European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00071.18H.1217.000
Spruch:
I. Das unterbrochene Revisionsrekursverfahren wird fortgesetzt.
II. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagende Partei Rechnungslegung begehrt und ihr Zahlungsbegehren auf vertragliche Ansprüche stützt.
Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, dem insofern die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wird.
Die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung:
I. Das Revisionsrekursverfahren zu 9 Ob 10/17m wurde am 24. Mai 2017 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 10. 5. 2017 zu 3 Ob 28/17i gestellten Antrag auf
Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 12. September 2018, C‑304/17, Löber , über diesen Antrag entschieden hat, ist das Revisionsrekursverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
II. Der Kläger ist Anleger mit Wohnsitz in Wien. Er hat am 24. 8. 2006 über den Sekundärmarkt in Österreich um 66.651,57 EUR Anteile des „X***** Zertifikat“ (in der Folge: das Zertifikat) erworben, dessen Emittentin die Beklagte, eine Bank mit Sitz in London und einer Zweigniederlassung in Frankfurt, ist.
Die abwickelnde Clearingstelle dieses Erwerbs war eine AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Dort ist auch die Globalurkunde des Zertifikats hinterlegt. Die Gelder sind großteils verloren, das Zertifikat ist wertlos.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 85.676,32 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe seiner näher bezeichneten Wertpapieranteile, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für den Schaden, der ihm aus der getätigten Investition in dieses Wertpapier entstanden und noch nicht bezifferbar sei oder künftig entstehen werde, sowie Rechnungslegung. Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte sich der Kläger auf die Gerichtsstände der Art 15 EuGVVO 2001, hilfsweise Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 sowie Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001.
Die Beklagte wandte die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ein und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Der Kläger könne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weder auf Art 15 Abs 1 noch auf Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 stützen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es angesichts der Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und teilweise berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in mehreren Entscheidungen betreffend vergleichbare Sachverhalte anderer Anleger zur vorliegenden Thematik Stellung genommen (4 Ob 185/18m vom 23. 10. 2018; 3 Ob 185/18d vom 24. 10. 2018; 2 Ob 183/18b vom 30. 10. 2018; 10 Ob 80/18i vom 20. 11. 2018). Darin wurde mit ausführlicher Begründung – gestützt auf die Entscheidung des EuGH Rs C‑304/17, Löber – die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die mit der Klage geltend gemachten vertraglichen Ansprüche und des vertraglichen Nebenanspruchs auf Rechnungslegung verneint, hingegen für die deliktischen Ansprüche, insbesondere aus der Prospekthaftung, ausgesprochen, dass das Erstgericht für diese Ansprüche gemäß Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 international zuständig ist. Die in diesen Vorentscheidungen angestellten Erwägungen, auf die verwiesen wird, sind auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen.
Die Vorinstanzen haben daher auch hier die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche zu Recht verneint, weshalb insofern der angefochtene Beschluss zu bestätigen ist.
Dagegen ist das Erstgericht für die aus Delikt abgeleiteten Ansprüche nach Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 des in Wien wohnhaften Klägers international zuständig, sodass die Vorentscheidungen insoweit abzuändern sind. Das Erstgericht wird daher das gesetzmäßige Verfahren über diese Ansprüche zu führen haben.
Zur Frage der internationalen Zuständigkeit liegt ein Zwischenstreit vor (RIS‑Justiz RS0109078 [T15]). Angesichts des Umstands, dass beide Parteien jeweils in Ansehung eines der beiden tragenden Rechtsgründe als unterlegen anzusehen sind, ist die Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 erster Fall ZPO für das erstinstanzliche Verfahren ab der Einschränkung auf die Zuständigkeitsfrage (mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. 1. 2013) und – nach §§ 50, 43 Abs 1 erster Fall ZPO – auch für das Rechtsmittelverfahren sachgerecht (vgl 4 Ob 185/18m ua). Der Kläger hat die Kosten seines an das Revisionsrekursgericht gerichteten Schriftsatzes vom 14. 12. 2018 selbst zu tragen, weil dieser nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (§§ 50, 40 ZPO). Der Fortsetzungsantrag war nicht erforderlich, weil das Revisionsrekursgericht im Unterbrechungsbeschluss vom 24. 5. 2017 (9 Ob 10/17m) ausgesprochen hat, dass das Verfahren nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt wird. Die Gründe für die Bekanntgabe lagen ausschließlich in der Sphäre des Klägers.
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