European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00020.20M.0625.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, inwieweit die für die Sportausübung sowie die Teilnahme an Spielen mit gewissem Gefährdungs- und Verletzungspotential aufgestellten Grundsätze des Handelns auf eigene Gefahr auch auf Fälle der Zufügung von Verletzungen bei einer praktischen Übung im Rahmen eines Notärzteseminars bzw eines Erste-Hilfe-Kurses anzuwenden sind. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Dem gegenüber bestritt der Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen – für den gegenständlichen Rechtsstreit auch relevanten – Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Im Bereich der hier allein in Frage kommenden Verschuldenshaftung nach dem ABGB setzt ein Schadenersatzanspruch eines Geschädigten ein für den Schaden ursächliches, adäquates, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Schädigers voraus. Im hier vorliegenden deliktischen Bereich trifft den Geschädigten die Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen (RS0022560 [T20]).
Dem Kläger ist dieser Beweis hinsichtlich des Verschuldens des Beklagten am Eintritt des Schadens und an der für die Fahrlässigkeitsschuld erforderlichen Voraussehbarkeit der Verletzung im konkreten Einzelfall (RS0112489 [T2]) nicht gelungen. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich im Revisionsverfahren somit nicht.
Die Streitteile sind Ärzte und haben an einem gesetzlich vorgeschriebenen Notärzteausbildungsseminar teilgenommen. Im Zuge einer praktischen Übung sollte praktiziert werden, wie ein Fremdkörper aus dem Körper eines Patienten entfernt werden kann. Nachdem die Übung vom Seminarleiter erklärt worden war, legte der Beklagte von hinten die Arme um den Kläger, die an der Innenseite beim Kläger anlagen, bildete eine Faust beim Oberbauch des Klägers und drückte – entsprechend der Vorgabe des Seminarleiters – leicht zu. Dabei erlitt der Kläger, der im Rippenknorpelbereich Verkalkungen aufwies, die die Elastizität des Brustkorbes reduzierten und damit das Auftreten eines Rippenbruches bei der Brustkorbkompression begünstigten, eine Fraktur der 6. Rippe, die allerdings nur „angeknackst“ wurde. Der Beklagte, der erstmals den sogenannten Heimlich-Handgriff vornahm, hatte die Übung technisch korrekt ausgeführt. Um den Heimlich-Handgriff zu trainieren, ist das einfache Umfassen des Körpers und bloße Ansetzen des Griffes nicht ausreichend, es muss vom Probanden „ein bisschen“ Kraft (leichter Druck) angewendet werden, um die Ausführung der Technik besser verstehen und üben zu können.
Die vom Berufungsgericht aus den erstinstanzlichen Feststellungen – zulässigerweise (RS0118191 [T1]) – gezogene tatsächliche Schlussfolgerung, dass das Verletzen von Rippen beim Ausüben des Heimlich-Handgriffs auch beim bloß praktischen Üben ein geradezu typisches Risiko darstellt, weil es sich bei dieser Technik nicht vermeiden lässt, dass der Brustkorb grundsätzlich mitgedrückt sowie anatomiebedingt mit den Armen der untere Rippenbogen mitumfasst wird, ist nicht zu beanstanden. Selbst gemessen am – gegenüber § 1297 ABGB erhöhten – Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB, den der Kläger auf den Beklagten als Arzt auch in der konkreten Übungssituation angewendet wissen will, kann dem Beklagten nach der Lage des Falls nicht vorgeworfen werden, den Heimlich-Handgriff beim Kläger unter Außerachtlassung der zu erwartenden Sorgfalt eines Arztes durchgeführt zu haben. Die Argumentation der Revision, der Beklagte hätte die Übung so vorsichtig durchführen müssen, das keine Verletzungsgefahr bestanden hätte, würde letztlich zu einer Erfolgshaftung führen, die § 1299 ABGB aber nicht normiert (RS0026211 [T3]; RS0026218 [T1]).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]). Ein Streitgenossenzuschlag (§ 15 RATG) gebührt nicht, weil die Nebenintervenientin ihren Beitritt zum Verfahren bereits in erster Instanz zurückgezogen hat.
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