European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0090OB00054.12Z.0221.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Die vier Rechtsmittelwerber sind die Kinder eines vorverstorbenen Sohnes (K*****) der am ***** 2011 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte zwei weitere Söhne und zwei weitere Töchter. Ihr Sohn E***** erklärte bereits im April 1985 zu gerichtlichem Protokoll seinen Erb‑ und Pflichtteilsverzicht. Mit der Tochter I***** schloss sie 1989 einen Erbverzichtsvertrag, der ebenfalls einen ausdrücklichen Verzicht auf die Erb‑ und Pflichtteilsansprüche enthielt. Die Tochter G***** erklärte ebenfalls im Jahr 1989 den Verzicht auf Pflichtteilsansprüche.
Im August 2005 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges handschriftliches Testament, in dem sie ihre Töchter I***** und G***** und ihren Sohn H***** zu gleichen Teilen als Testamentserben einsetzte. Auf den Verzicht des Sohnes E***** wurde verwiesen. Den Vater der vier Rechtsmittelwerber K***** enterbte die Erblasserin wegen groben Undanks bzw hielt fest, dass dann, wenn dies rechtlich nicht möglich sein sollte, ihr Sohn K***** auf den Pflichtteil gesetzt werde.
Im Verlassenschaftsverfahren beantragten die Rechtsmittelwerber im August 2011 Erhebungen hinsichtlich des Pensionskontos sowie der Schließfächer und allfälligen Schmucks und Möbel. Ferner beantragten sie die Errichtung eines Inventars. Der Gerichtskommissär öffnete dann im September ein Sparbuchschließfach und ein Safefach der Erblasserin, die keinen Inhalt hatten und deren Schlüssel im Postweg von der Tochter G***** übermittelt wurden. Der Gerichtskommissär übermittelte den Rechtsmittelwerbern eine Aufstellung der Kontobewegungen von Anfang Jänner 2011 bis 31. 5. 2011 und das Protokoll über die Öffnung des Sparbuchschließfachs und des Safes. Auch teilte er seinen Wissensstand hinsichtlich Schmuck und persönlicher Fahrnisse und Möbel mit. Ein Schätzprotokoll eines Sachverständigen wurde errichtet.
Am 14. 10. 2011 gaben die drei Testamentserben zu je einem Drittel eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Bei der durchgeführten Gläubigertagsatzung erschien niemand. Der Gerichtskommissär stellte nach Inventarerrichtung noch verschiedene Ermittlungen über die Konten und Schmuckstücke der Erblasserin an. Das Inventar wurde den Rechtsmittelwerbern am 24. 1. 2012 zugestellt und die Verlassenschaftsabhandlung am 3. 2. 2012 vom Gerichtskommissär beendet und die pflichtteilsberechtigten Rekurswerber auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Ein Pflichtteilsübereinkommen ist nicht zustandegekommen.
Das Erstgericht antwortete mit seinem Beschluss vom 24. 4. 2012 die drei im Testament bedachten Kinder der Erblasserin mit der Rechtswohltat des Inventars aufgrund des Testaments zu je einem Drittel ein.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Rechtsmittelwerber nicht Folge. Das Rekursgericht ging zusammengefasst rechtlich davon aus, dass der Erbverzicht keine Erbunfähigkeit bewirke und daher weiter eine letztwillige Verfügung an die Verzichtenden möglich sei. Auch verneinte das Rekursgericht die Mangelhaftigkeit des Abhandlungsverfahrens, weil das Verlassenschaftsgericht keine weit gefassten Erkundungsbeweise durchzuführen habe, um Vermögenswerte, für die bisher keine Anzeichen vorliegen, zu ermitteln. Das Verlassenschaftsverfahren solle auch nicht durch allzu komplizierte Zuordnungsfragen verzögert werden, weshalb Pflichtteilsansprüche im streitigen Rechtsweg durchzusetzen seien. Der Gerichtskommissär habe zwar das hinterlassene Vermögen zu ermitteln, aber nicht alle Vermögen unbeschränkt zurückzuverfolgen. Hier habe es keine Anzeichen für weggekommene Vermögenswerte gegeben. Komplizierte Zuordnungsfragen seien nicht im Verlassenschaftsverfahren zu klären. Letztlich gehe es hier ja um den Einantwortungsbeschluss. Das Recht der Noterben auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses habe nur den Zweck, den Noterben eine Grundlage für die Berechnung seines Pflichtteils zu geben, dürfe aber nicht überspannt werden und im Sinne eines „Erkundungsbeweises“ auf bloß fiktive Pflichtteilsverkürzungen abstellen.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Antrag schließlich mit der Begründung zu, dass die bisher vorliegenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit der letztwilligen Einsetzung von Erben, die auf ihren Erbteil verzichtet haben, für einen vergleichbaren Sachverhalt noch nicht durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionsrekurs ist unzulässig; entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab.
2. Nach ständiger Rechtsprechung hindert der Erbverzicht den Erblasser nicht, den Verzichtenden trotzdem zu bedenken. Der Widerruf des Erbverzichts ist auch formlos möglich. Der Erbverzicht berührt nur das Anwartschaftsrecht des Erben auf die Erbschaft, nicht aber seine Erbfähigkeit, weshalb er selbst aufgrund einer vor Widerruf des Erbverzichts errichteten letztwilligen Verfügung erwerben kann (RIS‑Justiz RS0012321 mzwN; in diesem Sinne etwa auch Welser in Rummel ABGB³ § 551 Rz 1,5). Klargestellt wurde auch bereits allgemein, dass derjenige, der auf sein gesetzliches Erbteil und seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch verzichtet hat, danach in einer späteren Verfügung bedacht werden kann (RIS‑Justiz RS0012321). Im Hinblick auf diese bereits vorliegende allgemeine Rechtsprechung, mag sie auch die unmittelbar hier gegebene Konstellation noch nicht erfasst haben, stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Soweit die Rechtsmittelwerber darauf verweisen, dass hier der Verzicht auf die Erb‑ und Pflichtteilsansprüche keinen näheren Hinweis auf das „gesetzliche Erbrecht“ enthalte und daher auch das testamentarische Erbrecht umfasst sei, reicht es schon aus, auf den zeitlichen Ablauf zu verweisen. Es wird im Zweifel nicht davon auszugehen sein, dass eine Erbverzichtserklärung auch ein testamentarisch noch gar nicht eingeräumtes Erbrecht umfassen soll (vgl allgemein zur einschränkenden Auslegung von Verzichtserklärungen etwa RIS‑Justiz RS0038546 aber auch RIS‑Justiz RS0012332).
Insgesamt vermag der Revisionsrekurs also insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
3. Zum geltend gemachten Mangel hinsichtlich der behauptetermaßen unzureichenden Erhebungen des Gerichtskommissärs ist vorweg schon darauf zu verweisen, dass auch im Außerstreitverfahren grundsätzlich ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr im Revisionsrekurs geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0050037 mwN). Einen Antrag an das Gericht, dem Gerichtskommissär nach § 7a des Gerichtskommissärsgesetzes einen entsprechenden Auftrag zu erteilen (vgl dazu 4 Ob 112/12t), haben die Rechtsmittelwerber nicht gestellt. Im Übrigen wurde auch insoweit durch die Rechtsprechung bereits klargestellt, dass zwar dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bestimmte Sparanlagen in den Nachlass fallen, das Abhandlungsgericht Auskünfte auch von Banken einzuholen hat und dies auch der Klärung der Nachlasszugehörigkeit dienen kann (RIS‑Justiz RS0013540; RIS‑Justiz RS0006367) und dass die Pflichtteilsberechtigten eine rückwirkende Kontoöffnung grundsätzlich beantragen können (RIS‑Justiz RS0121988). Dies setzt aber nach der Aktenlage deutliche Hinweise voraus, dass dadurch konkrete Aufschlüsse über das Vermögen des Erblassers zutage kommen. Die Suche nach Vermögenswerten, für deren Existenz es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, fällt nicht unter die Aufgaben des Gerichtskommissärs im Verlassenschaftsverfahren (RIS‑Justiz RS0006031 mwN). Letztlich hängt die Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls ab (4 Ob 112/12t ua).
4. Insgesamt zeigt der Revisionsrekurs jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 AußStrG auf und war daher zurückzuweisen.
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