OGH 6Ob235/05k

OGH6Ob235/05k3.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Ablehnungssache der Antragsteller 1) R***** AG, 2) Veit S*****, Vorstandsmitglied, und 3) Wolfgang W*****, Vorstandsmitglied, *****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wegen Ablehnung eines Richters des Oberlandesgerichts Wien, über deren Rekurs gegen den Beschluss des Ablehnungssenats des Oberlandesgerichts Wien vom 3. August 2005, GZ 13 Nc 21/05w‑3, womit der Ablehnungsantrag zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0060OB00235.05K.1103.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Zur Erzwingung der Vorlage des Konzernabschlusses der Gesellschaft (Erstrekurswerberin) zum 28. 2. 2001 ist beim Firmenbuchgericht ein Zwangsstrafenverfahren gegen die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft (Zweit- und Drittrekurswerber) anhängig. Das Firmenbuchgericht verhängte die zuvor angedrohten Zwangsstrafen über die Vorstandsmitglieder und forderte diese neuerlich zur Offenlegung gegen Androhung einer weiteren Zwangsstrafe und der Veröffentlichung des Zwangsstrafenbeschlusses auf.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gesellschaft mangels Rechtsmittel- bzw Antragslegitimation zurück, während es jenem der Vorstandsmitglieder nicht Folge gab. Es schließe sich den im Schrifttum von G. K***** und G. N***** vertretenen Argumenten an, wonach der Gesellschaft selbst - entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - im Zwangsstrafenverfahren keine Parteistellung zukomme.

In ihrem gegen diese Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs machen die Gesellschaft und ihre Vorstandsmitglieder unter anderem Befangenheit des an der angefochtenen Entscheidung mitwirkenden Richters des Oberlandesgerichts Wien Dr. Georg N***** geltend. Durch die Veröffentlichung habe sich der Richter bereits vorab seine Meinung festgelegt, weshalb er bei der Entscheidungsfindung nicht mehr den Anschein der Unbefangenheit vermittle. Noch „krasser" werde dies, wenn in der Entscheidung statt einer Begründung nur noch pauschal auf die „überzeugenden Argumente" eines Autors verwiesen werde.

Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Dass der abgelehnte Richter eine - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - abweichende Rechtsmeinung vertrete und diese auch veröffentlicht habe, sei kein Grund, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Er habe auch nicht zu erkennen gegeben, dass er diese Rechtsmeinung nicht überprüfen und gegebenenfalls ändern werde.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Ablehnungswerber ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber betonen, dass sie dem abgelehnten Richter nicht vorwerfen, subjektiv voreingenommen zu sein. Es lägen aber Umstände vor, die objektiv berechtigte Zweifel an seiner Unbefangenheit begründen. Der Ablehnungssenat habe es unterlassen, im Rahmen des zu fordernden „objective test" die Wirkung des richterlichen Verhaltens auf die rechtstreue Allgemeinheit zu untersuchen. Es rechtfertige die Ablehnung, wenn sich das Rekursgericht lapidar den Argumenten von G. K***** und G. N***** anschließe. Dadurch entstehe objektiv der Eindruck, dass es dem abgelehnten Richter an der nötigen Distanz und Unbefangenheit fehle und es ihm darum gehe, seine im Schrifttum vertretene (und angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, des Obersten Gerichtshofs wie auch der Rechtsprechung in Deutschland unvertretbare) Auffassung auch durchzusetzen.

Nach § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Bei einer nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmenden Prüfung (objective test) ist entscheidend, ob feststellbare Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen, wobei - wenn dies der Fall ist - der Anschein ausreichen kann (Miehsler/Vogler in Karl, Internationaler Kommentar zu europäischen Menschenrechtskonvention Art 6 Rz 301 und 302; 6 Ob 89/05i, 6 Ob 112/05x ua mwN). Entscheidend ist, ob diese Befürchtung als objektiv gerechtfertigt anzusehen ist.

Im vorliegenden Fall ergeben sich auch bei objektiver Prüfung keine Umstände, die den Anschein einer Voreingenommenheit erwecken könnten. Dass ein Richter eine Rechtsmeinung vertritt (mag sie auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgelehnt werden), begründet für sich allein ebensowenig den Anschein einer Befangenheit wie die Veröffentlichung einer bestimmten Rechtsmeinung in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung (6 Ob 89/05i6 Ob 112/05x ua mwN). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nämlich nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung (die Rechtsmittelweber meinen sie sei unvertretbar) ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens. Schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze bei der Entscheidungsfindung, die die Objektivität mit Grund bezweifeln ließen (6 Ob 89/05i, 6 Ob 112/05x ua; 4 Ob 36/89) sind hier nicht zu erkennen und werden von den Rechtsmittelwerbern auch nicht geltend gemacht. Die Entscheidungsbegründung, wonach sich das Rekursgericht den - zuvor ausführlich wiedergegebenen - Argumenten von G. K***** und G. N***** anschließe, lässt zwar erkennen, dass der Verfasser seine veröffentlichte Meinung vollinhaltlich aufrecht hält, entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerbern entsteht dadurch aber nicht der Eindruck, dem abgelehnten Richter gehe es vorrangig um die Durchsetzung seiner im Schrifttum vertretenen Auffassung und es fehle ihm die nötige Distanz und Unbefangenheit. Dass Richter sich auch literarisch betätigen, ist durchaus üblich (vgl § 63 Abs 2 RdG) und der Öffentlichkeit bekannt. Weder die Veröffentlichung selbst noch auch eine Bezugnahme darauf geben für sich allein begründeten Anlass für die Befürchtung einer Voreingenommenheit, solange nicht weitere Umstände vorliegen, denen entnommen werden könnte, dass der Verfasser nicht bereit wäre, gegebenenfalls seine Meinung neuerlich zu überprüfen und ihr entgegenstehendes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen. Umstände, die einen derartigen Anschein erwecken könnten, liegen hier nicht vor.

Das der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien den Rechtsmittelwerbern keine Gelegenheit gegeben hat, zur Äußerung des abgelehnten Richters Stellung zu nehmen, verwirklicht hier keinen relevanten Verfahrensmangel, weil sie ihren Standpunkt sowohl im Ablehnungsantrag als auch in ihrem Rechtsmittel ausreichend dargelegt haben und sich aus der Äußerung des Richters keine neuen Gesichtspunkte ergaben.

Dem unberechtigten Rechtsmittel der Ablehnungswerber wird ein Erfolg versagt.

 

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