Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt als Eigentümerin des Hauses *****, vom Beklagten die Räumung der im ersten Stock dieses Hauses gelegenen Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, einer Kammer, Küche, Bad, Klosett, Besenkammer, Vorzimmer und drei Kellerräumen. Die Mutter des Beklagten sei Mieterin der Wohnung gewesen und am 23. 10. 2003 verstorben. Der Beklagte habe nicht mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt. Vielmehr habe der Bruder des Beklagten nach dem Ableben seiner Mutter der Klägerin mitgeteilt, dass er nicht in der Lage sei, die Wohnung bis Ende Oktober zu räumen, weshalb einvernehmlich die Räumungsfrist bis 31. 12. 2003 verlängert worden sei. Am 9. 12. 2003 habe der Bruder des Beklagten in dessen Gegenwart die Vertreter der Klägerin um eine Verlängerung der Räumungsfrist bis 31. 3. 2004 ersucht, diese Verlängerung sei bewilligt worden. Anlässlich dieses Gespräches sei von beiden Brüdern auch der Verkauf der relativ neu installierten Küche in der Wohnung angeboten worden, doch habe die Klägerin dies abgelehnt. Ebenfalls sei eine vom Beklagten telefonisch begehrte Reduktion des Benützungsentgeltes abgelehnt worden. Erstmalig mit Schreiben vom 22. 12. 2003 habe der Beklagte ein Eintrittsrecht nach § 14 Abs 2, 3 MRG behauptet. Abgesehen vom Fehlen eines gemeinsamen Haushalts mit der verstorbenen Mieterin bestehe auch kein dringendes Wohnbedürfnis des Klägers, weil dieser Hälfteeigentümer eines Einfamilienhauses sei, wo er nach wie vor mit seiner Lebensgefährtin wohnen könne.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und führte aus, dass er am 24. 9. 2003 zu seiner Mutter gezogen sei, damit diese, welche insbesondere an psychischen Problemen gelitten habe, nicht allein wohnen müsse. Er habe dies in der Absicht getan, fortdauernd dort wohnen zu bleiben und habe auch einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter geführt. Der am 23. 10. 2003 eingetretene Tod seiner Mutter sei überraschend gekommen. Schon vor dem Einzug in die Wohnung habe er sich endgültig von seiner Lebensgefährtin getrennt und mit dieser vereinbart, dass das im gemeinsamen Eigentum stehende Einfamilienhaus später verkauft werden sollte. Eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten, der Beklagte könne daher nicht wieder in das Einfamilienhaus zurück.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Durch den Tod ihres Gatten verfiel die Mutter des Beklagten rapid und litt seither unter physischen und psychischen Problemen und war vor allem wegen der psychischen Beeinträchtigung betreuungsbedürftig. Rein physisch wäre sie bis zu ihrem Tod in der Lage gewesen, ihren Haushalt alleine zu versorgen. Der Beklagte kümmerte sich um seine Mutter und begleitete sie seit Mai 2003 zu diversen Arztbesuchen. Wegen einer Verschlechterung des depressiven Erschöpfungszustandes begab sich die Mutter des Beklagten vom 18. 8. 2003 bis 5. 9. 2003 und vom 17. 9. 2003 bis 24. 9. 2003 in klinische Behandlung. Bis zum letztgenannten Zeitpunkt bestand kein gemeinsamer Haushalt, der Beklagte betreute seine Mutter nur zeitweise. Mit der Heimkehr der Mutter des Beklagten in die Wohnung fiel der Umstand zusammen, dass sich der Beklagte endgültig von seiner Lebensgefährtin, mit der er drei gemeinsame Kinder hat, trennte. Die Lebensgefährten beschlossen, das Einfamilienhaus in K***** zu verkaufen, wenn die drei gemeinsamen Kinder die Schule beendet haben. Eine Tochter bezog sogleich nach dem Auszug des Beklagten das bis dahin von diesem allein benützte Zimmer im Einfamilienhaus. Nach dem Auszug aus dem gemeinsamen Haus bewohnte der Beklagte sein früheres Kinderzimmer in der verfahrensgegenständlichen Wohnung und führte ab 24. 9. 2003 einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, in dem die Bedürfnisse des täglichen Lebens abgedeckt wurden. Der Beklagte erledigte für sich und seine Mutter die Einkäufe, das Kochen und die sonstigen Besorgungen und begleitete seine Mutter bei den Arztbesuchen. Dieser Zustand hielt jedenfalls bis zum überraschenden Tod der Mutter des Beklagten am 23. 10. 2003 an.
Nach dem Tod der gemeinsamen Mutter kümmerte sich der Bruder des Beklagten um die Verwertung bzw das Verbringen des Hausrats seiner Mutter und teilte daher der Klägerin mit, dass er die Wohnung nicht bis Ende Oktober 2003 geräumt haben werde. Die Klägerin teilte dem Bruder des Beklagten schriftlich mit, dass sie gegen Bezahlung eines monatlichen Benützungsentgelts von EUR 606 bereit sei, die Räumungsfrist bis 31. 12. 2003 zu verlängern. Die Klägerin wies darauf hin, dass aus dieser Vereinbarung keine Rechte auf eine Verlängerung des Mietverhältnisses abgeleitet werden könnten. Anfang November 2003 erhielt der Beklagte durch seinen Bruder Kenntnis von dieser Räumungsfrist, er wusste zu diesem Zeitpunkt und auch noch am 9. 12. 2003 noch nichts von einem gesetzlichen Eintrittsrecht. Zum letztgenannten Termin kam es in der Wohnung zu einem Gespräch zwischen Vertretern der Klägerin, dem Beklagten und dessen Bruder. Zu diesem Zeitpunkt gingen noch alle Gesprächsteilnehmer von einer Räumungsverpflichtung aus. Der Beklagte deponierte, dass er die Wohnung selbst noch benötigte, von den Vertretern der Klägerin wurde der Standpunkt geäußert, dass das Bestandverhältnis nach dem Tod der Mutter des Beklagten am 30. 10. 2003 geendet habe. Da am 9. 12. 2003 die Möbel noch nicht verkauft waren, bat der Bruder des Beklagten um eine weitere Verlängerung der Räumungsfrist und ersuchte überdies um eine Reduktion des Benützungsentgelts um 50 %. Tatsächlich benützte aber der Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch die Wohnung zu Wohnzwecken, was auch für die nächste Zeit noch zu erwarten stand. Bei dem Gespräch vom 9. 12. 2003 boten der Beklagte und sein Bruder den Vertretern der Klägerin den Ankauf der erst relativ kurz zuvor eingerichteten Küche an, seitens der Klägerin bestand daran aber kein Interesse.
Noch mit Schreiben vom selben Tag wurde eine Verlängerung der Räumungsfrist bis 31. 3. 2004 bei gleichbleibender Höhe des Benützungsentgelts gewährt. Einem Vertreter der Klägerin teilte der Bruder des Beklagten mit, dass er selbst kein Interesse an der Übernahme der Wohnung habe und der Beklagte „schon seit Jahren nicht mehr" in der Wohnung wohne. Im Zuge einer Rechtsberatung eröffnete sich dem Beklagten die Sicht, dass er gemäß § 14 Abs 2, 3 MRG in den Mietvertrag seiner Mutter eingetreten sei. Mit Schreiben vom 22. 12. 2003 teilte er diesen seinen Standpunkt erstmals der Klägerin mit. Darauf reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 20. 2. 2004, in welchem sie ausführte, dass nach ihren Erhebungsergebnissen weder ein dringendes Wohnbedürfnis des Beklagten bestehe noch dieser mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, sodass keine Eintrittsberechtigung bestehe. Die vom Beklagten als Entgelt an die Klägerin überwiesenen monatlichen Beträge wurden bis Jänner 2004 als „Benützungsentgelt" bzw „Entgelt", ab Februar 2004 als „Miete" bezeichnet. Wenngleich der Beklagte zwischenzeitig sowohl seinem Bruder als auch einer weiteren Person die Möglichkeit einräumte, vorübergehend Fahrnisse in der Wohnung einzustellen, benützte er diese doch weiterhin zu Wohnzwecken.
Rechtlich schloss das Erstgericht daraus, dass der Beklagte gemäß § 14 Abs 2 und 3 MRG in den Mietvertrag eingetreten sei. Neben der gemeinsamen Haushaltsführung mit der später verstorbenen Mieterin liege auch ein dringendes Wohnbedürfnis des Beklagten vor, der nach Auflösung der Lebensgemeinschaft nicht mehr in das von ihm früher bewohnte Haus zurück könne. Das bloße Miteigentum gebe ihm dazu nicht das Recht.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Räumungsbegehren stattgab. Ohne auf die von der Klägerin in ihrer Berufung erhobenen Mängel- und Tatsachenrügen einzugehen, überprüfte es die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und gelangte zum Schluss, dass es dem Beklagten möglich und zumutbar sei, von seinem Recht als Hälfteeigentümer eines Einfamilienhauses Gebrauch zu machen und wieder dorthin zurückzuziehen. Insbesondere habe im maßgeblichen Zeitpunkt des Todes der Mutter des Beklagten noch kein konkreter Plan, das Haus in absehbarer Zeit zu verkaufen bestanden, sodass diese völlig vage Absicht der Möglichkeit des Beklagten, sein Wohnbedürfnis im eigenen Haus zu befriedigen, nicht entgegenstehe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und im Rahmen des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Beklagte zeigt nämlich in seiner Revision eine dem Berufungsgericht unterlaufene relevante Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf:
Die Klägerin führte in der Rechtsrüge ihrer Berufung nur aus, dass „die Vereinbarung einer Räumungsfrist, insbesondere zum Zwecke der Räumung der Wohnung, jedenfalls als Mitteilung iSd § 14 Abs 2 MRG zu werten sei, sodass dem Klagebegehren jedenfalls stattzugeben gewesen wäre". Nach gesicherter Rechtsprechung gilt der Grundsatz, dass bei der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die materiellrechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0043352), dann nicht, wenn der Klageanspruch auf mehrere selbstständige rechtserzeugende oder rechtsvernichtende Tatsachen gestützt wird und sich die Rechtsausführungen der Berufung nur auf einzelne dieser Tatsachen beziehen (8 ObA 23/04x = RIS-Justiz RS0043352 [T 31]). Das Berufungsgericht hätte sich daher auf den einzig aufrecht erhaltenen rechtsvernichtenden Einwand einer Erklärung nach § 14 Abs 2 MRG zu beschränken gehabt und hätte nicht von Amts wegen das von der Klägerin in der Berufung gar nicht mehr ins Treffen geführte Fehlen eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten aufgreifen dürfen.
Schon jetzt steht fest, dass die von der Klägerin in der Berufung erhobene Rechtsrüge nicht zielführend sein kann: Es wurde nämlich weder behauptet noch ist hervorgekommen, dass der Bruder des Beklagten von letzterem bevollmächtigt war, auch in dessen Namen Erklärungen abzugeben. Die erste Erklärung des Beklagten hinsichtlich einer Räumungsfristverlängerung erfolgte nach den Feststellungen aber erst am 9. 12. 2003, somit lange außerhalb der 14-Tage-Frist des § 14 Abs 2 MRG. Wie immer man jetzt den Erklärungswert dieser Äußerung beurteilen will, so war sie jedenfalls nicht mehr geeignet, einen Eintritt iSd § 14 Abs 2 MRG zu hindern (RIS-Justiz RS0069694). Da das Berufungsgericht aber, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, die Tatsachen- und Mängelrüge der Berufung der Klägerin nicht behandelt hat, ist das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben. Da für die Beurteilung eines dringenden Wohnbedürfnisses und eines gemeinsamen Haushalts die Lage im Zeitpunkt des Todes des Mieters maßgeblich ist (9 Ob 42/03x ua), ist eine nach Wirksamwerden der Sonderrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0069664; RS0069726) eintretende Nichtbenützung der Wohnung und damit ein allfälliger Wegfall des dringenden Wohnbedürfnisses des in das Mietverhältnis bereits eingetretenen Angehörigen für die Beurteilung der Voraussetzungen nach § 14 Abs 2, 3 MRG nicht mehr relevant, sondern könnte allenfalls zu einer auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützten Aufkündigung führen (EvBl 1989/115 = WoBl 1989, 99; RIS-Justiz RS0069970). Dies wird vom Berufungsgericht bei Behandlung der Tatsachen- und Beweisrügen zu beachten sein.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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