OGH 9Ob29/16d

OGH9Ob29/16d25.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei J***** C*****, vertreten durch MMag. Gregor Winkelmayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. S***** P*****, und 2. E***** R*****, beide vertreten durch Dr. Michael Buresch und Mag. Dr. Ilse Korenjak, Rechtsanwälte in Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. A***** K*****, vertreten durch Dr. Astrid Hinterberger, Rechtsanwältin in Wien, und 2. R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.192,94 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2016, GZ 38 R 246/15f‑91, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 20. April 2015, GZ 6 C 470/10f‑82, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00029.16D.0525.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage 22.192,94 EUR sA an Ersatz für erlittene Schäden und frustrierte Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung eines mit den Beklagten als Vermieter abgeschlossenen Mietvertrags entstanden seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen das Berufungsurteil erhob die Klägerin eine „außerordentliche“ Revision an den Obersten Gerichtshof, mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts abändern. Es liege eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Die gegenständliche Streitigkeit unterfalle der Ausnahmeregelung des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO iVm § 49 Abs 2 Z 5 JN. Das Rechtsmittel wurde vom Erstgericht dem Obersten Gerichtshof als „außerordentliche“ Revision unmittelbar vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Eine außerordentliche Revision ist im vorliegenden Fall aber unzulässig:

Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten die Absätze 2 und 3 nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fallen jedoch Streitigkeiten, bei denen über diese Fragen nur im Rahmen der Vorfragenbeurteilung und nicht als Hauptfrage zu entscheiden ist, nicht unter diesen Ausnahmetatbestand (RIS‑Justiz RS0042950, RS0043006). Der wesentliche Zweck der Ausnahmeregelung besteht darin, Entscheidungen in Fällen, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht, unabhängig von der Bewertungsfrage bekämpfbar zu machen (RIS‑Justiz RS0120190).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Berechtigung der vorzeitigen Auflösung des Mietvertrags ist lediglich Vorfrage für das hier allein gestellte Zahlungsbegehren.

Die Zulässigkeit der Revision richtet sich daher nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand an Geld zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht – nicht an den Obersten Gerichtshof, wie im Rechtsmittel geltend gemacht – stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel verfehlt als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS‑Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel der Klägerin dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS–Justiz RS0109623 [T5]).

Der Akt ist daher ohne jede weitere inhaltliche Prüfung dem Erstgericht zurückzustellen.

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