OGH 8ObS182/02a

OGH8ObS182/02a29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Hofrat DI Roland Bauer und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Siegfried K*****, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (EUR 3.506,38 sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 10 Rs 81/02h-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Auszugehen ist davon, dass der Kläger als Kellner (mit der Funktion eines "Geschäftsführers") im Betrieb des späteren Gemeinschuldners durch nahezu zehn Monate tätig war und überhaupt kein Entgelt erhalten hat; auf dieses war er auch nicht angewiesen, da er als Justizbediensteter netto S 25.000 verdiente.

Auf dem vorliegenden Fall ist das IESG idF Nov BGBl 73/1999 (Konkurseröffnung 18. 6. 1999) anzuwenden.

Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt als atypisches, einem Fremdvergleich nicht standhaltendes Arbeitsverhältnis beurteilt, weshalb dem Kläger kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zustünde.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann sich auf die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Fremdvergleichs stützen. Die Durchführung des Fremdvergleiches ist eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (8 ObS 183/01x = ARD 5318/3/02). Eine solche krasse Fehlbeurteilung liegt vorliegendenfalls nicht vor:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es

zwar dem Arbeitnehmer freisteht, auch wenn er kein Entgelt erhält, so

lange er will, im Betrieb seines Arbeitgebers zu verbleiben. Jedoch

verliert ein solches Arbeitsverhältnis, wenn die Frist erheblich

überschritten wird, die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer im

Betrieb geblieben wäre, den Charakter eines "typischen"

Arbeitsverhältnisses und schließt ein solches Verhalten einen

Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld aus (8 ObS 57/00s = Arb 12.034; 8

ObS 153/01k = infas 2002 A 54 ua). Hätte ein "typischer" Arbeitnehmer

bereits wesentlich früher seinen vorzeitigen Austritt erklärt, hat

der Kläger im Falle nachfolgender Insolvenz des Dienstgebers

keinerlei Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld: Ein derartiges

Arbeitsverhältnis ist nach ständiger Rechtsprechung zur Gänze aus dem

Schutzbereich des IESG ausgenommen. In diesem Fall gebührt -

zumindest für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Novelle BGBl I

42/2000 mit 1. 1. 2001, die auf den vorliegenden Fall noch nicht

anzuwenden ist - überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch

nicht für den Sechsmonatszeitraum des § 3a Abs 1 IESG oder für

etwaige Beendigungsansprüche (8 ObS 56/00v = WBl 2000/216 = ZIK

2000/231; 8 ObS 153/00h = DRdA 2000, 536 = Arb 12.027; 8 ObS 153/01k

= infas 2002 A 54; zuletzt 8 ObS 254/01p).

Zweck des IESG in seinem Kernbereich ist es, die Arbeitnehmer vor dem

Verlust ihrer Ansprüche zu bewahren, auf die diese zur Bestreitung

ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind (9 ObS 12/88 = SZ 61/254; 9

ObS 22/91 = SZ 65/15 uva). Aus dem Umstand, dass der Kläger seinen

Lebensunterhalt aus seinem beträchtlichen Fixeinkommen als

Bundesbediensteter bestreiten konnte, folgt, als dass er auf die

Entgeltzahlungen durch seinen Arbeitgeber nicht angewiesen war. Dies

verstärkt lediglich die Atypizität seines Dienstverhältnisses und

führt dazu, dass eine Absicherung des Klägers gegen das Risiko des

gänzlichen oder teilweisen Verlustes seiner Entgeltansprüche durch

Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den

Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nicht erfolgen kann.

Es trifft auch nicht zu, dass der Oberste Gerichtshof Zweifel an der Richtlinien-Konformität der eben genannten Entscheidungen hat.

Er hat in der Entscheidung 8 ObS 206/00b (= DRdA 2001/37

[Anzenberger] = WBl 2001/91) dargelegt, dass er seine diesbezügliche

Rechtsprechung infolge der in Art 10 der RL 80/987/EWG enthaltenen Missbrauchsvorbehalts mit dieser vereinbar hält.

Der Vorlagebeschluss im Fall 8 ObS 249/00a (= WBl 2001/224 = EvBl 2001/171) betraf den Fall eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens; dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil der Arbeitnehmer, der gleichzeitig Minderheitsgesellschafter war, infolge des Stehenlassens seiner Entgeltansprüche auch keinen Konkursteilnahmeanspruch hat, was auf nicht an der Arbeitgebergesellschaft beteiligte Arbeitnehmer, wie den Kläger, nicht zutrifft.

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