogen, diesen teilweise unklare Anweisungen gegeben und deren Arbeit bekrittelt. Er vereinbarte teilweise mit Kunden Gesprächstermine, verließ aber die Bank kurz vor dem Termin oder ließ sich von Mitarbeitern verleugnen.

In einer gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten am 29. 10. 2004 wurden die Personalprobleme bei der Beklagten besprochen. Die Sitzungsteilnehmer kamen zum Schluss, dass diese Probleme nur durch eine Abberufung des Klägers gelöst werden könnten. Sie beschlossen, eine einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zustande zu bringen. Sollte dies nicht gelingen, werde in der nächsten Sitzung des Vorstands die Abberufung des Klägers erfolgen. Nach der Abberufung des Klägers in den Sitzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten am 4. 11. 2004 wurde dem Kläger ein neues Vergleichsangebot unterbreitet. Zwei Mitarbeiter der Beklagten, darunter Günter P*****, zogen am 4. 11. 2004 ihre Kündigungen der Arbeitsverhältnisse zurück.

Nach der Abberufung des Klägers wurden seine Kreditfälle unter den beiden Geschäftsleitern aufgeteilt und durchgesehen, wobei Ungereimtheiten zutage traten. Die Beklagte entschloss sich daraufhin zu einer Sonderkreditprüfung, die vom 24. 11. 2004 bis zum 10. 12. 2004 stattfand. Beanstandungen traten in insgesamt 20 Kreditfällen zutage. So sorgte der Kläger zB nicht für ausreichende Sicherheiten, er unterließ die Bonitätsprüfung von Kreditnehmern, ließ einen Kreditvertrag nicht vom zweiten Geschäftsleiter und einen anderen nicht vom Geschäftsführer der Kreditnehmerin, einer GmbH, sondern nur von deren Gesellschaftern unterfertigen. In anderen Fällen schloss er keine Rückzahlungsvereinbarung ab oder unterließ er eine Fälligstellung sowie Betreibungsmaßnahmen (Ersturteil S 33 - 51). Mit Forderungsausfällen muss teilweise gerechnet werden, in einzelnen Fällen mussten von der Beklagten Wertberichtigungen vorgenommen werden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass die Satzung der Beklagten die Erlassung einer Geschäftsordnung für den Vorstand vorsehe. Sie enthalte Kriterien für Beschlussfassungen, auch könne geschlossen werden, dass durch die Geschäftsordnung für den Vorstand vom Einstimmigkeitsprinzip abgegangen werden könne. Die Einladungen zu den Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat am 4. 11. 2004 seien ausreichend erfolgt. Der Beschluss des Vorstands auf Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter sei daher, ungeachtet einer Stimmenthaltung, als wirksam anzusehen. Aus Punkt X.3 des Arbeitsvertrags des Klägers ergebe sich nicht, dass er nach seiner Abberufung weiterhin Geschäftsleiter gewesen sei, denn diese Bestimmung könne nur bei einer Abberufung zum Tragen kommen, die auf einem Kündigungsgrund beruhe. Im Zeitpunkt seiner Entlassung sei der Kläger daher nicht mehr Geschäftsleiter gewesen. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthalte nur einen Kündigungs-, nicht aber einen Entlassungsschutz. Die Geschäftsleitung sei daher zum Ausspruch seiner Entlassung berechtigt gewesen. Das Gesamtverhalten des Klägers, aber auch einzelne verwirklichte Entlassungsgründe, darunter insbesondere gravierende Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Vergabe von Krediten, rechtfertigten die fristlose Entlassung, die auch, insbesondere vor dem Hintergrund der komplexen Organisation der Beklagten und der erfolgten Dienstfreistellung nicht verspätet ausgesprochen worden sei. Das Entlassungsrecht sei auch nicht durch die versuchte vergleichsweise Bereinigung untergegangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil nicht Folge. Aus § 17 GenG ergebe sich kein eindeutiger Hinweis auf das Erfordernis der Einstimmigkeit, sondern eher auf ein Prinzip der Mitwirkung sämtlicher Mitglieder eines Vorstands bei der Fassung eines Beschlusses. An die Abbedingung des Einstimmigkeitsprinzips seien keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, weswegen abweichende Bestimmungen in der Satzung oder in der Geschäftsordnung als zulässig erachtet werden. Die Satzung der Beklagten ermächtige den Vorstand, sich eine Geschäftsordnung zu geben und übertrage damit auch die Regelungskompetenz auf diese. Dass aber die nach der Geschäftsordnung vorgesehenen Mehrheitserfordernisse erfüllt seien, bestreite die Beklagte nicht, weshalb die Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter rechtmäßig erfolgt sei. Nach seiner Abberufung sei der Kläger daher nicht weiter Geschäftsleiter, sondern einfacher Angestellter gewesen, sodass die Entlassung von den Geschäftsleitern ausgesprochen habe werden können. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus Punkt X.3 des Arbeitsvertrags des Klägers, der sich nur auf den Fall einer Abberufung bei Vorliegen eines Kündigungsgrunds beziehen könne. Der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 Fall 3 AngG sei verwirklicht, von einer Verfristung der Entlassung könne keine Rede sein. Insbesondere habe der Kläger im Zusammenhang mit den festgestellten Sorgfaltsverstößen bei Kreditvergaben gegen den Sorgfaltsmaßstab des § 39 BWG verstoßen. Beachtlich sei außerdem das Gesamtverhalten des Klägers. In der angeordneten Dienstfreistellung könne kein Verzicht auf das Entlassungsrecht gesehen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage, ob § 17 Abs 2 GenG tatsächlich Einstimmigkeit bei der Fassung von Vorstandsbeschlüssen verlange bzw ob und in welcher Art und Weise davon abgegangen werden könne, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Zur Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter in der Vorstandssitzung vom 4. 11. 2004:

Der Revisionswerber führt aus, dass vom Einstimmigkeitsprinzip des § 17 Abs 2 Satz 1 GenG nur durch die Satzung oder eine von der Generalversammlung zu erlassende Geschäftsordnung abgewichen werden könne. Nach der Rechtsprechung sei zur Wirksamkeit von Willenserklärungen die Zustimmung sämtlicher Vorstandsmitglieder erforderlich und nicht nur deren Mitwirkung. Davon könne nur in der Satzung, nicht aber in einer vom Vorstand beschlossenen Geschäftsordnung abgegangen werden. § 17 Abs 2 GenG sei (wie § 18 Abs 2 GmbHG) auch keine Zweifelsregel. Die Satzung der Beklagten enthalte auch keine Ermächtigung zur Regelung der Geschäftsführung. Eine Änderung der Geschäftsführungsbefugnis im Sinn einer Abänderung des gesetzlichen Zustands der Gesamtvertretung gemäß § 17 Abs 2 GenG sei nur im Rahmen einer Satzungsbestimmung möglich, die aber gemäß § 9 Abs 1 und 3 GenG nur Wirksamkeit entfalten könne, wenn sie in das Firmenbuch eingetragen worden sei. Das Argument, dass die Einstimmigkeit unpraktisch sei, greife im Hinblick auf die anlässlich der jährlichen ordentlichen Generalversammlung bestehende Möglichkeit der Satzungsänderung nicht. Geschäftsordnungen existierten zwar in der Praxis, seien dem GenG jedoch fremd. Sie könnten nur interne Abläufe regeln: Der Vorstand könne zwar seine eigenen Abläufe regeln, nicht aber in eine Satzungsregelung, die in die Kompetenz der Generalversammlung falle, eingreifen. Der Vorstand einer Genossenschaft sei daher nicht berechtigt, das im Gesetz verankerte Einstimmigkeitsprinzip in ein Mehrstimmigkeitsprinzip abzuändern. Der bloße Auftrag an den Vorstand, sich eine Geschäftsordnung zu geben, enthalte keine Ermächtigung für Maßnahmen, die einem anderen Organ der Gesellschaft, hier: der Generalversammlung, zukommen.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

1.1 Die Genossenschaft wird gemäß § 17 Abs 1 GenG durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind gemäß § 17 Abs 2 GenG, wenn der Genossenschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen befugt (Gesamtvertretung; der Fall der Passivvertretung ist hier nicht zu behandeln). Zur Vertretung einer Kreditgenossenschaft sind gemäß § 2 Z 1 lit b BWG ausschließlich die Geschäftsleiter befugt, sodass die Vertretungsmacht bei Kreditgenossenschaften „aufgespaltet" ist (Strommer in Dellinger, GenG § 17 Rz 33, 35 ff; vgl auch Perkounigg, Wer entscheidet bei Kreditgenossenschaften im Streitfall über den Jahresabschluss? in RdW 2003/420, 490 ff). Unzweifelhaft - und vom Revisionswerber auch gar nicht bestritten - gehört jedoch die Abberufung eines Geschäftsleiters nicht zum Bankbetrieb einer Kreditgenossenschaft (Krejci, Zur Weisungsfreiheit bankrechtlicher Geschäftsleiter von Kreditgenossenschaften in: ÖBA 2008, 710 ff, 715; Kastner in Patera, Handbuch des österreichischen Genossenschaftswesens 165), sodass dafür im konkreten Fall der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats zuständig war.

1.2 Strittig ist im Revisionsverfahren, ob die Satzung der Beklagten den Vorstand ermächtigen kann, sich eine Geschäftsordnung zu geben, in der die Beschlusserfordernisse abweichend von der im Gesetz vorgegebenen Einstimmigkeit geregelt werden können.

Dies bejaht Dellinger in seinem für die Beklagte im Verfahren erstatteten Gutachten (Beil ./131; vgl auch Strommer aaO § 17 Rz 1, 6 und 11). Keinert hingegen vertritt in einem ebenfalls im Verfahren für den Kläger erstatteten Gutachten (Beil ./Q) den Standpunkt, dass die Satzung keine Ermächtigung für eine solche Geschäftsordnung enthalten könne. Anders als § 77 Abs 1 dAktG sehe das GenG dafür keine gesetzliche Grundlage vor. Wenn die Satzung keine Abweichung vom Gesetz vorsehe, bedeute dies, dass sie den gesetzlichen Zustand - Einstimmigkeit - belasse. Durch eine Geschäftsordnung könne der Vorstand dies nicht ändern, denn ein Organbeschluss könne niemals die Satzung ändern.

1.3 Zunächst ist festzuhalten, dass von der Vertretung der Genossenschaft im Außenverhältnis Dritten gegenüber die Geschäftsführung im Innenverhältnis zu unterscheiden ist. Die Vertretungsmacht des Vorstands ist im Außenverhältnis unbeschränkbar (§ 19 S 2 GenG; RIS-Justiz RS0023923). Während die §§ 17 ff GenG Regeln über die Vertretung enthalten, fehlen dem GenG vergleichbare Regeln über die Geschäftsführung (Keinert, GenG Rz 354; Strommer in Dellinger aaO § 17 Rz 9; insbesondere fehlt ein dem § 27 dGenG vergleichbares Geschäftsführungsmonopol des Vorstands, vgl dazu Dellinger/Oberhammer, Entwurf eines Genossenschaftsgesetzes, 108). Damit fehlt aber auch eine Vorschrift über die Gesamtgeschäftsführung, wie sie etwa § 21 Abs 1 GmbHG mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag vorsieht.

Dessen ungeachtet obliegt dem Vorstand die generelle Geschäftsführungsbefugnis (6 Ob 27/94), soweit sie nicht einem anderen Organ der Genossenschaft zugewiesen ist (Keinert aaO Rz 354 mwH; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht Rz 1764; Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht 5/76 ff). In § 22 GenG wird das Rechnungswesen als Geschäftsführungsaufgabe des Vorstands normiert. § 26 GenG sieht die Möglichkeit vor, den Betrieb von Geschäften der Genossenschaft einem ihrer Beamten oder anderen Personen als Bevollmächtigte zuzuweisen. Die Befugnis des Vorstands zur Geschäftsführung lässt sich somit aus § 26 S 1 GenG, aber auch aus § 34 Abs 1 GenG erschließen (Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth aaO Rz 1764).

Im konkreten Fall ist nicht die Vertretungshandlung selbst, nämlich der Vollzug der Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter nach außen, strittig, sondern die Rechtmäßigkeit der über die Abberufung ergangenen Beschlussfassung des Vorstands. Dabei handelt es sich um einen im Innenverhältnis ergangenen Akt der Geschäftsführung des Vorstands (illustrativ zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage im AktG und unter Hinweis auf § 1011 ABGB Strasser in Jabornegg/Strasser, Komm zum AktG § 70 Rz 30, 34; zu einzelnen dem Vorstand gesetzlich übertragenen Geschäftsführungskompetenzen, wie etwa die Bestellung der Geschäftsleiter einer Kreditgenossenschaft vgl Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 5/78; zum Begriff der Geschäftsführung etwa auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 21 Rz 3).

1.4 Anders als nach § 77 dAktG ist auch im deutschen Genossenschaftsgesetz die Geschäftsführung nicht ausdrücklich als Aufgabe des Vorstands definiert. Sie wird wie im österreichischen Genossenschaftsrecht lediglich an verschiedenen Stellen des Gesetzes erwähnt (Gätsch in Helios/Strieder, Beck'sches Handbuch der Genossenschaft § 5 Rz 6). Wie bereits ausgeführt hat der Vorstand der Genossenschaft gemäß § 27 dGenG zwar ein Leitungsmonopol, er hat aber gemäß § 27 Abs 1 dGenG die Beschränkungen zu beachten, die durch die Satzung festgesetzt sind. Geschäftsordnungen des Vorstands sind nicht zwingend erforderlich, sie können die Leitungsverantwortung des Vorstands nicht beschränken.

Der Vorstand kann sich durch Geschäftsordnungen im Rahmen des ihm obliegenden Selbstorganisationsrechts ein Verfahren vorgeben, in dem üblicherweise auch Regeln über seine Beschlussfassung und die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat enthalten sind. Er beschließt die Geschäftsordnung im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts daher selbst (insoweit einstimmig). Satzungen und Geschäftsordnung sehen in der Praxis meist vor, dass der Vorstand beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder mitwirken und eine einfache Mehrheit erreicht wird (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Genossenschaftsgesetz³ § 27 Rz 8 ff, 13; Schaffland in Lang/Weidmüller, Genossenschaftsgesetz36 § 27 Rz 14; Gätsch aaO § 5 Rz 33; vgl auch Müller, Komm zum GenG § 24 Rz 16).

1.5 Auch nach österreichischem Genossenschaftsrecht besteht kein Zweifel darüber, dass die Satzung oder eine von der Generalversammlung beschlossene Geschäftsordnung bestimmen kann, mit welcher Mehrheit der Vorstand Beschlüsse fasst, wann er beschlussfähig ist etc (vgl § 17 Abs 2 GenG; Kalss/Nowotny/Schauer aaO Rz 5/75; Kastner/Doralt/Nowotny aaO 464).

Keinert differenziert in seinem Lehrbuch zwischen Vertretung und Geschäftsführung: Der Genossenschaftsvertrag könne eine von § 17 Abs 2 GenG abweichende Regelung bestimmen (Rz 344), dies sei jedoch nicht im Rahmen einer Geschäftsordnung des Vorstands zulässig (in FN 9 zu Rz 344 die Meinung Kastners in Patera aaO 158 FN 60 ablehnend). Demgegenüber führt er zur Geschäftsführung aus, dass ein Vorstandsbeschluss mangels einer Satzungs- oder Geschäftsordnungsbestimmung der Einstimmigkeit bedürfe. Das Statut sehe regelmäßig Mehrheitsbeschlüsse vor (Rz 355).

Kastner (in Patera aaO 153) weist auf § 19 GenG hin und führt aus, dass die Geschäftsführung des Vorstands durch die Satzung, durch die Geschäftsordnung für den Vorstand oder durch Beschlüsse der Generalversammlung beschränkt werden kann (vgl auch das Weisungsrecht der Generalversammlung gegenüber dem Vorstand gemäß § 34 GenG). Auch einzelne Geschäfte könnten an die Zustimmung eines Genossenschaftsorgans gebunden werden, durch solche Beschränkungen könne jedoch die Vertretungsmacht des Vorstands gegenüber Dritten nicht beschränkt werden. Wörtlich formuliert Kastner zur Geschäftsführung (in Patera aaO 153 f, Unterstreichungen durch den Senat):

„Die Geschäftsordnung für den Vorstand beschließt die Generalversammlung, wenn diese oder die Satzung damit nicht ein anderes Organ betraut. Der Vorstand kann angehalten werden, den Entwurf einer Geschäftsordnung zur Beschlussfassung seitens des zuständigen Organs vorzulegen. Die Geschäftsordnung kann mA nach nur Belange regeln, die das Innenverhältnis, nicht aber das Außenverhältnis der Genossenschaft betreffen, soweit nicht die Frage auch durch Generalversammlungsbeschluss geordnet werden könnte. [...] Trifft weder die Satzung noch die Geschäftsordnung für den Vorstand eine Regelung, so gilt Gesamtgeschäftsführung, die der Gesamtvertretung nach § 17 Abs 2 GenG entspricht."

Unter Bezugnahme auf diese Lehrmeinung Kastners vertritt auch Feil (Genossenschaftsrecht § 17 Rz 7) die Ansicht, dass die Geschäftsordnung des Vorstands nicht nur von der Generalversammlung, sondern auch von einem anderen in der Satzung dazu bestimmten Organ beschlossen werden könne, sie könne nur „genossenschaftsinterne Fragen" regeln. Dass das aus der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis folgende Einstimmigkeitsprinzip nicht nur durch Satzung, sondern auch durch eine Geschäftsordnung des Vorstands abgeändert werden kann, hält auch Frotz für zulässig (Zur Stellung, zu den Aufgaben und zur Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat bei Kreditgenossenschaften, Rechtsgutachten zur Stellung des Vorstands und des Aufsichtsrats im Organisationsgefüge von Raiffeisenkasse und Raiffeisenbanken [1985], 3 f).

Nach Ansicht dieser Autoren kann die Satzung daher den Vorstand ermächtigen, eine Geschäftsordnung für sich zu beschließen, die auch Regeln über die interne Beschlussfassung wie die hier zu beurteilende Geschäftsordnung in § 8 enthält (Frotz aaO 3 f erachtet konkret § 12 Abs 2 Satz 2 der Mustersatzung der niederösterreichischen Raiffeisenkassen iVm § 8 Abs 2 der auf Basis dieser Satzung erlassenen Geschäftsordnung für den Vorstand, der Mehrstimmigkeit vorsehe, für zulässig).

1.6 Die unter Punkt 1.5 zitierten Lehrmeinungen stellen die Rechtslage zutreffend dar. Wenn die Generalversammlung eine Geschäftsordnung für den Vorstand bestimmen kann, in der die Beschlusserfordernisse für den Vorstand abweichend von der gesetzlichen Regelung festgelegt sind, und wenn die Satzung selbst solche abweichende Beschlusserfordernisse festlegen kann, so kann sie wie im konkreten Fall auch normieren, dass der Vorstand selbst eine Geschäftsordnung zu erlassen hat, in der dann vom Gesetz abweichende Beschlusserfordernisse geregelt werden können. Das Genossenschaftsgesetz enthält über die innere Ordnung des Vorstands keine Bestimmungen, sodass Vertragsfreiheit herrscht und die Regelungen durch Satzung oder innere Geschäftsordnung erfolgen können (so zur damals vergleichbaren Rechtslage beim Aufsichtsrat einer Genossenschaft 9 ObA 76/94).

Indem die Satzung anordnet, dass der Vorstand eine Geschäftsordnung erlassen muss, basiert diese im konkreten Fall auch auf dem Willen der Generalversammlung der Beklagten. Der Genossenschaftsvertrag bestimmt derart den Vorstand, sich selbst Regeln für die Geschäftsführung zu geben. Dass auch der Gesetzgeber den Vorstand durchaus für berechtigt erachtet, die Geschäftsführung selbst zu gestalten, lässt sich etwa aus § 26 GenG erkennen. Dem Argument, dass die Satzung die gesetzliche Regelung mangels abweichender Bestimmung unverändert ließe (Keinert in Beil ./Q) kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil - wie bereits ausgeführt - eine gesetzliche Bestimmung über die Abstimmungserfordernisse bei Beschlussfassungen im Rahmen der Geschäftsführung fehlt, sodass sie schon begrifflich nicht „unverändert" bleiben kann.

Da die gemäß § 8 Abs 2 der Geschäftsordnung des Vorstands erforderliche Mehrheit in der Sitzung des Vorstands am 4. 11. 2004 unstrittig erzielt wurde und ihr der Aufsichtsrat zustimmte, erfolgte die Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter rechtswirksam.

2. Zur Wirksamkeit der Erklärung der Entlassung des Klägers am 10. 12. 2004:

Der Revisionswerber bestreitet, dass seine Entlassung rechtswirksam erfolgt sei, weil dafür ausschließlich der Vorstand zuständig gewesen wäre. Dies ergebe sich aus § 3 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand, aber auch aus Punkt X.) des Arbeitsvertrags des Klägers. Dieser mag zwar als Geschäftsleiter abberufen worden sein, arbeitsrechtlich sei er jedoch Geschäftsleiter geblieben. Im Zeitpunkt der Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter seien für die Beklagte keine Entlassungsgründe gegeben gewesen. Der bloße Verdacht des Vorliegens von Entlassungsgründen genüge nicht.

Ergänzend zu der zutreffenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts ist dem Revisionswerber entgegenzuhalten, dass auch für den Bereich des Genossenschaftsrechts zwischen seiner Organstellung als Geschäftsleiter der Beklagten und deren Widerruf einerseits sowie seinem Arbeitsvertrag und dessen Auflösung andererseits zu unterscheiden ist (zur AG: RIS-Justiz RS0049399). Auch aus § 3 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand ergibt sich, dass gleichzeitig mit der Abberufung über die etwaige Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Geschäftsleiters zu entscheiden ist, dass also die Abberufung von der Funktion als Geschäftsleiter von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu unterscheiden ist.

Als Geschäftsleiter war der Kläger kein Organ iSd Genossenschaftsgesetzes, sondern ein - notwendiges (6 Ob 31/92) - Sonderorgan der Kreditgenossenschaft iSd §§ 2 Z l lit b, 5 Abs l Z 12 BWG, für den daher sinngemäß die für Vorstandsmitglieder maßgeblichen Bestimmungen gelten (Kastner in Patera aaO 168). Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft können gemäß § 15 Abs 2 GenG unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus den bestehenden Verträgen jederzeit abberufen werden. Davon abweichende Vorschriften für Geschäftsleiter enthält weder das Genossenschaftsgesetz noch das Bankwesengesetz.

Die Abberufung des Klägers aus seiner Organstellung als Geschäftsleiter am 4. 11. 2004 erfolgte somit rechtswirksam.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus Punkt X.3 des Arbeitsvertrags des Klägers: Infolge der bereits dargestellten Unterscheidung zwischen der Organstellung des Klägers und seiner Stellung als Arbeitnehmer bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit dieser Bestimmung des Arbeitsvertrags. Ob nämlich durch die Abberufung des Klägers als Geschäftsleiter eine arbeitsvertraglich vereinbarte Frist allenfalls verletzt worden sein mag oder nicht, kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil eine Vertragsverletzung lediglich Schadenersatzansprüche nach sich ziehen könnte, die jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Nach seiner Abberufung als Geschäftsleiter war der Kläger somit nur mehr Angestellter der Beklagten ohne Organfunktion. Der im Revisionsverfahren allein erhobene Einwand, der Kläger sei im Zeitpunkt der Entlassung noch (zumindest arbeitsrechtlich) Geschäftsleiter der Beklagten gewesen, die Entlassung habe daher nur vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgesprochen werden können, ist daher - wie dargestellt - nicht zutreffend.

3. Zur behaupteten Verfristung der Entlassung:

In diesem Zusammenhang rügt der Revisionswerber, dass die Vorinstanzen keine Feststellungen „zum Verfristungseinwand" getroffen hätten. Erkennbar habe das Berufungsgericht die Entlassung nur mit Unregelmäßigkeiten des Klägers bei der Kreditvergabe begründet. Offen bleibe aber, in welchen der dem Kläger vorgeworfenen Kreditfälle die Organe der Beklagten zu welchem Zeitpunkt über welche konkreten Informationen verfügt hätten. Ohne derartige Feststellungen lasse sich die Frage der Verfristung des Entlassungsrechts aber rechtlich nicht abschließend beurteilen.

Zutreffend weist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, dass der Kläger in seiner Berufung keine Rechtsrüge zur behaupteten Verfristung der Entlassung ausführte. Eine im Berufungsverfahren unterbliebene oder nicht gehörig ausgeführte Rechtsrüge kann aber nach stRsp im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 23 mwH). Nichts anderes gilt für im Berufungsverfahren unbekämpfte selbständige Streitpunkte (RIS-Justiz RS0043480 [T22]). Schließlich kann der Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels auch dann nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema wie hier ohnehin Feststellungen getroffen wurden, die aber den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers zuwiderlaufen (RIS-Justiz RS0043480 [T15], zuletzt 9 ObA 67/09g).

Soweit der Revisionswerber inhaltlich erkennbar die Berechtigung des Ausspruchs der Entlassung bestreitet, kann auf die in diesem Zusammenhang zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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