European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBS00010.17D.1129.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden – abgesehen vom Zuspruch der Prozesskosten aus dem Vorverfahren in Höhe von 7.381,52 EUR an den Erstkläger und der Abweisung der Kosten des Fortsetzungsantrags vom 28. Jänner 2016 im Vorverfahren in Höhe von 450,90 EUR – als nichtig aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Kläger treten als Bauarbeiterpartie auf. Der Erstkläger organisiert die Arbeiterpartie und ist der Gruppensprecher. Im Juni 2014 vereinbarte der Erstkläger mit dem späteren Schuldner, dass mit jedem einzelnen Gruppenmitglied ein Arbeitsvertrag über verschiedene Bauhilfsarbeiten eingegangen wird. Dabei wurde für jeden einzelnen Arbeitnehmer ein Lohn von 15 EUR pro Stunde vereinbart. Auf Basis dieser Vereinbarung arbeiteten die Kläger auf verschiedenen Baustellen. Insgesamt erbrachten sie auf diesen Baustellen Arbeitsleistungen im Ausmaß von 859,5 Stunden (12.892,50 EUR). Für die Arbeiten auf einer der Baustellen leistete der spätere Schuldner eine Teilzahlung in Höhe von 2.000 EUR. Darüber hinaus vereinbarte der Erstkläger mit dem späteren Schuldner für eine andere Baustelle ein (Gruppen-)Arbeitsverhältnis, für das ein Pauschalentgelt von 8.000 EUR vereinbart wurde; der über diese Arbeiten an einer Fassade errichtete Vertrag wurde als „Werkvertrag“ bezeichnet.
Da der spätere Schuldner die geltend gemachten Ansprüche nicht beglich, erhob der (hier) Erstkläger am 21. 11. 2014 beim ASG Wien Klage über 19.188 EUR sA. Zu diesem Zweck traten die übrigen Mitglieder der Arbeiterpartie ihre Ansprüche an den Erstkläger zum Inkasso ab. Hinsichtlich der nach Stunden abgerechneten Leistungen erfolgte eine Zuordnung der Arbeitsstunden auf die einzelnen Gruppenmitglieder. Hinsichtlich des Pauschalentgelts erfolgte keine Aufschlüsselung. Aufgrund der vom späteren Schuldner erhobenen Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, der sich der Erstkläger unterwarf, wurde das Verfahren an das Handelsgericht Wien überwiesen. Der Erstkläger hielt das Vorbringen zur Dienstnehmereigenschaft der Gruppenmitglieder ausdrücklich aufrecht. Mit Urteil vom 24. 11. 2015 gab das Handelsgericht Wien im Vorverfahren dem Klagebegehren statt. Dementsprechend wurde der spätere Schuldner verpflichtet, dem (hier) Erstkläger 19.188 EUR samt 9,2 % Zinsen über den Basiszinssatz ab 18. 7. 2014 zu zahlen und die mit 7.381,52 EUR bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
Mit Beschluss vom 30. 11. 2015 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Insolvenzverfahren meldete der Erstkläger die Ansprüche an. Später zedierte der Erstkläger die ihm zuvor zum Inkasso abgetretenen Ansprüche gegen den Schuldner an die übrigen Mitglieder der Arbeiterpartie wieder zurück. In der Folge meldeten die Kläger ihre Ansprüche im IESG‑Verfahren an. Der erwähnte Pauschalbetrag wurde zur Gänze vom Erstkläger angemeldet. Mit Schreiben vom 17. 5. 2016 ersuchte die Beklagte die Kläger um die Vornahme von Ergänzungen. Da die Kläger mitteilten, dass die Antworten auf die gestellten Fragen bereits vorliegen würden, erließ die Beklagte – bis zum 10. 9. 2016 – keinen Bescheid. Daraufhin erhoben die Kläger die hier vorliegende Klage nach dem IESG.
Die Kläger begehren jeweils die Abgeltung der nach Stunden abgerechneten Arbeitsleistungen, wobei sie den daraus jeweils resultierenden Betrag als Nettozahlung beanspruchen. Zudem verlangen sie die Zahlung des Pauschalbetrags. Im Schriftsatz vom 28. 11. 2016 (ON 5, S 6) brachten sie dazu vor, dass die Pauschale fünf (namentlich bezeichneten) Klägern zu gleichen Teilen zustehe, weshalb auf jeden von ihnen ein Betrag von 1.600 EUR entfalle. Sie hätten mit dem späteren Schuldner eine echte Nettolohnvereinbarung getroffen. Der Einwand der Beklagten, dass die Forderungen im Insolvenzverfahren nicht angemeldet worden seien, sei unzutreffend. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Inkassozession an den Erstkläger noch aufrecht gewesen, weshalb nur dieser die im Vorverfahren zugesprochenen Ansprüche im Insolvenzverfahren hätte anmelden können.
Die Beklagte entgegnete, dass die Zweit- bis Zwölftkläger ihre Forderungen entgegen dem Gebot des § 1 Abs 5 IESG nicht im Insolvenzverfahren angemeldet hätten. Die Anmeldung sei ohne berücksichtigungswürdige Gründe versäumt worden. Die Ansprüche seien auch deshalb nicht berechtigt, weil der Erstkläger kein Arbeitnehmer, sondern selbständiger Unternehmer sei. Die Zweit- bis Zwölftkläger seien nicht beim Schuldner, sondern beim Erstkläger beschäftigt gewesen. Die geltend gemachte slowakische Umsatzsteuer sei nicht nach dem IESG gesichert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und ermittelte die den einzelnen Klägern für die nach Stunden abgerechneten Arbeitsleistungen gebührenden Beträge, die es den Klägern jedoch nur als Bruttobeträge zuerkannte. Zudem sprach es dem Erstkläger Prozesskosten in Höhe von 7.381,52 EUR zu. Die darüber hinausgehenden Ansprüche wurden abgewiesen. Dies gilt auch für den Pauschalbetrag, der zur Gänze unberücksichtigt blieb. Zudem wurde das Begehren des Erstklägers, ihm die Kosten für den Fortsetzungsantrag vom 28. 1. 2016 in Höhe von 450,90 EUR zu ersetzen, abgewiesen. Hinsichtlich der nach Stunden abgerechneten Leistungen sei der Erstkläger lediglich als Bevollmächtigter der übrigen Kläger aufgetreten. Anderes gelte für die Pauschale. In dieser Hinsicht sei mit der Gruppe im eigenen Namen und im Namen der Mitglieder ein Gruppenarbeitsvertrag geschlossen worden. Die Kläger seien in allen arbeitsrechtlich relevanten Belangen an die Weisungen des Schuldners gebunden gewesen. Aus diesem Grund habe es sich um echte Arbeitsverhältnisse gehandelt. Auch die Teilnehmer eines Gruppenarbeitsverhältnisses seien echte Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Pauschale sei der IESG‑Antrag nicht aufgeschlüsselt worden. Ohne Aufschlüsselung und Zuordnung der Beträge zu den einzelnen Arbeitnehmern entspreche der IESG‑Antrag nicht dem Inhaltserfordernis des § 6 Abs 2 IESG. Die Konkretisierung mit Schriftsatz vom 28. 11. 2016 (je 1.600 EUR) sei verspätet erfolgt, weil die Aufschlüsselung innerhalb von sechs Monaten ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, somit spätestens am 31. 5. 2016, hätte erfolgen müssen. Demgegenüber sei der Einwand der Beklagten, die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren widerspreche dem § 1 Abs 5 IESG, nicht zutreffend. Dem Anmeldegebot könne nämlich auch dadurch Genüge getan werden, dass die Forderungen dem Erstkläger zum Inkasso abgetreten und im Insolvenzverfahren nur von ihm angemeldet werden. Die neuerliche Anmeldung eines materiell bereits angemeldeten Anspruchs sei nicht erforderlich gewesen. In dieser Hinsicht habe also die „Sammelanmeldung“ durch den Erstkläger genügt. Die slowakische Umsatzsteuer (296 EUR) sei nicht nach § 1 IESG gesichert. Auch die Kosten für den Fortsetzungsantrag vom 28. 1. 2016 im Vorverfahren seien nicht zuzusprechen. Bei diesen Kosten handle es sich um nachträgliche Kosten, deren Bestimmung innerhalb einer Frist von vier Wochen beim Handelsgericht Wien hätten beantragt werden müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zur behaupteten Nettolohnvereinbarung sei davon auszugehen, dass der Schuldner mit den Klägern eine „Schwarzgeldzahlung“ vereinbart habe. Der Pauschalbetrag hätte bereits im IESG‑Verfahren aufgegliedert werden müssen. Die Aufgliederung, welche konkreten Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang Arbeitsverträge eingegangen und die entsprechenden Arbeitstätigkeiten erbracht hätten, sei jedoch unterlassen worden. Auch wenn die Forderung aus einem Gruppenarbeitsvertrag eine Gesamthandforderung darstelle, müsse der Antrag auf Insolvenzentgelt den Anforderungen des § 6 IESG entsprechen. Der Pauschalbetrag hätte daher innerhalb der gebotenen Frist aufgeschlüsselt werden müssen. Diesem Inhaltserfordernis habe der Antrag jedoch nicht entsprochen. Dieser Umstand sei von den Klägern selbst verschuldet worden. Zum Forsetzungsantrag fehle eine Kostenbestimmung gemäß § 54 Abs 2 ZPO. Die slowakische Umsatzsteuer stelle keinen gesicherten Anspruch dar. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger, die auf eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil die Entscheidung der Vorinstanzen gegen die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils im Vorverfahren verstößt. Dementsprechend ist die Revision auch berechtigt.
1. Vorweg wird festgehalten, dass es sich bei der zugrunde liegenden Klage um eine Säumnisklage nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG handelt (vgl 10 ObS 202/98x). Die für die Erlassung eines Bescheides eröffnete Frist von sechs Monaten war abgelaufen.
2. Die Kläger beschweren sich darüber, dass die vom Erstgericht nach den konkreten Arbeitsstunden ermittelten Beträge nur brutto zuerkannt wurden und der geforderte Pauschalbetrag unberücksichtigt geblieben ist. Im Vorverfahren sei das Handelsgericht Wien von einer Nettolohnvereinbarung ausgegangen. Dieser Umstand sei von der Bindungswirkung erfasst.
Mit dem behaupteten Verstoß gegen die Bindungswirkung machen die Kläger einen Nichtigkeitsgrund geltend.
3. Im Vorverfahren wurden dem (hier) Erstkläger rechtskräftig 19.188 EUR sA zugesprochen. Laut rechtskräftigem Urteil des Handelsgerichts Wien setzt sich dieser Betrag wie folgt zusammen:
859,5 Stunden á 15 EUR = 12.892,50 EUR
abzüglich Teilzahlung 2.000 EUR = ‑ 2.000 EUR
Pauschalbetrag 8.000 EUR
slowakische USt 296 EUR
Dem nach Arbeitsstunden zugesprochenen Betrag von 10.892,50 EUR [12.892,50 minus 2.000], der teilweise an den Kläger zedierte (und später rückzedierte) Forderungen betrifft, liegen – wiederum laut Vorbringen des Klägers im Vorverfahren, dem das Handelsgericht Wien gefolgt ist – folgende Ansprüche zugrunde (ON 4 im Vorakt):
Erstkläger 103 x 15 [1.545] ‑ 250 1.295
Zweitkläger 150,5 [2.257,50] ‑ 250 2.007,50
Drittkläger 96,5 1.447,50
Viertkläger 150,5 [2.257,50] ‑ 250 2.007,50
Fünftkläger 120,5 [1.807,50] ‑ 500 1.307,50
Sechstkläger 19 [285] ‑ 250 35
Siebentkläger 19 [285] ‑ 250 35
Achtkläger 19 [285] ‑ 250 35
Neuntkläger 55,5 832,50
Zehntkläger 55,5 832,50
Elftkläger 55,5 832,50
Zwölftkläger 15 225
Summe 859,50 10.892,50 EUR
Bei diesen Beträgen handelt es sich um Nettobeträge. Die im Vorverfahren berücksichtigte und abgezogene Teilzahlung von 2.000 EUR betrifft acht Leistungseinheiten, wobei zwei davon auf den Fünftkläger entfallen. Der Teilzahlungsbetrag pro Leistungseinheit beträgt demnach 250 EUR; auf den Fünftkläger entfallen 500 EUR[2 x 250].
4.1 Besteht eine rechtskräftige Entscheidung über dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber zustehende Ansprüche, so ist gemäß § 7 Abs 1 IESG die Entscheidung des Gerichts für die hier Beklagte für die Frage bindend, ob ein und gegebenenfalls welcher Anspruch gegen den Arbeitgeber vorliegt. Maßgebend ist, dass die jeweilige rechtliche Fragestellung Inhalt des kontradiktorischen rechtskräftigen Urteils ist, also vom Gericht im Vorprozess geprüft wurde (8 ObS 2/17b). In der Beurteilung, ob der Anspruch nach dem IESG gesichert ist, also hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, Anspruchsgrenzen und Anspruchsausschlüsse nach dem IESG, besteht keine Bindung der Beklagten ( Gahleitner in ZellKomm 2 § 7 IESG Rz 2 f).
Die Reichweite der Bindungswirkung wird grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt, doch sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruchs heranzuziehen, sodass sich die materielle Rechtskraft auf die Tatsachenfeststellungen insoweit erstreckt, als dies zur Individualisierung des Spruchs notwendig ist. Dies bedeutet, dass die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruchs heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0043259; 8 ObA 76/16h; 8 Ob 26/17g).
4.2 Im Vorverfahren hat der beklagte Arbeitgeber (spätere Schuldner) lediglich den Einwand erhoben, dass die Arbeiten mangelhaft ausgeführt worden seien und diesen kein Wert zugekommen sei. Außerdem seien die Arbeiten nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden. Das Handelsgericht Wien ist vom Vorbringen des Klägers (hier Erstklägers) ausgegangen und hat dieses als richtig unterstellt. Dies gilt auch für die behauptete Nettolohnvereinbarung, auf die im Urteil des Handelsgerichts Wien ausdrücklich Bezug genommen wird. Auch diese Behauptung des Klägers hatte der beklagte Arbeitgeber im Vorverfahren nicht bestritten.
4.3 In Bezug auf die Nettolohnvereinbarung sowie in Bezug auf die Berechnung der nach Arbeitsstunden ermittelten Ansprüche der Kläger (soweit diese von der hier erfolgten Darstellung laut Vorprozess abweicht und diese Abweichung nicht nur die Aufrundung der Beträge betrifft) besteht ein Verstoß gegen die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils im Vorprozess.
4.4 Zum Pauschalentgelt wurde im Vorverfahren festgestellt, dass sämtliche der Pauschalvereinbarung zugrunde liegenden Leistungen vom Kläger (hier Erstkläger) erbracht wurden. Da dem Erstkläger im Vorverfahren auch der Pauschalbetrag zuerkannt wurde, ist dieser Zuspruch ebenfalls von der Bindungswirkung erfasst. Der Umstand, dass der dem Pauschalentgelt zugrunde liegende Vertrag als „Werkvertrag“ bezeichnet wurde, bleibt unerheblich, weil es sich dabei um eine bewusste Falschbezeichnung handelte.
5.1 Wird die Bindungswirkung zu Unrecht verneint, so liegt ein Verstoß gegen die Rechtskraft vor, was Nichtigkeit begründet (RIS‑Justiz RS0041896). Dies hat zur Folge, dass die vom Nichtigkeitsgrund betroffene Entscheidung, allenfalls samt Verfahren, aufzuheben ist. In der Folge ist die neuerliche Sachentscheidung unter Bindung an die rechtskräftig entschiedene Vorfrage zu treffen (RIS‑Justiz RS0074226).
5.2 Der Pauschalbetrag von 8.000 EUR wurde von den Vorinstanzen im hier vorliegenden IESG‑Verfahren mit der Begründung nicht zugesprochen, dass die zugrunde liegenden Arbeitsleistungen nicht mehr feststellbare Mitglieder der Arbeiterpartie erbracht hätten und eine Aufschlüsselung hinsichtlich der einzelnen Kläger innerhalb der Sechsmonatsfrist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bis 31. 5. 2016) nicht erfolgt sei, weshalb kein iSd § 6 IESG fristgerechter und den Inhalts- und Formerfordernissen entsprechender Antrag gestellt worden sei.
Nach dem bindenden Urteil des Handelsgerichts Wien im Vorverfahren wurden die dem Pauschalentgelt zugrunde liegenden Arbeitsleistungen vom Erstkläger erbracht. Ursprünglich (mit Antrag vom 11. 3. 2016) hat auch er im IESG‑Verfahren diesen Betrag beansprucht. Im Schriftsatz vom 28. 11. 2016 (ON 5, 6) wurde demgegenüber vorgebracht, dass auf den Erstkläger (für die Zeit vom 23. 6. bis 23. 7. 2014) nur ein Anteil von einem Fünftel (1.600 EUR) entfalle.
5.3 Soweit die in Rede stehenden Arbeitsleistungen von den Vorinstanzen nicht nur dem Erstkläger zugeordnet wurden, liegt ein Verstoß gegen die Bindungswirkung vor. Die Anmeldung des Erstklägers im IESG‑Verfahren hat auch die Pauschale beinhaltet. Ihm gegenüber kann daher nicht von einer mangelnden Aufschlüsselung des geltend gemachten Betrags ausgegangen werden. Allerdings will er den aus der Pauschale resultierenden Sicherungsbetrag für sich auf 1.600 EUR begrenzt wissen.
6. Die Kosten für den Fortsetzungsantrag im Vorverfahren (ON 25) wurden dem Erstkläger mangels Kostenentscheidung nicht zugesprochen. Er habe keinen Antrag nach § 54 Abs 2 ZPO gestellt, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen fehlten. Der Erstkläger hält dem in der Revision entgegen, dass ein Fortsetzungsantrag kein Ergänzungsantrag sei. Auch Kosten, die in einem nach § 7 IO unterbrochenen Verfahren entstünden, seien gesichert.
Die grundsätzliche Sicherungsfähigkeit der in Rede stehenden Kosten wird von den Vorinstanzen nicht in Abrede gestellt. Nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind allerdings nur rechtskräftig zugesprochene bzw festgestellte Kosten, sofern eine Kostenentscheidung bzw Kostenbestimmung im gerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, gesichert (vgl 8 ObS 9/15d). § 54 Abs 2 ZPO bezieht sich auf nachträgliche Kosten, also auf solche, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind. Im Anlassfall hätte somit ein Antrag auf nachträgliche Kostenbestimmung gestellt werden müssen, und zwar entsprechend der Beurteilung der Vorinstanzen beim Erstgericht. Entgegen der Argumentation der Kläger hat es im Vorverfahren mangels eines Berufungsverfahrens gar kein (funktionell zuständiges) Berufungsgericht gegeben. Davon abgesehen sind Kostenbestimmungsanträge gemäß § 54 Abs 2 ZPO nach der Rechtsprechung in der Regel generell von der ersten Instanz zu behandeln (RIS‑Justiz RS0036076).
7. Zur geltend gemachten slowakischen Umsatzsteuer ist darauf hinzuweisen, dass die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen nach dem IESG sondergesetzlich geregelt ist. Dementsprechend ist zwischen arbeitsrechtlicher, insolvenzrechtlicher und IESG‑rechtlicher Beurteilung streng zu unterscheiden (8 ObS 4/17x). Der Zweck des IESG besteht darin, den Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers das Risiko des sofortigen Verlusts der Entgeltansprüche, auf die sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen sind, abzunehmen. Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber bestimmte Kategorien von Ansprüchen als gesicherte Ansprüche anerkannt und in § 1 Abs 2 IESG aufgenommen. Daraus folgt, dass ein geltend gemachter Anspruch einer in § 1 Abs 2 IESG normierten Anspruchsart zugeordnet werden muss; eine Umgehung ist unzulässig (vgl 8 ObS 1/15b).
Wie die Vorinstanzen zutreffend beurteilt haben, stellt die slowakische Umsatzsteuer keinen nach dem IESG gesicherten Anspruch dar. Diese Forderung wurde daher zu Recht abgewiesen. Insoweit ist die Entscheidung der Vorinstanzen zu bestätigen.
8. Der Zuspruch der Prozesskosten aus dem Vorverfahren (7.381,52 EUR) ist von der Nichtigkeit nicht betroffen. Auch in dieser Hinsicht bleibt es bei der Entscheidung der Vorinstanzen.
9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 2 ASGG. Von der Nichtigkeit sind nur die Entscheidungen der Vorinstanzen – und nicht auch das Verfahren – betroffen.
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