Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im März 2007 bestellte der Beklagte, der ein Sägewerk betreibt, bei der Klägerin eine gebrauchte, werksüberholte Doppelbesäumkreissäge. Hinsichtlich des Kaufpreises trafen die Streitteile folgende Vereinbarung, von der in weiterer Folge auch nicht abgegangen wurde: „Gesamtpreis ab Kindberg, werksüberholt, lackiert, inklusive Montage Euro 24.000; Zahlung: 8.000 Euro Anzahlung nach Vertragsschluss, 10.000 Euro bei Lieferbereitschaft, 6.000 Euro nach mängelfreier Inbetriebnahme, jedoch spätestens 60 Tage nach Lieferung; Lieferzeit: 30. 3. 2007“. Unstrittig ist, dass sich die vereinbarten Kaufpreisteile exklusive Umsatzsteuer verstehen. Im Revisionsverfahren ist weiters nicht mehr strittig, dass der Vereinbarung auch die Lieferbedingungen des Fachverbandes der Maschinen- und Stahlbauindustrie Österreich zugrunde zu legen sind. Darin ist unter anderem unter Punkt 9.2 festgelegt: „Der Käufer ist nicht berechtigt, Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vom Käufer nicht anerkannten Gegenansprüchen zurückzuhalten“. Der weitere AGB-Punkt 11.6 lautet: „Für die Kosten einer durch den Käufer selbst vorgenommenen Mängelbehebung hat der Verkäufer nur dann aufzukommen, wenn er hierzu seine schriftliche Zustimmung gegeben hat“. Entsprechend den vereinbarten Zahlungsmodalitäten fakturierte die Klägerin am 19. 3. 2007 den Betrag von 8.000 EUR zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, zusammen 9.600 EUR. Diese Rechnung erhielt der Beklagte. Er reklamierte diese nicht, sondern überwies durch seine Bank den Betrag von 10.000 EUR an die Klägerin, bei der die Zahlung am 13. 4. 2007 einging. Am 5. 4. 2007 lieferte die Klägerin die Maschine an den Beklagten und fakturierte mit selben Tag den Betrag von 12.000 EUR zuzüglich 20 % Umsatzsteuer. Dieser Fakturierung lag insofern ein Irrtum zugrunde, als nur der Betrag von 10.000 EUR zuzüglich 20 % Umsatzsteuer bei Lieferbereitschaft fällig war. Auf diesen zweiten, nunmehr richtig errechneten Betrag wurde daher auch das Klagebegehren eingeschränkt. Der Beklagte leistet die zweite Vorauszahlung mit der Behauptung nicht, dass die Maschine mit Mängeln behaftet sei.
Die Klägerin begehrt die Zahlung des zweiten Kaufpreisteils von 11.600 EUR (= 12.000 EUR abzüglich der Überzahlung von 400 EUR). Die gelieferte Maschine sei mängelfrei gewesen; selbst wenn man Mängel annehmen wollte, so seien diese jedenfalls behebbar. Der Beklagte sei nicht berechtigt, gestützt auf Mängeleinreden den von ihm geschuldeten Kaufpreisteilbetrag zurückzubehalten. Die Klägerin habe auch keine aus Gewährleistung fließenden Gegenansprüche anerkannt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Maschine habe behebbare Mängel aufgewiesen, von denen er bis auf den nicht funktionierenden hydraulischen Vorschub alle Mängel selbst habe beheben lassen. Dafür habe er Mängelbehebungskosten von 18.085,75 EUR aufwenden müssen, welche aufrechnungsweise eingewendet werden. Der noch vorhandene Mangel sei bis heute nicht saniert worden. Die Klägerin könne sich nicht auf eine Vorleistungspflicht berufen, das Bestehen auf dem vereinbarten Zahlungszurückhaltungsverbot sei sittenwidrig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Festhalten der Klägerin am vereinbarten Verzicht auf Zahlungszurückhaltung wegen Mangelhaftigkeit (§ 1052 ABGB) sei im vorliegenden Fall nicht sittenwidrig. Insbesondere stehe nämlich nicht fest, dass der Kaufgegenstand dermaßen unverbesserbar mangelhaft sei, dass damit eine Unbrauchbarkeit verbunden sei. Nur in einem solchen Fall sei jedoch von der Sittenwidrigkeit des Beharrens auf einer Vorleistungspflicht auszugehen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erachtete die Berufungsausführungen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO). Es sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Über den nach § 508 ZPO gestellten Antrag des Beklagten sprach es jedoch nachträglich aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Entscheidung 6 Ob 107/08s allenfalls auch der gegenteilige Standpunkt entnommen werden könnte.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (einschließlich der Geltendmachung eines sekundären Verfahrensmangels) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, in eventu, dieses im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Im vertraglichen Ausschluss der „Zurückhaltung von Zahlungen“ liegt auch ein vertraglicher Kompensationsausschluss (RIS-Justiz RS0033884). Derartige Vereinbarungen sind nicht grundsätzlich sittenwidrig, weil es dem durch das Aufrechnungsverbot Belasteten offen steht, seine Gegenforderung gesondert geltend zu machen (RIS-Justiz RS0018102; 7 Ob 215/05a). Dies gilt grundsätzlich sowohl beim Kauf - als auch beim Werkvertrag (SZ 55/27). Solche Vereinbarungen verstehen sich auch als Abweichung vom Zug-um-Zug Prinzip des § 1052 ABGB (RIS-Justiz RS0020066).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass trotz Vereinbarung eines solchen Zahlungszurückbehaltungs- und Aufrechnungsverbots das Beharren auf einem solchen durch den Verkäufer gegen die guten Sitten verstoßen kann, und zwar nicht nur, wenn das Vorhandensein eines Mangels bereits durch einen gerichtlichen Sachverständigen festgestellt wurde, sondern auch dann, wenn der gewährleistungspflichtige Verkäufer selbst Verbesserungsversuche vorgenommen und dadurch anerkannt hat, dass ein Mangel vorliegt. In seinem solchen Fall wäre die Berufung auf die in den AGB enthaltene Klausel über das Zurückbehaltungsverbot sittenwidrig (6 Ob 107/08s; 1 Ob 277/98m).
Der Revisionswerber stützt seine Argumente insbesondere auf die Entscheidung 6 Ob 107/08s. Dabei übersieht er jedoch, dass diese nur den vereinbarten Verzicht auf die Geltendmachung des Leistungszurückbehaltungsrechts im Normalfall des § 1052 ABGB betrifft. Im vorliegenden Fall wurde davon unabhängig eine Vorleistung des Beklagten vereinbart, die mit der Ablieferung des Kaufgegenstandes noch nicht im unmittelbaren Zusammenhang stand: Ein Teil des Preises wurde gleich beim Abschluss des Kaufvertrags fällig, ein weiterer Teilbetrag bei „Leistungsbereitschaft“ der Klägerin, das heißt, wenn die Kaufsache geliefert werden kann. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die mangelnde Leistungsbereitschaft im Verfahren erster Instanz nicht eingewendet wurde. Wenn ein Käufer daher eine solche besondere Vorleistungspflicht im Rahmen der Abänderung dispositiven Rechts akzeptiert, muss er auch damit rechnen, Zahlungen leisten zu müssen, ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen Mangel geltend zu machen. Einschlägig ist daher die Judikatur, die jene Vorleistungspflicht betrifft, die in Abänderung des § 1052 ABGB vereinbart wurde, wobei auch eine solche Abrede grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0020066 [T3]).
Zum Werkvertrag hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (1 Ob 101/00k), dass trotz vertraglicher Vereinbarung einer Vorleistungspflicht des Werkbestellers ein Beharren des Werkunternehmers auf diese Vorleistung sittenwidrig sein kann, wenn dieses Werk nicht bloß behebbare Mängel aufweist, sondern bei Fälligkeit der Vorleistung bereits klar ist, dass eine unbehebbare Unbrauchbarkeit des Werks vorliegt und damit feststeht, dass der Werkbesteller nie eine brauchbare, sprich dem Werklohn entsprechende Gegenleistung erhalten kann.
Diese Erwägungen sind auch auf den vorliegenden Kaufvertrag mit einer Vorleistungsvereinbarung zu Lasten des Käufers übertragbar. Es wird vom Käufer nicht verlangt werden können, dass er seine Vorleistung erbringt, wenn bereits bei deren Fälligkeit feststeht, dass die Kaufsache nicht geliefert oder nicht in den bedungenen Zustand versetzt werden kann. Genau dies steht aber hier nicht fest: der Käufer behauptet ja selbst, notwendige Verbesserungsmaßnahmen hinsichtlich behebbarer Mängel vorgenommen zu haben; auch die noch ausstehende Verbesserung des hydraulischen Vorschubs ist nach seinen eigenen Angaben möglich, zumal er zunächst den Kaufpreis nur bis zu der Verbesserung dieses Mangels zurückhalten wollte. Mangels Vorliegens eines an die Unbrauchbarkeit heranreichenden gravierenden Mangels der Kaufsache erweist sich daher das Bestehen der Käuferin auf den Zahlungszurückbehaltungs- bzw Aufrechnungsverbot nicht als sittenwidrig iSd § 879 ABGB. Ob und inwieweit dem Beklagten Mängelbehebungskosten zum Ersatz zustehen, ist nicht in diesem Verfahren zu klären.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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