OGH 9Ob108/24h

OGH9Ob108/24h16.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Mag. Florian Wiederkehr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI J* und 2. J*, beide vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 50.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2024, GZ 15 R 39/24a‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Jänner 2024, GZ 3 Cg 22/23m‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00108.24H.1216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.943,62 EUR (darin 490,60 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die klagende Bauträgerin begehrte die Feststellung, die Rücktrittserklärung der beklagten Käufer vom 26. 1. 2023 zum Kaufvertrag vom 19. 8. 2022 sei unwirksam (erster Teil) und der Kaufvertrag zwischen den Parteien bestehe aufrecht (zweiter Teil).

[2] Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren ab. Die Klausel zum Fertigstellungstermin bzw zum Übergabezeitpunkt im Kauf- und Bauträgervertrag sei unbestimmt, damit gemäß § 6 Abs 1 Z 1 KSchG unzulässig, und sie verstoße gegen § 4 Abs 1 Z 5 BTVG. Infolge – relativer, von den Beklagten wahrgenommener – Nichtigkeit des Kaufvertrags sei der zweite Teil des Klagebegehrens abzuweisen. Für den ersten Teil des Feststellungsbegehrens fehle es aufgrund der Nichtigkeit des Vertrags an einem rechtlichen Interesse an der Feststellung.

[3] Das Berufungsgericht teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und ergänzte: Unabhängig davon, dass es an der Bekanntgabe eines konkreten Baubeginns mangle, ziehe die Berufungswerberin den Umstand, dass die Umschreibung des Übergabetermins unklar bzw undeutlich durch die Verwendung der Formulierung „voraussichtlich“ erfolgt sei und damit ein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 1 sowie § 6 Abs 3 KSchG vorliege, nicht mehr in Zweifel. Da das Schriftformgebot des § 3 BTVG, das nur erfüllt sei, wenn der Bauträgervertrag sämtliche Inhaltserfordernisse des § 4 Abs 1 BTVG aufweise, im Übereilungsschutz bestehe, habe die bis zum Ende der Sicherungspflicht zulässige Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrags durch die Beklagten die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags zur Folge.

[4] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob das Schriftformgebot des § 3 BTVG betreffend die Mindesterfordernisse des Bauträgervertrags, im konkreten Fall jene des § 4 Abs 1 Z 5 BTVG, dem Schutz vor Übereilung und unüberlegten Vertragsabschlüssen „entgegenwirken“ (gemeint: dienen) solle und folglich ein Verstoß gegen § 3 BTVG bei Berufung auf die relative Nichtigkeit den gesamten Vertrag unwirksam mache.

[5] Die dagegen gerichtete und von den Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[7] 2. Da die Revisionswerberin die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (und des Erstgerichts), die Klausel zum Fertigstellungstermin bzw zum Übergabezeitpunkt im Kauf- und Bauträgervertrag („... voraussichtlich …“) verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG sowie § 6 Abs 3 KSchG (vgl dazu im Übrigen Prader/Pittl in Schwimann/Kodek, BTVG Praxiskommentar2 [2023] § 4 BTVG Rz 16 mwN) in ihrer außerordentlichen Revision nicht bekämpft, kann der Oberste Gerichtshof diese Beurteilung nicht überprüfen (vgl RS0118709 [T7]). Ausgehend von der – für den Obersten Gerichtshof somit bindenden – Unzulässigkeit dieser Klausel und deren Wegfalls bleibt zu prüfen, ob damit die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags einhergeht, weil der Kauf- und Bauträgervertrag nicht den zwingend erforderlichen Vertragsinhalt enthält und damit (auch) das Schriftformerfordernis des § 3 Abs 1 BTVG nicht erfüllt ist.

[8] 3.1. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Mindestvertragsinhalt nach § 4 Abs 1 Z 5 BTVG diene dem Übereilungsschutz und erfordere daher nach dem Formzweck nicht bloß eine Teilnichtigkeit, sondern die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags, wenn der Erwerber dies geltend mache, ist im konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vermag die außerordentliche Revision nicht aufzuzeigen.

[9] 3.2. Nach Ansicht der Revisionswerberin diene das Gebot der Schriftlichkeit hinsichtlich der Übergabedaten in keiner Weise dem Schutz vor Übereilung und unüberlegten Vertragsabschlüssen. Telos des Gebots der Schriftlichkeit dieser Bestimmung sei vielmehr und einzig die Sicherheit und Berechenbarkeit der Frist für den Käufer, dh die Möglichkeit des Käufers, Kenntnis von einem möglichen Verzug des Bauträgers zu erlangen. Eine nicht völlig exakte, aber mit Sicherheit zeitlich noch immer in einem ausreichenden Maß konkret bestimmbare Formulierung (24 Monate) sei jedenfalls nicht derart unberechenbar oder unkonkret, dass dies eine Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge hätte. Die im Vertrag durch eine einzelne nichtige Vertragsbestimmung entstandene Lücke müsse durch ergänzende Vertragsauslegung gefüllt werden.

[10] 4.1. Schon die Materialien (ErlRV 312 BlgNR XX. GP  15) stellen jedoch klar, dass das hier aufgestellte Formgebot der Schriftlichkeit den Erwerber vor allem vor übereilten und unüberlegten Vertragsschließungen über Objekte, deren nähere Ausgestaltung ihm noch nicht bekannt ist, abhalten soll. Der für Verbraucher in § 4 Abs 1 BTVG zwingend festgelegte Mindeststandard für die Gestaltung des Bauträgervertrags soll zu einer transparenten Vertragsgestaltung beitragen (vgl ErlRV 312 BlgNR XX. GP  10). Dass insbesondere die Information des Käufers nicht nur über den spätesten Termin der Übergabe des Gebäudes, der Wohnung oder des Geschäftsraums, sondern auch über den spätesten Termin der Fertigstellung der für ihn relevanten Gesamtanlage für seine Dispositionen wichtig sein kann (vgl Prader/Pittl in Schwimann/Kodek, BTVG Praxiskommentar² [2023] § 4 BTVG Rz 16), gesteht auch die Revisionswerberin zu. Insofern geht aber dieser Zweck deutlich über einen reinen Informationszweck hinaus und überwiegt der Schutz des Erwerbers vor unüberlegten Vertragsabschlüssen, weshalb die Revisionswerberin mit diesem Argument keine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts aufzeigt, dass eine Verletzung dieser Bestimmungen dazu führt, dass der Erwerber die relative Nichtigkeit des gesamten Vertrags geltend machen kann.

[11] 4.2. Wenn die Revisionswerberin von einer „nicht völlig exakten, aber mit Sicherheit zeitlich noch immer in einem ausreichenden Maß konkret bestimmbaren Formulierung (24 Monate)“ im Kaufvertrag ausgeht und meint, diese Formulierung sei jedenfalls konkret genug, um im Sinne des Gesetzes eine darauf gerichtete Handlung durchdacht und überlegt treffen zu können, lässt sie unberücksichtigt, dass die inkriminierte Klausel schon wegen Verstoßes gegen das KSchG zur Gänze weggefallen ist. Auch mit diesem Argument kann sie daher die vom Berufungsgericht angenommene Folge der Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags im konkreten Fall nicht erfolgreich bekämpfen. Zu welchem Ergebnis die in der Revision geforderte „Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung“ führen würde, lässt die Revision ohnehin offen.

[12] 5. Die in der Zulassungsbegründung der außerordentlichen Revision aufgezeigte Rechtsfrage, ob Mängel in Bauträgerverträgen, die nicht sämtliche in § 4 BTVG aufgezählten Inhalte aufweisen, auch vor Ende der Sicherungspflicht heilen können, muss hier nicht beantwortet werden. Das Berufungsgericht legte bereits dar, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen, eine allfällige Nichtigkeit sei durch Übermittlung schriftlicher Unterlagen an die Beklagte, in dem die Käufer vom Baubeginn informiert worden seien, geheilt, keinen konkreten Baubeginn behauptet habe. Den Auftrag des Erstgerichts, das erwähnte Schreiben binnen 14 Tagen vorzulegen, erfüllte die Klägerin nicht. Auch dem festgestellten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, dass und gegebenenfalls wann die Klägerin die Beklagten vom Baubeginn schriftlich informiert haben.

[13] Die Revision der Klägerin ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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