European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00079.23K.0111.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.020,28 EUR (darin enthalten 503,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist seit 1985 bei der beklagten Gemeinde als Musikschullehrer beschäftigt und wurde am 23. Dezember 2022 entlassen. Obwohl der Kläger damals Personalvertreter war, hatte die Beklagte davor keine Zustimmung des Personalvertreterausschusses eingeholt. Auf das Dienstverhältnis findet das Niederösterreichische Gemeinde‑Vertragsbedienstetengesetz Anwendung.
[2] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den 23. 12. 2022 hinaus weiter fortbestehe. Er habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. Darüber hinaus sei die ohne Zustimmung des Personalvertreterausschusses erfolgte Entlassung jedenfalls unwirksam.
[3] Die beklagte Gemeinde wendet ein, dass sich der Kläger seit Jahren unangemessen verhalten habe und zum Schutz der Schülerinnen eine sofortige Entlassung erforderlich gewesen sei. Die Entlassung sei unabhängig von der Zustimmung des Personalvertreterausschusses rechtswirksam.
[4] DasErstgericht gab der Klage statt. Die Entlassung des Klägers als Personalvertreter sei nach § 22 Abs 2 NÖ GPVGnur mit Zustimmung des Personalvertreterausschusses möglich. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Entlassung eines Personalvertreters ohne Zustimmung des Personalvertreterausschusses zulässig sei.
[5] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[7] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[8] 1. Nach § 22 Abs 2 NÖ Gemeinde‑Personal-vertretungsgesetz (NÖ GPVG) darf ein Personalvertreter, soweit nicht der Kündigungsgrund der Erreichung der Altersgrenze oder der Dienstunfähigkeit vorliegt, nur mit Zustimmung des Personalvertreterausschusses, dem er angehört, gekündigt oder entlassen werden. Wird die Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen erteilt, so entscheidet nach § 22 Abs 2 NÖ GPVG das zuständige Organ nach Anhörung des Zentralausschusses über die Entlassung. Dies bedeutet, dass die Entscheidungsbefugnis über die Kündigung oder Entlassung letztlich nicht beim Personalvertreterausschuss, sondern beim zuständigen Organ der Gemeinde gelegen ist (9 ObA 82/14w). Das ist im Fall des Klägers nach § 35 Z 21 NÖ Gemeindeordnung 1973 der Gemeinderat. Der Personalvertreterausschuss kann die Entlassung eines Personalvertreters daher nicht verhindern. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass es sich bei der Beteiligung des Personalvertreterausschusses um eine bloße „Sollvorschrift“ handle, die keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Entlassung habe.
[9] 2. Die Personalvertretung hat nach § 2 NÖ GPVG die Interessen der Bediensteten zu fördern und dafür einzutreten, dass die zugunsten der Bediensteten geltenden Gesetze, Verordnungen und Verträge eingehalten werden. Auch soll die Beteiligung des Personalvertreterausschusses bei der Entlassung eines Personalvertreters sicherstellen, dass die Interessen der Belegschaft gewahrt bleiben und die Entlassung des Personalvertreters nicht zu Unrecht erfolgt (siehe allgemein RIS‑Justiz RS0111011). Es geht dabei nicht nur um das Sichtbarmachen von Interessenspositionen, sondern auch um die Aufklärung des Sachverhalts. Nicht zuletzt wird der Personalvertretung dadurch die Möglichkeit eingeräumt, den Gemeinderat davon zu überzeugen, dass die besseren Gründe für eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses sprechen.
[10] 3. Nach § 879 Abs 1 ABGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Diese Grundregel gilt sowohl für Verträge als auch für einseitige Rechtsgeschäfte (RS0016534). Die Nichtigkeit tritt freilich nur ein, wenn der Zweck des Verbots dies verlangt (RS0016417; RS0016837). Verbietet die Rechtsordnung bestimmte Rechtsgeschäfte, um die Rechtsfolge derselben zu verhindern, dann hat die Verbotswidrigkeit zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts die Folge (RS0016454). Schon weil § 22 NÖ GPVG unter der Überschrift „Besonderer Schutz der Personalvertreter“ steht, handelt es sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten der Personalvertreter, die dadurch vor einer voreiligen Kündigung oder Entlassung geschützt werden sollen. Da § 22 Abs 2 NÖ GPVG verhindern will, dass das Dienstverhältnis eines Personalvertreters ohne vorherige Befassung des Personalvertreterausschusses beendet wird, muss der Verstoß gegen diese Vorschrift zur Unwirksamkeit der Entlassung führen.
[11] 4. Soweit die Beklagte in ihrer Revision behauptet, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zur Stellungnahme des Personalvertreterausschusses mit einer Gefährdung der Schülerinnen verbunden gewesen wäre, ist ihr zu entgegnen, dass es in diesem Fall an ihr gelegen wäre, dem durch eine Suspendierung des Klägers zu begegnen. Nachdem das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Personalvertreter steht, wäre dazu nach § 23 NÖ GPVG auch keine Zustimmung des Personalvertreterausschusses erforderlich gewesen. Selbst wenn Entlassungen unverzüglich auszusprechen sind, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Entlassung nicht deshalb verspätet sein kann, weil zuerst die Zustimmung des Personalvertreterausschusses eingeholt werden musste (RS0029328 [T7, T10]).
[12] 5. Die Entlassung des Klägers ist damit mangels Zustimmung des Personalvertreterausschusses unwirksam, sodass die Revision der Beklagten erfolglos bleiben muss.
[13] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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