OGH 9Ob2169/96b

OGH9Ob2169/96b30.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D***** & Co GmbH, ***** vertreten durch Dr.Werner Masser ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 300.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20.Mai 1996, GZ 13 R 93/96h-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24.Mai 1995, GZ 20 Cg 123/93t-62, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich des Zuspruches von S 44.880,- sA als unangefochten unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 211.141,40 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 27.654,40 Umsatzsteuer und S 45.215,- Barauslagen) sowie die Kosten der Berufungsverfahren von S 26.454,- (darin enthalten S 4.402,20 Umsatzsteuer und S 42,- Barauslagen) und die Kosten des Revisionsverfahrens von S 26.975,- (darin enthalten S 2.287,50 Umsatzsteuer und S 13.250,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte ursprünglich S 469.154 sA mit der Begründung, die Beklagte sei anläßlich der gerichtlichen Räumung der Wohnung der Klägerin am 2.8.1989 als Verwahrer der fortgeschafften Gegenstände tätig geworden. Aufgrund unsachgemäßer Verwahrung seien Gegenstände, die sich vor der Räumung in der Wohnung befanden, nicht mehr der Klägerin ausgefolgt worden. Auch seien Sachen durch die unsachgemäße Vorgangsweise der Beklagten beschädigt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die Gegenstände so ausgefolgt, wie sie sie übernommen habe. Allfällige Schäden seien nicht in ihrem Verantwortungsbereich entstanden, sondern im Rahmen der Hoheitsverwaltung beim gerichtlichen Räumungsvollzug. Im übrigen habe die Klägerin die Einlagerungsbedingungen durch Unterfertigung des Lagerscheines zur Kenntnis genommen. Daraus sei eine betragsmäßige Beschränkung der Haftung mit dem Lagergeld für 12 Monate gegeben. Nach § 4a Abs 3 der Bedingungen sei der Spediteur von der Haftung für jeden durch den Möbel-SVS gedeckten Schaden frei.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren mit S 300.000 sA statt und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte den abweisenden Teil der Entscheidung, hob hinsichtlich des Zuspruches von S 300.000 das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit S 300.000 sA statt.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei dem am 2.8.1989 angesetzten Delogierungstermin waren der Gerichtsvollzieher, der Vertreter der betreibenden Partei, ein Schlosser, ein Tischler, zwei Zeugen und die Arbeiter der Beklagten anwesend. Die nicht verpackbaren Fahrnisse wie Möbel, Geräte etc wurden auf dem Verzeichnis des dem Spediteur übergebenen Delogierungsgutes vermerkt. Bei den Kästen wurden Türen und Laden zugeklebt und die Kästen mit dem Tragband von Arbeitern der Beklagten zum LKW hinunterbefördert. Die größeren Möbel wurden dann mit Decken abgedeckt und nur diese größeren Stücke angebunden. Die kleineren Gegenstände wurden in Kartons verpackt, die fortlaufende Zahlen von 1 bis 60 erhielten. Sie wurden an der Oberseite überkreuzt verklebt und vom Gerichtsvollzieher mit einer großen Paraphe über Klebestreifen versiegelt. Die Kartons wurden lose hingestellt und nach Beladung des LKW quer abgegurtet, so daß nichts durcheinanderfallen konnte. Der Inhalt der Kartons wurde nicht im einzelnen verzeichnet. Eine solche Verzeichnung ist nicht üblich. Das Einpacken der Gegenstände erfolgte unter Aufsicht und Weisung des Gerichtsvollziehers, wobei die Speditionsarbeiter allein aufgrund ihrer Routine entschieden, ob Sachen einzeln zu verpacken waren oder nicht. Von der Beklagten wurden Kartons mitgebracht, jedoch kein anderes Verpackungsmaterial, wie etwa Papier zum Einpacken zerbrechlicher Gegenstände. Es wurden nicht nur neue, sondern auch teilweise sehr stark gebrauchte Kartons verwendet. Geschirr wurde in unsorgfältiger Weise in den Kartons verstaut, nur teilweise waren zerbrechliche Gegenstände notdürftig in Textilien oder Kleidungsstücke eingewickelt. Es kommt bereits beim Einpacken in die Kartons vor, daß aufgrund der Schnelligkeit der Aktion Sachen beschädigt werden. Lebensmittel, brennbare Materialien, Flüssigkeiten und alkoholische Getränke werden grundsätzlich nicht mitgenommen. Parfums, Haarspray und feste Kosmetika werden mitgenommen. Es besteht wenig Zeit, die Sachen auseinander zu sortieren. Vom Vertreter der betreibenden Partei wurden um S 200 Lebensmittel und Blumenstöcke (etwa der Inhalt von ein bis zwei Kartons) abgelöst. 60 Kartons wurden verrechnet, 55 Kartons wurden eingelagert. Die fünf nicht eingelagerten Kartons wurden auf den Gang des Hauses gestellt. Darin befanden sich die abgelösten Lebensmittel, teilweise auch andere (in der Beilage A verzeichnete) Gegenstände, die der Beklagten zur Verwahrung übergeben worden waren. Bargeld von S 43.000 und Schmuck wurden bei der gegenständlichen Räumung nicht vorgefunden. Trotz Suche des Gerichtsvollziehers nach solchen Gegenständen kann es vorkommen, daß sie in Laden oder Kleidungsstücken übersehen werden. Die im Verzeichnis angeführten Fahrnisse einschließlich der 55 Packkartons wurden ins Lager der Beklagten befördert und in das Lager hineingetragen. Zutritt zum Lager haben der Geschäftsführer der Beklagten, der Lagerleiter, in Fällen vermehrter Ein- und Auslagerungstätigkeit die Sekretärin und die Arbeiter der Beklagten, die die Gegenstände bringen. Auch Privatpersonen, die Sachen abholen, haben Zutritt, wobei es vorkommt, daß gleichzeitig mehrere Privatpersonen im Lager anwesend sind oder gleichzeitig eine Ein- und eine Auslagerung stattfindet. In solchen Fällen unterstützt die Sekretärin den Lagerleiter bei der Aufsicht. Einen Schlüssel für das Lager besitzen der Geschäftsführer, der Lagerleiter und die Sekretärin. Die Kartons lassen sich von der Unterseite öffnen und auch wieder schließen, ohne daß der Karton bei einem späteren Aufheben unten aufgeht. Dies dann, wenn er bis ca 10 bis 15 cm unter dem Rand gefüllt ist. Ist der Karton zu stark gefüllt, kann man ihn nach einem Öffnen an der Unterseite nicht mehr verschließen. Ein Großteil der Kartons wurde von den Arbeitern beim Einpacken nicht mehr als etwa 10 bis 15 cm unter dem Rand angefüllt. Im Lager werden die Kartons aufeinandergestellt, so daß oben stehende schwere Kartons unten stehende zusammen- oder eindrücken, wie dies auch im vorliegenden Fall geschah. Die Folge war, daß Kartons mit Gegenständen der Klägerin verbeult waren. Befinden sich in einem eingedrückten Karton Geschirr oder Gläser, so können sie durch die Last zerbrochen werden. Beschädigtes Geschirr nach Delogierungen ist bei der Beklagten kein Einzelfall. Vor der Auslagerung am 16.11.1989 wurde die Klägerin vom Bezirkspolizeikommisariat in Wien 9 verständigt, daß ein Karton mit einer Visitenkarte ihres Lebensgefährten gefunden worden sei. In diesem Karton befanden sich teils Sachen des Lebensgefährten, teils fremde Gegenstände. Bei der Auslagerung fehlte zunächst einer der 55 Kartons, der schließlich von einem Angestellten der Beklagten nachgebracht wurde, wobei sich jedoch herausstellte, daß dies ein Karton mit nicht der Klägerin bzw ihrem Lebensgefährten gehörigen Sachen war. Bei der Übernahme der Kartons durch die Klägerin waren diese teilweise durchwühlt bzw geöffnet. Die Klägerin war im Dezember 1984 in die nunmehr geräumte Wohnung eingezogen. Der Großteil der Einrichtungsgegenstände ist nach dem Einzug angeschafft worden. Die Möbel waren gebraucht, jedoch mit Ausnahme eines Risses an der Ledersitzgruppe nicht beschädigt. Bei der Auslagerung wiesen die Einrichtungsgegenstände für Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Abstellraum, Badezimmer und Vorzimmer eine Reihe verschiedenartiger Beschädigungen wie Verschrammungen, Flecken durch Klebebänder, Kratzer, angebrochene Stellen, zerbrochene Glasplatten, Verunreinigungen etc auf. Ursache waren unsachgemäßer Transport, unsachgemäße Lagerung durch die Arbeiter der Beklagten, aber auch unsachgemäße Demontage durch Arbeiter der Beklagten und den Tischler. Welche Schäden im einzelnen anteilsmäßig auf die unsachgemäße Demontage, den Transport und die Lagerung zurückzuführen sind, kann nicht festgestellt werden. Gläser, Geschirr und kleinere Gegenstände wiesen bei der Übernahme verschiedenartige Beschädigungen auf, insbesondere waren Teile zerbrochen, verloren oder verunreinigt. Diese Beschädigungen sind teilweise beim Einpacken der Gegenstände erfolgt, teilweise beim Transport infolge ungenügenden Einpackens, teilweise bei der Lagerung durch das Gewicht obenstehender Kartons. Welcher Anteil der Schäden auf die Beschädigung beim Einpacken bzw auf die späteren Phasen entfällt, kann nicht festgestellt werden. Der Gesamtschaden der Klägerin aufgrund der Beschädigungen beträgt S 130.000. Vor der Räumung der Wohnung befand sich ein Teil der in Beilage A und Punkt 1 der Klage aufgelisteten Gegenstände in der Wohnung. Welche Gegenstände dies im einzelnen waren, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß sich alle aufgelisteten Gegenstände vorher in der Wohnung befanden. Ein Teil dieser Gegenstände stand im Eigentum des Lebensgefährten der Klägerin, der seine Ersatzansprüche am 25.11.1989 an die Klägerin abgetreten hat. Jener Teil der in der Wohnung befindlichen Gegenstände, der sich nicht in den fünf auf den Gang gestellten Kartons befand, ist im Lager der Beklagten verlorengegangen. Welche der aufgelisteten Gegenstände im Lager verlorengingen und welche sich in den fünf am Gang abgestellten Kartons befanden, kann nicht festgestellt werden. Der Gesamtwert der aufgelisteten verloren gegangenen Gegenstände beträgt 170.000 S. Der Vertreter der betreibenden Partei beauftragte die Beklagte mit der Räumung der Wohnung, mit dem Transport der Fahrnisse zum Lager und mit der Verwahrung dieser Güter. Der Gerichtsvollzieher stimmte konkludent durch Unterschrift auf der Lagerliste zu, wobei auch stillschweigend die Geltung der Einlagerungsbedingungen für den Möbeltransport vereinbart wurde. Die Fahrnisse waren mit je S 50.000 gegen Feuer und Einbruch versichert.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Beklagte als gemäß § 349 Abs 2 EO bestellter Verwahrer der Klägerin persönlich und unmittelbar für den durch Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge verursachten Schaden hafte. Sie hafte ebenfalls für Schäden, die beim Räumen der Wohnung und beim Transport entstanden seien. Der Auftrag zur Räumung und zum Abtransport sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Die Beklagte hafte daher für Schäden, die durch unsachgemäße Demontage entstanden seien und für das Abhandenkommen von Gegenständen durch Stehenlassen von fünf Kartons auf dem Gang. Es habe sich nicht feststellen lassen, welche Schäden vom Tischler bei Demontage und welche Schäden von den Arbeitern der Beklagten verursacht worden seien. Beide hätten zusammengewirkt, wobei Art und Anzahl der Beschädigungen auf vorsätzliches Handeln schließen ließe. Die Beklagte könne sich nicht entschuldigen, daß die fünf zurückgelassenen Kartons vom Vollstrecker nicht zur Verwahrung übergeben worden seien, weil sich schon aus dem Werkvertrag mit dem Auftrag zur Räumung und zum Abtransport die Verpflichtung zur sorgfältigen Vorgangsweise ergeben habe. Die Arbeiter der Beklagten hätten deshalb in Kenntnis des Inhalts der Kartons den Gerichtsvollzieher auf den Inhalt aufmerksam machen müssen. Hinsichtlich dieses Schadens bestehe Solidarhaftung mit dem Gerichtsvollzieher. Hinsichtlich der bei der Entfernung der Fahrnisse entstandenen Schäden bestehe aber keine Fürsorge- bzw Verwahrungspflicht des Gerichtes. Die unzähligen Beschädigungen der Möbel beim Transport und der Verwahrung ließen Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten erkennen. Da sich die Anteile der Schäden, die auf die Demontierungsphase, auf die Transport- und Lagerungsphase entfallen, nicht bestimmen ließen, hafte die Beklagte gemäß § 1302 ABGB solidarisch für den vollen Schaden an den größeren Fahrnissen. Bezüglich der kleineren Fahrnisse, wie Geschirr etc sei die Beklagte ihrer Sorgfaltspflicht durch ungenügendes Einpacken der zerbrechlichen Gegenstände nicht im ausreichenden Maß nachgekommen. Gleiches gelte für das Aufeinanderschichten von Kartons verschiedenen Gewichts. Durch das sorgfaltswidrige Verwenden mangelhafter Kartons habe die Beklagte die Entfernung verwahrter Gegenstände aus den Kartons erleichtert. Die Sorgfaltspflicht sei auch durch die Ermöglichung des Zutrittes durch Privatpersonen verletzt worden, weil Lagerräume nicht so abgesichert worden seien, daß der Zutritt durch Unberechtigte nur durch Anwendung besonderer Gewalt möglich war. Grundlage des Verwahrungsvertrages seien Einlagerungsbedingungen für den Möbeltransport gewesen. Eine Anwendung der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen komme nicht in Frage, weil dies nach § 2 d Z 2 der genannten Bestimmungen ausgeschlossen sei. Die Haftungsbeschränkung des § 1 der Einlagerungsbedingungen käme nicht zur Anwendung, da grobe Fahrlässigkeit des Lagerhalters vorliege. Die Einlagerungsbedingungen kämen beim Ersatz von ausdrücklich in Verwahrung gegebenen abhanden gekommenen Sachen nicht zur Anwendung. Der Gesamtwert der beschädigten Gegenstände werde mit S 130.000, der der verlorengegangenen mit S 170.000 festgesetzt. Dabei ging das Erstgericht wie im ersten Rechtsgang bei der Ausmessung des Schadens von § 273 ZPO aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin S 44.880 sA zu bezahlen, und das Mehrbegehren von S 255.120 sA abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die gerichtliche Verwahrung im Sinne des § 349 EO der Vollstrecker zu bewirken habe. Die Vereinbarung geschehe zwischen Vollstrecker und Verwahrer unter Heranziehung der ortsüblichen Bedingungen und Sätze. Im vorliegenden Fall seien daher die Einlagerungsbedingungen für den Möbeltransport sowie die Bedingungen des Möbel-, Speditions-, Versicherungsscheines als ortsüblich der Vereinbarung zugrundezulegen. Durch Unterfertigung der Lagerliste durch den Vollstrecker sei davon auszugehen, daß nicht ein Verwahrungsvertrag im Sinne des ABGB ohne weitere Konkretisierung, sondern unter Zugrundelegung der Bedingungen des Lagerscheines abgeschlossen worden sei. Unter Berücksichtigung dieser Einlagerungsbedingungen gelte auch § 1 Abs 2 derselben, wonach die Entschädigung auf den Betrag des Lagergeldes für 12 Monate beschränkt sei, außer es werde Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit dem Lagerhalter oder dessen Angestellten nachgewiesen. Grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor. Die Klägerin sei rechtskräftig zur Räumung verpflichtet gewesen, sei säumig geworden und habe die Durchführung derselben dem Exekutionsgericht überlassen. Bei einer zwangsweisen Räumung könne nicht jener Sorgfaltsmaßstab angelegt werden wie bei einer Auflösung und Übersiedlung des Haushaltes, welche vom Wohnungseigentümer vorbereitet und organisiert werde. Unter Zugrundelegung des bei der zwangsweisen Räumung auftretenden Zeitdruckes im Interesse der Geringhaltung von Räumungskosten sei nicht ein extremer Sorgfaltsmaßstab anzulegen, so daß im vorliegenden Fall wohl Fahrlässigkeit vorliege, die aber nicht als grob zu qualifizieren sei. Die Unterlassung jeglicher Mitwirkung der Verpflichteten bei der Vorbereitung der Räumung sei als Mitverschulden zu werten. Die Beklagte hafte daher beschränkt mit dem Lagergeld für 12 Monate. Die Ausschlußfrist des § 967 ABGB sei wie die Verjährungsfristen der §§ 414, 423 HGB eingehalten worden. Hinsichtlich der zutreffenden Anwendung des § 273 ZPO verwies das Berufungsgericht auf seine Ausführungen im ersten Rechtsgang. Das Berufungsgericht bejahte auch die Voraussetzungen des Vorliegens von alternativer Kausalität im Sinne des § 1302 ABGB. Die Bestimmungen des § 4a Abs 3 lit a der Einlagerungsbedingungen, wonach eine Haftungsbefreiung im Rahmen des Möbel-SVS eintrete, sei mangels Substantiierung nicht wirksam.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Nichtigkeit von Vertragsklauseln nicht berücksichtigte und die Bedeutung der Rechtsfrage infolge der Vielzahl von Einlagerungen im Zuge von gerichtlichen Delogierungen über den Einzelfall hinausgeht.

Die Revision ist auch berechtigt.

Durch die kraft der gesetzlichen Bestimmung des § 349 Abs 2 EO angeordnete Verwahrung von Fahrnissen des Verpflichteten wird zwischen diesem und dem bestellten Verwahrer ein Verwahrungsvertrag begründet, weil Sequestration auch dann vorliegt, wenn eine Sache vom Gericht jemandem zur Verwahrung gegeben wird. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den Grundsätzen des Verwahrungsvertrages beurteilt. Die Verwahrung selbst ist kein hoheitlicher Akt. Sie wird aufgrund eines fingierten Vertragsverhältnisses nach bürgerlichem Recht zwischen Sequester und Verpflichtetem vorgenommen. Das Vollstreckungsorgan, das gemäß § 349 Abs 2 EO die wegzuschaffenden beweglichen Sachen anderweitig in Verwahrung bringt, ist weder Bote noch Vertreter des Verpflichteten (MietSlg 31.813, 36/18 = SZ 57/83; MietSlg 40.074).

Die Einlagerungsbedingungen sind allgemeine Geschäftsbedingungen, die erst durch eine Willenserklärung in den Vertrag einbezogen werden müssen, um wirksam zu werden (3 Ob 537/94 = teilweise veröffentlicht in ecolex 1996, 167). Wenn sich keine Grundlage dafür findet, daß sie vom Willen der Vertragsschließenden umfaßt sind, werden sie nicht Vertragsinhalt (MietSlg 40.074). Da im vorliegenden Fall der Gerichtsvollzieher nach der in der Revision nicht mehr bekämpfbaren Feststellung die Unterschrift auf die Lagerliste gesetzt und zumindest konkludent einen Verwahrungsvertrag geschlossen hat, ist davon auszugehen, daß auch die üblichen Einlagerungsbedingungen damit mitvereinbart wurden, weil die Verwahrung durch einen gewerbsmäßigen Unternehmer die Verwahrung unter den ortsüblichen Bedingungen mitumfaßt.

Die Haftungsbeschränkung des § 1 der Einlagerungsbedingungen mit dem Betrag des Lagergeldes für 12 Monate wie auch mit den Ansprüchen aus einer bestehenden Versicherung kommen allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zum Tragen.

Bei dem hier auf Seite der Klägerin vorliegenden Verbrauchergeschäft unterliegen diese hier maßgeblichen Bestimmungen der Einlagerungsbedingungen der Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen des ersten Hauptstückes des Konsumentenschutzgesetzes, dessen § 6 die Privatautonomie der Unternehmer zugunsten des Verbrauchers einschränkt und einen Klauselkatalog unzulässiger Vertragsbestandteile enthält, die den Verbraucher vor nachteiligen Vertragsbestimmungen schützt, wie sie vom Unternehmer im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern immer wieder verlangt werden. Für den Verbraucher sind unter anderem solche Vertragsbestimmungen im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz eines Schadens für den Fall ausgeschlossen wird, daß er oder eine Person, für die er einzustehen hat, den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat (§ 6 Abs 1 Z 9 KSchG). Diese Bestimmung ist auch auf bloße Beschränkungen der Schadenersatzansprüche anzuwenden (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 129 zu § 6 KSchG). Das Angebot von Versicherungsansprüchen anstelle von Schadenersatzansprüchen stellt eine unzulässige Haftungsbeschränkung dar (Krejci aaO Rz 130; Csoklich, Die allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen im Lichte des Konsumentenschutzgesetzes, 59). Dies gilt jedenfalls für den Fall der groben Fahrlässigkeit und des Vorsatzes, in dem der Verwahrer auch neben der Versicherung nach den gesetzlichen Vorschriften dem Auftraggeber direkt für den vollen Schaden haftet (3 Ob 537/94). Die beklagte Partei hat durch ihre Leute die Räumung, den Transport und die Einlagerung der ihr zur Verwahrung übergebenen Fahrnisse der Klägerin mit Wissen und Willen des Gerichtsvollziehers übernommen, so daß dieser für die Klägerin ein Vertragsverhältnis begründete. In einem solchen Falle gelangt aber § 6 Abs 2 Z 5 KSchG zur Anwendung. Danach ist eine Vertragsbestimmung, sofern der Unternehmer nicht beweist, daß sie im einzelnen ausgehandelt worden ist, im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach der eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz eines Schadens an einer Sache, die er zur Bearbeitung übernommen hat, ausgeschlossen oder beschränkt wird. Entscheidend ist die Übernahme der Sache in die Unternehmersphäre, in seinen Arbeits- und Gefahrenbereich. Auch wenn keine Bearbeitung erfolgt, die Sache aber auf vergleichbare Weise der Gewahrsame des Verbrauchers entzogen und im Herrschaftsbereich des Unternehmers ist, was sowohl für die Räumung, die Verpackung und den Transport wie auch die Lagerung zu gelten hat, muß der Unternehmer erhöhte Sorgfalt prästieren (Krejci aaO Rz 198 zu § 6 KSchG). Gerade diese Situation ist im Geschäftsbereich der Beklagten, soweit sie bei Delogierungen mitwirkt, gegeben. Für ein Aushandeln dieser Bestimmungen fehlt jegliche Behauptung und Feststellung (3 Ob 537/94) oder ein Nachweis der hiefür beweispflichtigen Beklagten (Krejci in Rummel aaO Rz 152 zu § 6 KSchG). Aus der Unterfertigung der Lagerliste oder einer Kenntnis der Einlagerungsbedingungen durch den Vollstrecker kommt es nicht an, weil daraus nicht auf ein Aushandeln im einzelnen zu schließen ist. Auch die nach Behauptung der Beklagten erfolgte Unterzeichnung des Lagerscheines durch die Klägerin, der auch die Einlagerungsbedingungen enthält, vermag an der Unwirksamkeit der damit nicht ausgehandelten Bestimmung nichts zu ändern.

Damit besteht aber der auf den verschuldeten Untergang bzw die verschuldete Beschädigung gestützte rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist aber auch der Frist der §§ 414 und 423 HGB geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach. Die Ausschlußfrist des § 967 ABGB kommt bei diesen Schadenersatzansprüchen nicht zum Tragen (Klang Kommentar2 IV/1, 655; Schubert in Rummel aaO Rz 3 zu § 967, SZ 10/87), zumal das Vertragsverhältnis ein gemischtes Vertragsverhältnis ist, bei dem nicht nur die Verwahrung als Hauptpflicht vereinbart ist, sondern auch das Räumen, Verpacken und Transportieren Hauptpflichten sind. Daher ist die Obsorge nicht nur Hauptpflicht, so daß die Ausnahmebestimmung des § 967 ABGB nicht zum Tragen kommt (Schubert in Rummel aaO Rz 3 zu § 967).

Dabei ist entscheidend, daß die Klageansprüche innerhalb der Verjährungsfristen geltend gemacht wurden. Ob die Klägerin ihre materielle Klageberechtigung aufgrund der von ihrem Lebensgefährten erklärten Abtretung seiner Ansprüche an sie erst später im Verfahren nachwies, beseitigte die rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung nicht.

Da feststeht, daß der Schaden im Zuge der Räumungsexekution, des Transportes bzw der Verwahrung aufgrund von Fahrlässigkeiten der Leute der Beklagten entstand, wobei nur nicht feststellbar ist, ob und inwieweit auch der Vollstrecker bei der Delogierung und bei den in anderweitige Verwahrung-Bringen der Fahrnisse der Klägerin bzw der Tischler bei der Demontage ursächlich zur Schadensentstehung beigetragen haben, haftet die Beklagte jedenfalls aufgrund alternativer Kausalität, wobei der Umstand ihres Regreßrechtes gegenüber den allfälligen solidarisch mithaftenden Mitschädigern hier ohne Bedeutung ist (JBl 1991, 110; EvBl 1994/13).

Dem Berufungsgericht ist zu folgen, daß im Zuge einer zwangsweisen Räumung unter Berücksichtigung des dabei auftretenden besonderen überdurchschnittlichen zeitlichen Druckes und dem Bestreben, die Kosten möglichst gering zu halten, nicht jener Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist, wie bei einer vorbereiteten und organisierten Wohnungsräumung und Übersiedlung. Trotz der eher anzunehmenden groben Fahrlässigkeit ist es bedeutungslos, wenn man hier nur leichte Fahrlässigkeit annimmt.

Im vorliegenden Fall ist eine Sorglosigkeit der Klägerin, die rechtskräftig zur Räumung verpflichtet mit dieser aber säumig war, die Durchführung der Räumung dem Gericht überließ und auch danach die Auslagerung der Fahrnisse erst am 16.11.1989 vornahm, obwohl sie bereits rund eine Woche nach dem Delogierungstermin von der Räumung wußte (AS 92) nicht zu berücksichtigen. Diese Umstände stehen mit dem schuldhaften Handeln der Beklagten bzw ihrer Erfüllungsgehilfen nicht in Zusammenhang und sind bei der Schadensentstehung nicht als mitwirkend anzusehen. Sie sind für den schädigenden Erfolg nicht kausal. Es ist daher Schadensteilung im Sinne des § 1304 ABGB nicht gerechtfertigt.

Die Ermittlung der Werte der fehlenden bzw beschädigten Fahrnisse erfolgte durch Gutachten von Sachverständigen, so daß im Zusammenhang mit den weiteren Feststellungen, daß das Abhandenkommen und die Schäden bei der von der Beklagten durchgeführten Räumung, Verpackung, dem Transport und der Lagerung verursacht wurden, wobei nur der strikte Nachweis der alleinigen Ursächlichkeit für den Schaden oder Verlust der bei der Demontage und durch die Übergabe in die Gewahrsame der Beklagten entstand, nicht erbracht werden konnte, der Nachweis über den Grund aber auch den Umfang des Anspruches und der verloren gegangenen Gegenstände vorliegt. Die freie richterliche Schadensschätzung nach § 273 Abs 1 ZPO über die Höhe des Schadens durch die Vorinstanzen entsprach den gesetzlichen Vorschriften.

Der Anspruch der Klägerin besteht daher mit einem Betrag von S 300.000 zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich ausgehend vom ersiegten Betrag auf die §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO.

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