OGH 9Nc40/12z

OGH9Nc40/12z17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. O*****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, 2. S*****, 3. S*****, zweit und drittbeklagte Partei vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 5. T*****, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer LLP Rechtsanwälte in Wien, wegen 75.272.970,33 EUR, über den Ablehnungsantrag aller beklagten Parteien betreffend den Hofrat des Obersten Gerichtshofs U***** vom 28. November 2012, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Ablehnungsantrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Für das Verfahren, ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der 6. Senat zuständig.

Ein Mitglied dieses Senats wird von den Beklagten als befangen abgelehnt.

Im Wesentlichen stützen sich die Antragstellerinnen dabei darauf, dass dieses Mitglied zu Privatgutachtern, die von der Klägerin zur Untermauerung ihrer Ansprüche in diesem Verfahren herangezogen werden, ein Naheverhältnis habe. Es sei an der selben Universität wie die Privatgutachter tätig, halte teilweise auch mit diesen Lehrveranstaltungen ab und veröffentliche einschlägige Fachbeiträge. Das berufliche Naheverhältnis und die gemeinsame wissenschaftliche Tätigkeit schaffe den Anschein der Befangenheit.

Die Klägerin verneinte in ihrer Äußerung den Anschein einer Befangenheit. Selbst ein - nicht vorliegendes - persönliches Naheverhältnis zu einem Privatgutachter könne den Anschein einer Befangenheit nicht begründen, da dieser nur seine wissenschaftliche Meinung und nicht den Standpunkt einer Partei vertrete. Anders als in Vorentscheidungen liege auch keine Befangenheitsanzeige des betroffenen Richters vor.

Der betroffene Richter hat sich als nicht befangen erklärt.

Der Ablehnungsantrag ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommen als Befangenheitsgründe in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RIS-Justiz RS0045935 mwN). Geht es bei der Befangenheit doch um unsachliche psychologische Motive, die eine unparteiische Entscheidung hemmen können (RIS-Justiz RS0045975 mwN).

Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung der Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0045949 mwN; RS0046052 mwN; Ballon in Fasching 2 I § 19 JN Rz 5; Mayr in Rechberger ZPO2 § 19 JN Rz 4). Damit darf aber auch nicht die Möglichkeit geboten werden, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RIS-Justiz RS0109379; RS0109379).

Die Antragstellerinnen vermögen keine stichhaltigen Befangenheitsgründe zu behaupten. Die Ausführungen der Antragstellerinnen laufen im Ergebnis auf eine gewisse berufliche Verbindung mit den Privatgutachtern durch die Tätigkeit in der selben Universität und vereinzelte gemeinsame Lehrveranstaltungen und Publikationen hinaus.

Der Oberste Gerichtshof hat nun selbst im Festhalten an der eigenen veröffentlichten Meinung des jeweiligen Richters noch nicht den Anschein einer Befangenheit gesehen, wenn nicht der Eindruck entsteht, dem abgelehnten Richter gehe es vorrangig um die Durchsetzung seiner im Schrifttum vertretenen Auffassung. Befangenheit wäre nur anzunehmen, wenn sich konkret der Anschein ergibt, dass dieser Richter nicht bereit ist, seine Meinung neuerlich zu überprüfen und entgegenstehendes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen (6 Ob 235/05k; RIS-Justiz RS0036155 mwN; vgl auch § 63 Abs 2 RStDG). Dies muss umso mehr gelten, wenn es nur um die wissenschaftliche Meinung eines Kollegen und nicht um die eigene geht.

Regelmäßig kann alleine in dem oft aufgrund der gemeinsamen Aus- und oft auch Fortbildung bestehenden freundschaftlich kollegialen Kontakt zwischen Richtern und Universitätsprofessoren kein Befangenheitsgrund gesehen werden, außer der Richter erklärt sich selbst für befangen (RIS-Justiz RS0046076; zum kollegialen Verhältnis zum Richterkollegen RIS-Justiz RS0108696). Es ist grundsätzlich eine professionelle Trennung zwischen beruflicher und privater Beziehung zu erwarten (vgl auch RIS-Justiz RS0045970). Anders wäre dies, wenn der Richter selbst seine Befangenheit anzeigt, weil es in jeder kollegialen Beziehung auch besondere persönliche Elemente geben kann, die eine völlig unparteiische Entscheidung hindern. Die besondere Funktion der Anzeige durch den Richter selbst ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur der Vorsorge für eine den Ansprüchen des Art 6 EMRK entsprechende Gerichtsbarkeit dient, sondern aus dienstrechtlicher Sicht auch der Entbindung des Richters von seinen Dienstpflichten iSd § 57 Abs 1 RStDG (9 Nc 9/12s; zur subjektiven Rechtsposition des Richters Rechberger aaO § 24 JN Rz 4). Nicht nur durch das Nichtvorliegen einer Befangenheitsanzeige des betroffenen Richters unterscheidet sich der vorliegende Fall von der zu 9 Nc 17/12t entschiedenen Konstellation. Liegen doch auch keine objektiven Anhaltspunkte für einen Anschein vor, der Richter würde sich mit den Kollegen aus speziellen Gründen besonders solidarisieren.

Dass die gemeinsame Tätigkeit in einer von einem konkreten Verfahren gar nicht betroffenen Institution zur Annahme einer Befangenheit im Allgemeinen noch nicht ausreicht, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0045892).

Ein Befangenheitsgrund iSd § 19 Z 2 JN ist somit nicht gegeben.

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