OGH 9Ob13/10t

OGH9Ob13/10t29.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Robert Schwarz, Rechtsanwalt in Gmünd, wider die beklagte Partei Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt, 3910 Zwettl, Dr. Franz Weissmann-Straße 19, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** GmbH, wegen 57.413,38 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. November 2009, GZ 3 R 50/09h-20, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 13. März 2009, GZ 3 Cg 120/07w-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.018,52 EUR (darin enthalten 336,42 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung zugelassen, dass keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob bei einer Sicherungs-Globalzession bei buchführungspflichtigen Unternehmen die Verständigung des Drittschuldners von einer nach dem Abschluss der Globalzessionsvereinbarung dem Grunde nach entstandenen Forderung, deren Höhe jedoch erst von der künftigen Leistungserbringung abhängt, ausreicht. Der Revisionswerber schließt sich dieser Ansicht des Berufungsgerichts an und releviert darüber hinaus eine Verletzung der Gleichbehandlung der Gläubiger. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage, da die Voraussetzungen hinsichtlich der Zession bereits durch Vorentscheidungen ausreichend geklärt seien; in eventu beantragt die Klägerin, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies liegt jedoch hier nicht vor. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Zum besseren Verständnis voranzustellen sind die Grundzüge der wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen:

Danach hat die klagende Bank der nunmehrigen Gemeinschuldnerin Kredite gewährt und zu deren Besicherung am 5. 7. 2002 eine Zessionsvereinbarung geschlossen, nach der „unwiderruflich und rechtsverbindlich sämtliche Forderungen“ aus dem Betrieb des Unternehmens gegenüber Dritten auch soweit sie in Zukunft entstehen abgetreten werden und mit Abschluss dieses Globalzessionsvertrags aus dem Vermögen des Zedenten in jenes des Kreditgebers übergehen. In dieser Vereinbarung hat die Kreditnehmerin und spätere Gemeinschuldnerin auch die Verpflichtung übernommen, in ihren Büchern die Zession für jedermann erkenntlich zu machen und die Fakturen mit einem Vermerk zu versehen, wonach der Rechnungsbetrag unwiderruflich an die Klägerin abgetreten wurde und mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an diese gezahlt werden kann. Außerdem wurde festgelegt, dass die Klägerin alle Maßnahmen zur Einziehung der Forderung, insbesondere die Verständigung des Drittschuldners setzen kann.

Die nunmehrige Gemeinschuldnerin hat mit der Siedlungsgenossenschaft einen Vertrag über Baumeisterarbeiten abgeschlossen. Mit Bezug darauf hat die klagende Bank die Siedlungsgenossenschaft bereits am 24. 10. 2002 davon verständigt, dass die Forderungen der späteren Gemeinschuldnerin an die klagende Bank abgetreten wurden. Die Siedlungsgenossenschaft wurde aufgefordert, ihr Einverständnis dazu zu erklären, dass die Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das im Rahmen der Globalzessionsvereinbarung vorgesehene Konto überwiesen werden können. Dieses Einverständnis hat die Siedlungsgenossenschaft vorbehaltlich allfälliger Verrechnungsansprüche am 5. 11. 2002 erklärt.

Am 10. 4. 2003 verständigte die Klägerin die mit der Abrechnung des Bauvorhabens betrauten Architekten von der Abtretungsanzeige und einer sechsten Teilrechnung über 60.000 EUR vom 15. 4. 2003 für den Leistungszeitraum 16. 8. 2002 bis 28. 2. 2003.

Am 12. 8. 2003 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Diese übermittelte mit Schreiben vom 31. 10. 2003 dem Architekturbüro der Siedlungsgenossenschaft wieder eine „sechste“ Teilrechnung, allerdings über nunmehr 101.520 EUR für einen Leistungszeitraum vom 16. 8. 2002 bis 31. 10. 2003, mit dem Ersuchen, davon 48.000 EUR auf das Konto entsprechend der Globalzessionsvereinbarung bei der Klägerin zu überweisen und den Restbetrag auf das Konto des Masseverwalters. Die Siedlungsgenossenschaft überwies nach Prüfung durch den Architekten ausgehend von einem Leistungsanspruch der Gemeinschuldnerin von 60 % am 2. 2. 2004 58.665,60 EUR mit der Widmung auf die sechste Teilrechnung vom 1. 6. 2003 auf das von der Klägerin bekanntgegebene Konto der Gemeinschuldnerin.

Unstrittig ist, dass die klagende Bank gegenüber dem beklagten Masseverwalter aus einem anderen Bauvorhaben, aus dem die Werklohnforderung der späteren Gemeinschuldnerin ebenfalls zediert worden war, die aber bereits an den Masseverwalter überwiesen wurde, Anspruch auf Leistung von 57.413,38 EUR hat. Der beklagte Masseverwalter bestritt die rechtswirksame Abtretung der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die Siedlungsgenossenschaft an die Klägerin und rechnete gegen diese Forderung über 57.413,38 EUR die seines Erachtens unrichtig an die Klägerin überwiesenen 58.665,60 EUR der Siedlungsgenossenschaft auf.

Die Klägerin begehrt nunmehr 57.413,38 EUR sA und stützt sich darauf, dass die Zession der Forderung gegen die Siedlungsgenossenschaft wirksam erfolgt sei, daher erweise sich die Aufrechnungserklärung des Beklagten als unberechtigt. Die Klägerin habe auf die Richtigkeit der gelegten Rechnungen vertrauen dürfen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass keine entsprechende Abtretungsanzeige erfolgt und der für die Zession künftiger Forderungen erforderliche „Modus“ nicht eingehalten worden sei. Es fehle an einem Buchvermerk. Der Masseverwalter sei in die offenen Verträge nicht eingetreten. Die Leistungen hinsichtlich der sechsten Teilrechnung seien auch erst nach Konkurseröffnung erbracht worden. Es liege an der Klägerin, nachzuweisen, welche Leistungen erbracht worden seien.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass es sich um eine Sicherungszession betreffend künftige Forderungen aus einer eindeutig identifizierbaren Geschäftsbeziehung handle. Die erfolgte Drittschuldnerverständigung stelle einen ausreichenden Publizitätsakt dar. Da die Abtretung bereits vor Konkurseröffnung gültig erfolgt sei, komme es auf das Entstehen der Forderungen nicht an. Insgesamt erweise sich die Aufrechnung des Beklagten als unberechtigt und sei der Klage stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Die Abtretung künftiger bereits ausreichend individualisierter Forderungen sei wirksam. Die Siedlungsgenossenschaft sei von der Abtretung des bereits mit Abschluss des Werkvertrags entstandenen Anspruchs auf den Werklohn verständigt worden. Eine Sicherungszession bedürfe für ihre Wirksamkeit eines publizitätswirksamen Modus. Für diesen reiche auch die Drittschuldnerverständigung aus. Daran seien zwar fallweise in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - obiter - Bedenken geäußert worden. Der Oberste Gerichtshof habe aber zuletzt in den Entscheidungen zu 6 Ob 116/05k und 10 Ob 29/07y die Drittschuldnerverständigung als tauglichen Modus eingestuft. Diese sei hinsichtlich der eindeutig identifizierten und schon entstandenen Werklohnforderung bereits mit dem Schreiben an die Siedlungsgenossenschaft im Oktober 2002 erfolgt. Einer gesonderten Drittschuldnerverständigung hinsichtlich der sechsten Teilrechnung habe es nicht bedurft. Inwieweit die mit 15. 4. 2003 datierte Teilrechnung nur zum „Schein gelegt“ sei, sei ebensowenig relevant wie die vom Beklagten behauptete Arbeitsgemeinschaft zwischen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und einer anderen Firma.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, da es an einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von den vom Berufungsgericht herangezogenen letzten Entscheidungen, die sich umfassend mit den Fragen des ausreichenden „Modus“ bei Sicherungszessionen auseinandergesetzt haben, kann von der Zulässigkeit der Revision nicht ausgegangen werden.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zu 6 Ob 116/05k (Zak 2007, 80 [zust Spitzer Zak 2007/69]; ähnlich auch Spitzer, Sicherungszession und Drittschuldnerverständigung bei Wissenszurechnung, Bemerkungen zur Publizität anlässlich 4 Ob 100/04s) ausführlich mit der Frage der Sicherungszession auseinandergesetzt. Dass die „Globalzession“ als solche zulässig ist (RIS-Justiz RS0032519; RS0032858) und auch ausreichend individualisierte zukünftige Forderungen abgetreten werden können (RIS-Justiz RS0032906; RS0032798), wurde wiederholt ausgesprochen, ebenso, dass bei Sicherungszessionen für deren Wirksamkeit die Beachtung der für eine Pfandrechtsbegründung erforderlichen Publizitätsakte gefordert wird (RIS-Justiz RS0011386, RS0032577 jeweils mwN; Ertl in Rummel, ABGB3 § 1392 Rz 3; Heidinger in Schwimann, ABGB3 § 1392 Rz 25). Die dabei in Betracht kommenden verschiedenen Arten des Modus, und zwar einerseits die Drittschuldnerverständigung und andererseits der Buchvermerk wurden in der Entscheidung 6 Ob 116/05k unter Beachtung ihrer in der Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Vor- und Nachteile ausführlich dargestellt und abgewogen. Letztlich wurde an der Rechtsprechung festgehalten, dass bei eindeutig identifizierbaren Forderungen beide Formen allein ausreichend sind, und zwar auch für buchführungspflichtige Unternehmen (dazu auch allgemein RIS-Justiz RS0111152; Ertl aaO; Heidinger aaO; Neumayr in KBB2 § 1392 Rz 7 mwN). Dies wurde auch in der nachfolgenden Entscheidung zu 10 Ob 29/07y bestätigt.

Auch hier wurde der Modus bereits im Hinblick auf ein eindeutig identifizierbares Vertragsverhältnis im Sinne der dargestellten Rechtsprechung gesetzt (RIS-Justiz RS0111152). Konkret davon abweichende Entscheidungen vermag der beklagte Masseverwalter auch nicht darzustellen. Im Übrigen wurde auch hier die Verpflichtung der späteren Gemeinschuldnerin vorgesehen, die Zession in ihren Büchern ersichtlich zu machen. Soweit der beklagte Masseverwalter ausführt, dass nur das „einredefreie“ Entstehen einer Forderung eine konkursfeste Zuordnung ermögliche, ist dem schon im Ansatz entgegenzuhalten, dass dem Schuldner nach § 1396 ABGB immer seine Einreden erhalten bleiben.

Soweit der Masseverwalter sich darauf stützt, dass mit der Zuordnung der Forderung gegen die Siedlungsgenossenschaft im Ergebnis wirtschaftlich Leistungen aus der Masse an die Klägerin erbracht wurden, ist zu erwidern, dass der beklagte Masseverwalter trotz des Einwandes der Klägerin, dass für sie nicht nachvollziehbar sei, worauf sich dieses Vorbringen beziehe, dies nicht näher konkretisiert hat. Die Frage, welche Leistungen erbracht wurden, kann aber naturgemäß nur von dem Gläubiger, der seine Forderung abgetreten hat, geklärt werden und nicht von jenem, dem diese Forderung abgetreten wurde (allgemein zur Anwendbarkeit von § 1397 ABGB auch auf Sicherungszessionen als entgeltliche Zession Heidinger aaO § 1397 Rz 2).

Im Übrigen lag es nach Konkurseröffnung zufolge § 21 KO am beklagten Masseverwalter, inwieweit er den Vertrag weiter erfüllt und ob er davor -etwa durch Anfrage beim Drittschuldner oder Einsicht in die Verträge des Gemeinschuldners- erhebt, ob die Forderungen daraus abgetreten wurden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Oberste Gerichtshof bei Eintritt des Masseverwalters in Werkverträge auch daran festgehalten hat, dass die Aufrechnungsmöglichkeit eines Konkursgläubigers gegen die der Masse aus der Vertragserfüllung zustehenden Forderungen besteht, auch wenn die Masse dafür Leistungen erbracht hat (ausführlich 8 Ob 43/01h), was wirtschaftlich und unter dem Aspekt der Gläubigergleichbehandlung eine ähnliche Problemstellung in sich birgt. An der Problemstellung würde sich - sieht man von der leichteren Ermittelbarkeit beim Buchvermerk für den Masseverwalter ab, der aber wieder die eingeschränkte Kontrollierbarkeit des Zessionars gegenübersteht - nichts ändern, wenn ein Buchvermerk - nicht nur wie hier in den Verträgen vorgesehen, sondern auch tatsächlich - gesetzt worden wäre.

Soweit der beklagte Masseverwalter einwendet, dass die Leistungen tatsächlich von einem Dritten erbracht wurden, vermag er nicht näher darzustellen, inwieweit sich dies auf die Wirksamkeit der Zession auswirken sollte.

Insgesamt vermögen jedenfalls die konkreten Ausführungen der Revision keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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