OGH 9Ob36/24w

OGH9Ob36/24w19.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P*, 2. H*, 3. P*, 4. Mag. I*, 5. M*, 6. A*, 7. J*, 8. C*, 9. H*, 10. Mag. N*, 11. M*, 12. S*, 13. S*, 14. M*, 15. M*, 16. I*, 17. A*, 18. G*, 19. J*, 20. S*, und 21. Dr. B*, alle vertreten durch Mag. Daniel Schöpf ua, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei P*‑Gesellschaft mbH, *, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 1.) Parifizierung und Grundbuchsberichtigung (Streitwert 10.000 EUR) und 2.) Leistung 9.663,03 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2024, GZ 3 R 5/24m‑38, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. März 2024, GZ 3 R 5/24m‑40, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00036.24W.0919.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte errichtete auf der klagsgegenständlichen Liegenschaft eine Wohnanlage mit vier Wohnhäusern samt Pkw‑Abstellplätzen, die sie jeweils den Klägern bzw deren Rechtsvorgängern (und anderen am Verfahren nicht als Kläger auftretenden Personen) verkaufte. In den Kaufverträgen war festgehalten, dass die Nutzwerte noch nicht festgesetzt sind und das Nutzwertgutachten zur Wohnungseigentumsbegründung im Grundbuch erst von einem befugten Bausachverständigen auszuarbeiten ist.

[2] Die Parifizierung erfolgte schließlich auf der Grundlage eines am 2. 11. 1999 erstellten Nutzwertgutachtens, dem ein Lageplan vom 26. 11. 1998 zugrunde lag. Nach Vorliegen des Nutzwertgutachtens wurden entsprechende Nachträge zum Kaufvertrag und Wohnungseigentumsverträge errichtet und die Verbücherung im Grundbuch vorgenommen.

[3] Im September 2000 wurde ein weiterer – davon abweichender – Lageplan erstellt. Dieser weicht vom Lageplan aus dem November 1998 hinsichlich des Ausmaßes der Gartenfläche in der Natur und der Situierung der Parkflächen sowie der Zugangswege ab, entspricht aber den Ausführungen in der Natur und ist somit richtig.

[4] Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Beklagte schuldig zu erkennen, die Neuparifizierung der Liegenschaft EZ *, KG *, BG *, gemäß § 9 Abs 6 WEG 2002 basierend auf dem Nutzwertgutachten der O* Hausverwaltung GmbH vom 2. 10. 2023 (Beilage ./Y) auf ihre Kosten herbeizuführen und den Grundbuchsstand entsprechend der Neufestsetzung der Nutzwerte zu berichtigen sowie ihnen einen Betrag von 9.663,03 EUR samt 4 % Zinsen seit 4. 5. 2022 an bereits aufgelaufenen Kosten (4.795,19 EUR für den Lageplan des DI K* vom 13. 4. 2021 und 4.867,84 EUR an Rechtsanwaltskosten) zu bezahlen. In eventu stellten die Kläger zwei Eventualbegehren, gerichtet auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche bzw anteilige den Klägern aus der Neuparifizierung der Liegenschaft und der Berichtigung des Grundbuchsstandes entstehenden Kosten (soweit solche Kosten nicht ohnehin bereits durch das erhobene Leistungsbegehren geltend gemacht worden sind). Die Kläger stützen ihre Hauptbegehren auf Gewährleistung, Schadenersatz und Zuhaltung des Vertrags mit der Begründung, die Beklagte habe ihnen nicht die im Kaufvertrag zugesagte Rechtsposition verschafft. Die Behebung dieses Rechtsmangels könne nur durch Neuparifizierung und neuerliche Wohnungseigentumsbegründung erfolgen. Es sei ein neues Nutzwertgutachten (vom 2. 10. 2023) eingeholt worden, dem sich sämtliche Wohnungseigentümer notariell beglaubigt unterwerfen würden. Dann könne eine Berichtigung der Nutzwerte beantragt werden. Sämtliche Wohnungseigentümer hätten bereits schriftlich der Umsetzung der Neuparifizierung zugestimmt.

[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ua ein, dass das Klagebegehren untauglich bzw unschlüssig sei. Eine Um- bzw Neuparifizierung könnten nur die Wohnungseigentümer (und zwar alle gemeinsam) vornehmen. Die Voraussetzungen für die Feststellungsbegehren lägen nicht vor.

[6] Das Erstgerichtgab den Hauptbegehren statt.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Das erste, auf die Verpflichtung zur Neuparifizierung und Berichtigung des Grundbuchsstandes gerichtete Hauptbegehren sowie die Eventualbegehren wies es mit Teilurteil ab. Die Entscheidung über das zweite Hauptbegehren (Leistungsbegehren) hob es auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[8] Das erste Hauptbegehren sei schon deshalb abzuweisen, weil es für die von den Klägern bzw sämtlichen Wohnungseigentümern der Liegenschaft beabsichtigte Nutzwertneufestsetzung lediglich der (bereits erfolgten) Einholung eines neuen Nutzwertgutachtens samt schriftlicher Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer zu den Ergebnissen dieses Gutachtens und einer entsprechenden Antragstellung der (betroffenen) Wohnungseigentümer bedürfe (§ 10 Abs 3 iVm § 9 Abs 6 WEG 2002). Die Beklagte sei hingegen rechtlich nicht in der Lage, die Neuparifizierung (auf ihre Kosten) herbeizuführen. Die Antragstellung beim Grundbuchsgericht könne mangels Antragslegitimation nicht durch die Beklagte erfolgen. Die Berichtigung des Grundbuchsstandes erfolge durch das Grundbuchsgericht. Zwecks Herbeiführung einer solchen Berichtigung sei ebenfalls ein Antrag der (betroffenen) Wohnungseigentümer notwendig. Die Eventualbegehren seien mangels rechtlichen Interesses an der Feststellung bereits entstandener Ersatzansprüche der Kläger nicht berechtigt. Das Leistungsbegehren sei nicht spruchreif, weil Feststellungen zur behaupteten Zession und zu den Anteilen der Kläger (jeder Miteigentümer könne nur seinen Anteil geltend machen) fehlten.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Die in der außerordentlichen Revision geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit wurde vom Senat geprüft; diese Revisionsgründe liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[11] 2. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440). Die Frage, ob die Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nach der Aktenlage zwingend ist, hat nicht die Bedeutung einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfrage (RS0037440 [T6]).

[12] 3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei rechtlich nicht in der Lage, die von ihnen mit dem Klagehauptbegehren geforderte Neuparifizierung der ihr nicht (mehr) gehörigen Liegenschaft herbeizuführen und den Grundbuchsstand zu berichtigen, ist zutreffend. Obwohl die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren auch auf diesen Aspekt ihre Einwendungen gegen das Klagebegehren gründete, sahen sich die Kläger nicht veranlasst, ihr erstes Klagehauptbegehren anders zu formulieren. Soweit die Kläger in ihrer außerordentlichen Revision nun darauf abstellen, dass das Hauptbegehren unzweifelhaft dahin zu verstehen sei, „als die Beklagte dazu verpflichtet werden sollte, die Neuparifizierung der Liegenschaft unter Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer herbeizuführen und den Grundbuchsstand entsprechend zu berichtigen“, zeigt sie keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.

[13] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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