European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00050.24D.0919.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 502,12 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 22. 5. 2020 von einem Fahrzeughändler einen gebrauchten Mercedes Benz E 220 CDI Cabrio, Baujahr 2014, zu einem Kaufpreis von 18.000 EUR. Im Dieselmotor des Typs OM 651 der Abgasklasse Euro 5 ist unstrittig eine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) 715/2007 verbaut. Die Beklagte installierte am 7. 5. 2019 ein vom deutschen Kraftfahrt‑Bundesamt (KBA) freigegebenes Software‑Update am Fahrzeug, sodass das Thermofenster nunmehr in einem Temperaturbereich von unter 0 Grad Celsius sowie über 40 Grad Celsius aktiviert ist, wobei sich daraus keine sofortige Deaktivierung der Abgasrückführung (AGR) ergibt, sondern diese schleichend zurückgefahren wird. Das Fahrzeug verfügt über eine aufrechte Zulassung und eine aufrechte EG‑Typengenehmigung. Es ist aktuell von keinem Rückruf durch das deutsche KBA betroffen.
[2] Das Fahrzeug hatte für den Fall, dass darin zwar eine unerlaubte Abschalteinrichtung verbaut ist, aber kein Entzug der Betriebsgenehmigung droht, zum Zeitpunkt der Herstellung einen Marktwert, der 10 % bis 30 % unter dem Kaufpreis lag. Bei drohender Typengenehmigungsentziehung aufgrund einer ungültigen Abschalteinrichtung hatte das Fahrzeug keinen Marktwert. Der aktuelle Marktwert liegt über dem damaligen Einkaufspreis.
[3] Der Kläger begehrte 5.400 EUR sA an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Kauf des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors. Der Schaden bestehe in einem objektiv-abstrakt zu berechnenden Minderwert, weil das Fahrzeug zum Ankaufszeitpunkt um 30 % weniger an Wert aufgewiesen habe.
[4] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung.
[5] Das Berufungsgericht änderte das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts über Berufung der Beklagten dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 900 EUR sA an den Kläger verpflichtete. Das darüber hinausgehende Zahlungs- und das Feststellungsbegehren wies es ab. Es bejahte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und erachtete das Vorbringen der Beklagten zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum für unzureichend. Den Schaden setzte es nach § 273 ZPO mit 5 % des Kaufpreises an. Habe das Fahrzeug den Erwartungen des Klägers – der es nach den Feststellungen bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht erworben hätte – nicht entsprochen, verlange es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, einen objektiv-abstrakt zu berechnenden Schadenersatz zuzusprechen, der sich im Ausmaß von 5 % bis 15 % des Kaufpreises zu bewegen habe. Dass der Wert des Fahrzeugs auch nach Kenntnis der Öffentlichkeit zum gleichen Preis gehandelt werde, habe lediglich dazu zu führen, dass der Schadenersatz im unteren Bereich der Bandbreite festzusetzen sei.
[6] Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob eine allgemeine Berufung der Beklagten auf eine vertretbare Rechtsansicht als Vorbringen ausreiche.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die von der Beklagten beantwortete Revision, mit der der Kläger einen weiteren Zuspruch von 4.500 EUR anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1.1. Der Revisionswerber erachtet die in der Zulassungsbegründung genannte Rechtsfrage als vom Berufungsgericht zutreffend gelöst. Er erblickt eine erhebliche Rechtsfrage aber darin, dass das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung insofern abgewichen sei, als der Käufer bei exakter Feststellung der Wertminderung den Ersatz derselben verlangen könne (8 Ob 109/23x Rz 22 ua; RS0134498 [T6]).
[9] 1.2. Die Revision geht dabei jedoch zu Unrecht davon aus, dass das Erstgericht die Wertminderung zum Ankaufszeitpunkt exakt mit 30 % festgestellt hätte. Vielmehr handelt es sich bei den zitierten Ausführungen des Erstgerichts um rechtliche Beurteilung, nämlich um die Ausmittlung des Entschädigungsbetrags nach § 273 ZPO, dies basierend auf der Sachverhaltsfeststellung, wonach die Wertminderung im Herstellungszeitpunkt 10 % bis 30 % unter dem Kaufpreis lag. Da sich die vom Erstgericht getroffene Feststellung auf den Herstellungs- und nicht auf den Kaufzeitpunkt bezieht, liegt auch keine Feststellung einer Mindest-Wertminderung zum Kaufzeitpunkt vor.
[10] 1.3. Da die Rechtsrüge demnach nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312 [T14]).
[11] 2. Im Übrigen zeigt die Revision nicht auf, weshalb das Berufungsgericht bei der Ausmittlung des Ersatzbetrags nach § 273 ZPO den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte. Eine erhebliche Rechtsfrage ist auch insofern zu verneinen (RS0007104 [T4]).
[12] Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Zuschlag nach TP 3 Anm 5 RATG zu den Kosten der Revisionsbeantwortung gebührt nur bei einer eingehend rechtlich begründeten und notwendigen Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung (3 Ob 89/17k mwH; Obermaier, Kostenhandbuch4 Rz 1.462 mwH) und war daher nicht zuzusprechen.
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