Spruch:
Der Antrag, anstelle des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Arbeitsrechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der im Sprengel des angerufenen Landesgerichts Leoben wohnhafte Kläger begehrt von der in Wien ansässigen Beklagten aus einem von ihm durch Austritt beendeten Dienstverhältnis 513.246,97 EUR sA. Die Beklagte beantragte die Delegierung des Verfahrens an das Arbeits- und Sozialgericht Wien, weil sämtliche (von ihr) beantragten Zeugen - der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Zeugen namhaft gemacht - in Wien wohnhaft seien. Während des Dienstverhältnisses habe sich auch der Kläger gewöhnlich in Wien aufgehalten. Die Delegierung sei daher zweckmäßig.
Der Kläger sprach sich gegen den Delegierungsantrag aus. Das Landesgericht Leoben hält die beantragte Delegierung für zweckmäßig. Es verweist darauf, dass mittlerweile beide Parteien die Einvernahme zahlreicher Zeugen beantragt haben. 17 dieser Zeugen seien in Wien ansässig, vier in der Steiermark (wenn auch nicht im Sprengel des angerufenen Gerichts), zwei in der Bundesrepublik Deutschland und je einer in Salzburg und Linz. Von der Delegierung nach Wien sei daher eine wesentliche Verkürzung und Verbilligung des Verfahrens zu erwarten.
Rechtliche Beurteilung
Dennoch ist dem Delegierungsantrag nicht stattzugeben:
Der Kläger hat den Gerichtsstand des § 4 Abs 1 Z 1 lit a ASGG in Anspruch genommen. Dieser Wahlgerichtsstand wurde dem klagenden Arbeitnehmer zur Erleichterung der Verfolgung seiner Rechtsansprüche vom Gesetzgeber eingeräumt. Bei einer vom Beklagten beantragten Überweisung an ein seinen Interessen dienendes anderes Gericht ist deshalb zur Vermeidung einer Aushöhlung dieser Schutzbestimmung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Eine solche Delegierung ist nur dann zu bewilligen, wenn sie eindeutig im Interesse beider Parteien liegt (Kuderna ASGG2 78 mwN; RIS-Justiz RS0046357; zuletzt etwa 9 Nc 25/07m). Davon kann aber hier nicht ausgegangen werden. Dass der Kläger (auch) in Wien einen Wohnsitz hat oder sich dort regelmäßig aufhält, ist nicht erwiesen. Unstrittig ist nur, dass der Kläger während des Dienstverhältnisses regelmäßig in Wien aufhältig war; daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass dies nach wie vor der Fall ist. Neben ihm, der im Sprengel des angerufenen Gerichts wohnt, sind immerhin vier der beantragten Zeugen in der Steiermark wohnhaft, und zwar in Orten, die vom angerufenen Gericht nicht weit entfernt sind. Auch die Wohnorte der in Salzburg und Linz ansässigen Zeugen sind von Leoben weniger weit entfernt als von Wien. Für den in Deutschland wohnhaften Zeugen ergibt sich kein entscheidender Unterschied. Die mit der beantragten Delegierung zu erzielenden kostenmäßigen Vorteile werden daher zu einem jedenfalls nicht unbeträchtlichen Teil durch Mehrkosten wieder aufgewogen, die sich aus der Anreise von nicht in Wien wohnhaften Zeugen ergeben würden. Der verbleibende kostenmäßige Vorteil reicht nicht aus, die für den Kläger aus einer Prozessführung in Wien resultierenden Nachteile in einem Ausmaß aufzuwiegen, das es rechtfertigen könnte, gegen seinen Willen die vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Gerichtsstands des § 4 Abs 1 Z 1 lit a ASGG verfolgten Wertungen außer Acht zu lassen.
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