European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00105.25V.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.017,43 EUR (darin 183,47 EUR Umsatzsteuer [22 %]) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin erwarb am 15. 9. 2017 ein Wohnmobil Sunlight I 68 um 75.000 EUR. Die Erstbeklagte ist die Herstellerin des Basisfahrzeugs Fiat Ducato, die Zweitbeklagte die Herstellerin einiger (nicht konkret feststellbarer) technischer Komponenten des Motors.
[2] Die Klägerin begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand zuletzt 68.912,40 EUR sA (Kaufpreis abzüglich 6.087,60 EUR Benützungsentgelt) Zug um Zug gegen die „Rückgabe“ des Wohnmobils wegen mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen.
[3] Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte wandte auch ein, aufgrund der langjährigen Benützung des Wohnmobils sei ein höheres Benützungsentgelt angemessen.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte rechtskräftig ab. Dem Klagebegehren gegen die Erstbeklagte gab es im Umfang von 60.000 EUR sA statt; das Mehrbegehren von 8.912,40 EUR sA wies es ab. Im Gegensatz zu einem „normalen PKW“ beschränke sich der Nutzen eines Wohnmobils nicht auf das Fahren, sondern schließe das (kurzfristige wie langfristige) Wohnen ein. Daher sei unter Anwendung des § 273 ZPO ein Benützungsentgelt in Höhe von 15.000 EUR angemessen.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung gegen die Erstbeklagte. Ein Benützungsentgelt in Höhe von einem Fünftel des Kaufpreises sei nach § 273 ZPO angemessen, um die Vorteile der Klägerin auszugleichen, weil sie das Wohnmobil sieben Jahre lang benützen konnte und Wohnmobile nach allgemeiner Lebenserfahrung selten länger als 35 Jahre benützt werden. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass das Benützungsentgelt nicht linear berechnet, sondern nach § 273 ZPO mit einem Bruchteil des Kaufpreises bemessen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die – von der Erstbeklagten beantwortete – Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf:
[7] 1.1. Die Klägerin argumentiert, die Vorinstanzen seien dadurch von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, dass sie § 273 ZPO zur Bemessung des Benützungsentgelts herangezogen haben.
[8] 1.2. Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, ist nach der Rechtsprechung eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung. Bejahte oder verneinte das Erstgericht zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO, muss dies in der Berufung mit einer Mängelrüge bekämpft werden (RS0040282). Verneint das Berufungsgericht den angeblichen Verfahrensmangel, kann er in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RS0040282 [T8, T15]; RS0042963).
[9] 1.3. Im vorliegenden Fall billigte das Berufungsgericht die Anwendung des § 273 ZPO durch das Erstgericht. Die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Bestimmung kann deshalb im Revisionsverfahren nicht (nochmals) überprüft werden.
[10] 2.1. Die Klägerin meint weiters, die Vorinstanzen seien von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, nach der ein Benützungsentgelt nicht dazu führen dürfe, dass dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot widersprochen werde.
[11] 2.2. Richtig ist, dass aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben und des Effektivitätsgrundsatzes im Einzelfall eine Angemessenheitskorrektur des (linear berechneten) Benützungsentgelts nach § 273 ZPO geboten sein kann, nämlich wenn der Geschädigte im Ergebnis nur einen Betrag erhielte, der den aktuellen Zeitwert des zurückzugebenden Fahrzeugs (Händlerverkaufspreis) deutlich unterschreitet (RS0134263 [T3]; RS0134942).
[12] 2.3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen aber schon deshalb in keinem Spannungsverhältnis zu dieser Rechtsprechung, weil die Klägerin kein Vorbringen zum aktuellen Zeitwert (Händlerverkaufspreis) des Wohnmobils erstattete (und das Erstgericht daher auch keine Feststellung zu diesem Thema traf; dass es in der Beweiswürdigung auch einen Hinweis des Sachverständigen zu den Preisen von Wohnmobilen wie dem verfahrensgegenständlichen am Gebrauchtwagenmarkt verwertete, ist entgegen der Ansicht der Klägerin keine Feststellung des aktuellen Zeitwerts ihres Wohnmobils). Das erstmals in der Revision enthaltene Vorbringen, das Wohnmobil sei 70.000 EUR wert, verstößt gegen das Neuerungsverbot. Das Unterbleiben einer Angemessenheitskorrektur bei der Anwendung des § 273 ZPO wirft schon vor diesem Hintergrund keine erhebliche Rechtsfrage auf. Damit erübrigt sich auch das in diesem Zusammenhang angeregte Vorabentscheidungsersuchen.
[13] 3. Weitere erhebliche Rechtsfragen macht die Revision nicht geltend. Sie ist daher – ohne weitere Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO) – zurückzuweisen.
[14] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Erstbeklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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