OGH 9Ob86/22w

OGH9Ob86/22w24.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Schober in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. * S*, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I* GmbH, *, vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, Leistung und Unterlassung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Februar 2022, GZ 1 R 203/21f‑25, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. Juli 2021, GZ 9 C 586/20x‑21, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00086.22W.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revision des Klägers ist entgegen dem – hier nachträglich erfolgten und den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Darstellung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 2. Der Kläger war Eigentümer einer näher genannten Wiener Liegenschaft, die er im Jahr 2011 an die C* Limited (idF: Verkäuferin) übertrug. Diese verkaufte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 24. 1. 2019 an die Beklagte. Im vorliegenden (als eines von mehreren im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehenden) Verfahren begehrt der Kläger mit Wirkung zwischen ihm und der Beklagten die Feststellung, dass die von ihm mit der Verkäuferin getroffene (obligatorische) Nutzungs‑ und Wohnrechtsvereinbarung vom 2. 3. 2015 aufrecht bestehe, dass sie verpflichtet sei, ihm aufgrund der Nutzungs‑ und Wohnrechtsvereinbarung näher genannte Objekte im Haus zu übergeben und die Schlüssel auszuhändigen und dass sie jede Zutrittsverhinderung, jeden Schlossaustausch oder ähnliche Störungen des Nutzungs‑ und Wohnrechts zu unterlassen habe. Die Vorinstanzen wiesen das Begehren mangels Übernahme der Vereinbarung durch die Beklagte ab.

[3] Im Verfahren AZ * des Handelsgerichts Wien wurde der zwischen dem Kläger und der Verkäuferin geschlossene Treuhandvertrag hinsichtlich der Liegenschaft als aufgelöst festgestellt und die Verkäuferin verpflichtet, in die Einverleibung des Eigentums für den Kläger an dieser Liegenschaft einzuwilligen sowie diesem die Liegenschaft geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben (Zurückweisung der außerordentlichen Revision, 5 Ob 173/21h).

[4] 3. In seiner Revision macht der Kläger zunächst eine „Abweichung von der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit den Bestimmungen von § 20 und § 234 ZPO“ geltend. Aus dem Urteil zu AZ * ergebe sich, dass Vereinbarungen, welcher Art auch immer, in dem zwischen der Beklagten und der Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrag rechtlich irrelevant seien und die Beklagte den dinglichen Herausgabeanspruch des Klägers gegen sich gelten lassen müsse. Das Berufungsgericht habe die im Sinne der Irrelevanztheorie zu verstehende Bestimmung des § 234 ZPO nicht beachtet.

[5] 3.1. Nach der Rechtsprechung ist § 234 ZPO anzuwenden, wenn sich die Rechtszuständigkeit erst während des Verfahrens ändert. Die Änderung der Rechtszuständigkeit nach Streitanhängigkeit ist im Sinne der herrschenden Irrelevanztheorie für die materiell‑rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ohne Bedeutung (RS0039242 [T11]). Hier hat der Erwerb der Liegenschaft durch die Beklagte vor Streitanhängigkeit des vorliegenden Verfahrens stattgefunden. Sollte der Kläger iSd § 234 ZPO aus der in jenem Verfahren erkannten Rückgabeverpflichtung der Verkäuferin eine Wirkung auf die Beklagte ableiten wollen, ist festzuhalten, dass er sich hier ausschließlich auf ein ihm eingeräumtes Nutzungs‑ und Wohnrecht gestützt hat. Die von ihm daraus abgeleiteten Ansprüche waren auch nicht Gegenstand der in jenem Verfahren ausgesprochenen Verpflichtung der Verkäuferin. Eine Missachtung des § 234 ZPO für die hier geltend gemachten Ansprüche ist schon deshalb nicht ersichtlich.

[6] 3.2. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Kläger einen dinglichen Herausgabeanspruch gegen die Verkäuferin hätte, den die Beklagte gegen sich gelten lassen müsste. Die Pflicht der Verkäuferin, in die Einverleibung des Eigentums für den Kläger an der Liegenschaft einzuwilligen, beruht auf der Auflösung der zwischen ihm und der Verkäuferin abgeschlossenen Treuhandvereinbarung. Die Beendigung des Treuhandverhältnisses bewirkt aber nicht automatisch den Rückfall des Treugutes an den Treugeber, sondern nur die Verpflichtung des Treuhänders zur (Rück‑)Übereignung (obligatorischer Anspruch, s RS0010491; P. Bydlinski in KBB6 § 1002 Rz 7).

[7] 3.3. Der Kläger bringt auch vor, in der Nichtbeachtung der Bestimmung des § 190 ZPO bzw der Nichtbeachtung „eines Sachverhalts und einer anderen Entscheidung bzw eines anderen Verfahrens“ liege ein grober Verfahrensmangel. Es sei keine Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens AZ * erfolgt.

[8] Ungeachtet dessen, dass die Beurteilung der Verpflichtung zur Rückübertragung der Liegenschaft für die Beurteilung des hier geltend gemachten Nutzungs- und Wohnrechts nicht präjudiziell ist, handelt es sich bei der Unterbrechung nach § 190 Abs 1 ZPO um eine fakultative Unterbrechung, deren Unterlassung nach § 192 Abs 2 ZPO unanfechtbar ist. Eine solche Unterlassung kann daher nicht erfolgreich als Verfahrensmangel geltend gemacht werden und ist auch im Weg der Revision nicht bekämpfbar (RS0037013; RS0037090).

[9] 4. Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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