OGH 8ObA56/99i

OGH8ObA56/99i8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer und Dr. Langer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Stefan Schöller als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Margit G*****, 2. Maria S*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei G*****gesmbH, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 129.754,-- brutto sA und S 69.450,-- brutto sA, infolge Revisionen der erstklagenden Partei und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 1998, GZ 8 Ra 196/98z-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Mai 1998, GZ 25 Cga 16/97b-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der erstklagenden Partei wird teilweise Folge gegeben;

der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung der zweitklagenden Partei bestätigt wird, wird in Ansehung der erstklagenden Partei dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei S 125.154,-- brutto samt 4,5 % Zinsen seit 4. 1. 1997 und der zweitklagenden Partei S 69.450,-- samt 4,5 % Zinsen seit 21. 12. 1996 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der erstklagenden Partei weitere S 4.600,-- brutto samt 4,5 % Zinsen seit 4. 1. 1997 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 62.493,78 (darin S 8.489,13 USt und S 11.559,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 34.459,08 (darin S 4.529,51 USt und S 7.282,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin schloß im Sommer 1989 die Handelsschule ab und war dann bis November 1992 bei verschiedenen Unternehmen als Angestellte tätig. Am 15. 3. 1993 wurde die Erstklägerin von der Beklagten als Buchhalterin angestellt. Im Dienstvertrag wurde unter anderem die Anwendung des Gehaltsschemas laut Kollektivvertrag vereinbart, ohne daß die Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe festgelegt wurde. Als Anfangsgehalt erhielt die Erstklägerin monatlich S 10.000 brutto bei einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden. Ab März 1994 verdiente die Erstklägerin S 12.000 monatlich brutto und ab April 1995 S 13.000. Ab Juni 1996 betrug ihr monatlicher Bruttogehalt S

14.300.

Ab Beginn des Jahres 1994 absolvierte die Erstklägerin bis März 1995 einen Buchhalterlehrgang, den sie mit gutem Erfolg abschloß. Danach hatte sie bei der Beklagten Bilanzakten anzulegen, wobei sie Aufstellungen anfertigen mußte, aus denen die Zusammensetzung des Saldos des jeweiligen Klienten ersichtlich war. Ebenso machte die Erstklägerin die monatlichen Buchhaltungen und zusätzliche Abstimmarbeiten für die Prokuristin, darunter die Aufstellung und Umbuchung hinsichtlich der einzelnen Konten, damit der Jahresabschluß schneller angefertigt werden konnte. Die Tätigkeit der Erstklägerin umfaßte das Sammeln von Belegen, deren EDV-mäßige Erfassung sowie das Kontieren. Sie erstellte Saldenlisten und Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Erstklägerin besuchte sodann einen Bilanzbuchhalterlehrgang, welchen sie Ende April 1996 mit gutem Erfolg abschloß.

Die Zweitklägerin ist Maturantin und war als Lohnverrechnerin und Buchhalterin tätig. Am 15. 3. 1995 begann sie bei der Beklagten als Sekretärin und Lohnverrechnerin zu arbeiten. Es wurde ein monatliches Entgelt von S 13.000 brutto vereinbart. Über die genaue kollektivvertragliche Einstufung wurde bei Abschluß des Dienstvertrages nicht gesprochen. Ab Oktober 1995 war die Klägerin nur mehr halbtags beschäftigt und verdiente S 6.500 brutto.

Im Mai 1996 stellte die Zweitklägerin bei Durchsicht des Kollektivvertrags fest, daß ihre Entlohnung zu niedrig sei. Sie sprach darüber mit der Prokuristin der Filiale der Beklagten, die sie aufforderte, ihre und der Erstklägerin kollektivvertragliche Entlohnung herauszuschreiben, damit sie darüber mit dem Geschäftsführer sprechen könne. Dieses Gespräch fand am 29. 5. 1996 statt. Danach erhielt die Zweitklägerin ab Juni 1996 monatlich um S 350 mehr. Die Erstklägerin erhielt ab diesem Zeitpunkt statt bisher S 13.000 brutto nunmehr S 14.300 monatlich brutto.

Nach diesen Lohnerhöhungen teilten beide Klägerinnen der Prokuristin und in weiterer Folge deren Nachfolger mehrmals mit, daß sie mit dem Gehalt nicht einverstanden seien. Im Dezember 1996 fand im Betrieb der Beklagten eine Prüfung durch die Gebietskrankenkasse statt, wobei der Prüfer feststellte, daß die Entlohnung der Erst- und Zweitklägerin unterkollektivvertraglich sei. Dies teilte er den beiden Klägerinnen mit. Die Zweitklägerin erklärte daraufhin gegenüber dem Kanzleileiter der Filiale der Beklagten, daß sie die Beklagte verlassen würde, wenn ihr der Lohn nicht nachgezahlt werde. Die Erstklägerin sagte dem Kanzleileiter, daß sie ihre kollektivvertragliche Entlohnung haben möchte. Am 16. 12. 1996 fand eine Besprechung zwischen dem Kanzleileiter und dem Geschäftsführer statt. Anläßlich der Weihnachtsfeier teilte der Kanzleileiter den beiden Klägerinnen mit, daß ab 1. 1. 1997 über eine andere Einstufung gesprochen werden könne. Die Nachzahlung der Differenz auf die kollektivvertragliche Entlohnung werde nicht erfolgen.

Beide Klägerinnen waren mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden. Die Zweitklägerin erklärte am 20. 12. 1996 und die Erstklägerin am 3. 1. 1997 ihren vorzeitigen Austritt.

Der auf beide Klägerinnen anzuwendende Kollektivvertrag für Angestellte bei Wirtschaftstreuhändern definiert die Berufsgruppen II bis IV wie folgt:

"Beschäftigungsgruppe II - Tätigkeitsmerkmale:

Angestellte, die einfache buchhalterische Arbeiten oder Büroarbeiten mit und ohne Verwendung maschineller Behelfe (Schreib-, Buchungs- und Rechenmaschinen) verrichten, soweit sie nicht in eine höhere Gruppe einzureihen sind; Stenotypisten(innen), Kontoführer(innen);

Beschäftigungsgruppe III - Tätigkeitsmerkmale:

Durchführung buchhalterischer Arbeiten mit Fähigkeiten zur Erstellung einfacher Bilanzen, jedoch mit Ausnahme der Revisionstätigkeit; Stenotypisten(innen), die ihre Tätigkeit überwiegend am Bildschirm verrichten, fremdsprachige Stenotypisten(innen), Lohnbuchhalter und Lohnabrechner. Die ununterbrochene dreimonatige Verwendung für das umrissene Aufgabengebiet begründet die Einstufung;

Beschäftigungsgruppe IV - Tätigkeitsmerkmale:

Bilanzbuchhalter, diese müssen in der Lage sein, Bewertungsgrundsätze und steuerliche Erfordernisse mit Ausnahme von Spezialfragen mitzuverarbeiten. Die ununterbrochene dreimonatige Verwendung für das umrissene Aufgabengebiet begründet die Einstufung, jedoch nur dann, wenn mindestens zwei Jahre in WTH-Kanzleien ununterbrochen zugebracht wurden."

Mit ihren am 31. 1. 1997 beim Erstgericht eingelangten und in der Folge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrten die beiden Klägerinnen die jeweilige Gehaltsdifferenz auf den kollektivvertraglichen Lohn sowie Abfertigung, Kündigungs- und Urlaubsentschädigung, und zwar die Erstklägerin insgesamt S 129.754 (darin enthalten Gehaltsdifferenz für die Zeit Jänner 1994 bis Dezember 1996 von S 22.600) und die Zweitklägerin S 69.450 (darin enthalten Gehaltsdifferenz in der Zeit von März 1995 bis Dezember 1996 im Gesamtbetrag von S 30.845). Beide Klägerinnen brachten vor, sie seien unterkollektivvertraglich entlohnt worden. Weil die Beklagte die Nachzahlung der Differenzbeträge verweigert habe, sei ihr Austritt berechtigt erfolgt.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß die Meinungsverschiedenheiten über die Gehaltshöhe vergleichsweise bereinigt worden seien. Der Austritt der Klägerinnen sei ohne Nachfristsetzung überraschend und somit unberechtigt erfolgt.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren Folge. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Erstklägerin bis zur Absolvierung der Bilanzbuchhalterprüfung in der Beschäftigungsgruppe II und danach in der Gruppe III zu entlohnen gewesen sei. Die Zweitklägerin wäre von Anbeginn in die Beschäftigungsgruppe III einzustufen gewesen. Beide Klägerinnen seien unterkollektivvertraglich entlohnt worden. Die von ihnen jeweils begehrte Gehaltsdifferenz bestehe zu Recht. Beide Klägerinnen seien berechtigt ausgetreten. Eine Nachfristsetzung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Beklagte im Dezember 1996 erklärt habe, keine Nachzahlungen zu leisten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil in Ansehung der Zweitklägerin und änderte es hinsichtlich der Erstklägerin dahin ab, daß es die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 29.902,27 brutto sA schuldig erkannte, das Mehrbegehren von S 99.851,73 brutto sA hingegen abwies. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen beurteilte es die Ansprüche der Erstklägerin dahin, daß diese bereits ab Mai 1996 in die Beschäftigungsgruppe III einzustufen gewesen wäre, weil sie schon bis dahin die Buchhaltung vollständig geführt habe und durch die Ablegung der Prüfung nunmehr die Fähigkeit zur Erstellung einfacher Bilanzen hinzugetreten sei. Allerdings könne der Austritt der Erstklägerin nicht als berechtigt angesehen werden. Die keinesfalls eindeutigen Einstufungskriterien des maßgeblichen Kollektivvertrags belegten, daß der Rechtsstandpunkt der Beklagten, wonach nur eine Einstufung in der Beschäftigungsgruppe II vorzunehmen gewesen sei, nicht als unvertretbar bezeichnet werden könne. Die Erstklägerin habe es im Gegensatz zur Zweitklägerin auch unterlassen, für den Fall der Nichtbezahlung ihrer Gehaltsforderungen den Austritt anzudrohen. Auch ihr Verhalten nach Zugang der Mitteilung bei der Weihnachtsfeier, daß keine Nachzahlungen geleistet würden, lasse keine deutliche Willenserklärung erkennen. Im Zusammenhalt damit, daß die Erstklägerin noch bis 2. 1. 1996 ihre Tätigkeit bei der Beklagten fortgesetzt habe, hätte es einer eindeutigen Klarstellung durch Setzung einer Nachfrist bedurft. Bezüglich offener Gehaltsrückstände aus der Zeit vor Mai 1996 habe die Erstklägerin die unterkollektivvertragliche Entlohnung stillschweigend hingenommen und nie Gehaltsforderungen erhoben. Es stünden ihr daher die geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung, jener der Erstklägerin kommt teilweise Berechtigung zu.

Aus den Feststellungen ergibt sich, daß die Beklagte beide Klägerinnen durch mehrere Jahre hindurch unterkollektivvertraglich entlohnte. Der Anspruch auf kollektivvertragliches Entgelt ist unabdingbar. Der Arbeitnehmer, der Zahlungsrückstände durch längere Zeit hingenommen hat, verwirkt dadurch sein grundsätzliches Austrittsrecht nach § 26 Z 2 AngG nicht. Vielmehr wird durch das Vorenthalten oder die Schmälerung des Entgelts ein rechtswidriger Dauerzustand geschaffen und damit der Austrittsgrund immer wieder von neuem verwirklicht. Der Dienstgeber muß jederzeit mit der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses rechnen. Allerdings darf der Dienstnehmer, der Zahlungsrückstände ausdrücklich oder stillschweigend durch längere Zeit geduldet hat, diesen Umstand nicht zum Anlaß eines plötzlichen Austritts nehmen, also ohne vorherige Ankündigung und damit für den Dienstgeber überraschend eine weitere Zusammenarbeit ablehnen. Der Dienstnehmer muß in einem solchen Fall eine, wenn auch kurze, Nachfrist setzen und kann erst nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist mit Grund austreten (RdW 1986, 379; ArbSlg 10.471; WBl 1993, 325; 8 ObA 287/97g; ua).

Im hier zu beurteilenden Fall kann allerdings keine Rede davon sein, die Beklagte wäre durch die Austrittserklärungen der Klägerinnen ungebührlich überrascht worden. Beide Klägerinnen haben vielmehr bereits Mitte des Jahres 1996 auf ihre unterkollektivvertragliche Entlohnung hingewiesen und nach den ihnen zugestandenen Gehaltserhöhungen weiterhin darauf beharrt, mit dem Gehalt nicht einverstanden zu sein. Aufgrund dieses Verhaltens konnten die vertretungsbefugten Organe der Beklagten nicht den Eindruck erhalten, die Klägerinnen wären durch die (unzureichenden) Lohnerhöhungen zufriedengestellt. Es ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß sich die Beklagte die Kenntnisse des Leiters der Filiale, in welcher die beiden Klägerinnen tätig waren, jeweils zurechnen lassen muß, weil dieser nach der von der Beklagten gewählten Organisationsform des Unternehmens der direkte Ansprechpartner für die dort beschäftigten Personen war. Die Beanstandung der Entlohnung beider Klägerinnen durch den Prüfer der Gebietskrankenkasse führte der Beklagten vor Augen, daß offenkundig massiv in Rechte der Klägerinnen eingegriffen wurde, sodaß vom Vorliegen bloß divergierender Rechtsstandpunkte nicht mehr gesprochen werden konnte. Hätte die Beklagte tatsächlich Zweifel an der Berechtigung der Forderungen der Klägerinnen gehabt, wäre es allein ihre Sache gewesen, möglichst rasch fachmännischen Rat einzuholen. Trotz dieser Sachlage wurden die weiter aufrecht erhaltenen Gehaltsforderungen der beiden Klägerinnen anläßlich der Weihnachtsfeier nur mit dem vagen Hinweis auf zukünftige Gespräche über die Einstufung beantwortet. Die Nachzahlung der Differenzbeträge wurde abgelehnt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts mußten beide Klägerinnen angesichts dieses Verhaltens der Beklagten vor ihrer Austrittserklärung keine Nachfrist setzen, weil sich dies angesichts der strikten Ablehnung der Beklagten, die geschuldeten Differenzbeträge nachzuzahlen, als bloßer Formalismus dargestellt hätte und zudem die Beklagte nicht damit rechnen konnte, die Klägerinnen würden dem gesetzwidrigen Vorenthalten ihres Entgelts weiterhin tatenlos zusehen (vgl 8 ObA 287/97g).

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht davon gesprochen werden, die Klägerinnen hätten lediglich ihren Unmut geäußert, wodurch aber die Pflicht zum Setzen einer Nachfrist nicht beseitigt werde. Die Beklagte bezieht sich mit ihrem Vorbringen auf die Entscheidung ecolex 1991, 720, wo der in längeren Zeitabständen geäußerte Unmut über die Art der Verrechnung der Überstunden nicht als Ersatz für die Fristsetzung unter konkreter Angabe der erhobenen Forderung angesehen wurde. Im Gegensatz zu dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt haben aber die Klägerinnen mehrfach konkret Lohnzahlungen entsprechend dem Kollektivvertrag gefordert und damit alles getan, um den Dienstgeber in die Lage zu versetzen, sich mit ihren Ansprüchen konkret zu befassen.

Beide Klägerinnen sind daher wegen Schmälerung des Entgelts berechtigt vorzeitig ausgetreten, sodaß ihnen die der Höhe nach unstrittigen beendigungsabhängigen Ansprüche ebenso zustehen wie die Differenz auf den kollektivvertraglichen Lohn. Allerdings ist in diesem Zusammenhang bei den Ansprüchen der Erstklägerin zu berücksichtigen, daß nach dem Inhalt des Kollektivvertrags die Einreihung in die Beschäftigungsgruppe III neben der Durchführung buchhalterischer Arbeiten mit Fähigkeiten zur Erstellung einfacher Bilanzen die ununterbrochene dreimonatige Verwendung für das umrissene Aufgabengebiet erfordert. Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen. Dabei ist vom objektiven Inhalt der Norm auszugehen. In erster Linie ist daher der Wortsinn auch im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (9 ObA 165/94; uva). Die Wahl des Wortes "Verwendung" zeigt nach Ansicht des erkennenden Senates auf, daß nicht nur auf die tatsächliche Tätigkeit allein abzustellen ist, sondern auf die bei dieser Tätigkeit vorhandene Fähigkeit zur Bilanzerstellung. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist daher das Einstufungserfordernis bei bereits vorliegender Durchführung der Buchhaltungsarbeiten nicht schon im Zeitpunkte des Hinzutritts der geforderten Fähigkeiten aufgrund der Absolvierung des entsprechenden Kurses gegeben, sondern erst nach der daran anschließenden ununterbrochenen dreimonatigen Verwendung. Der Anspruch der Erstklägerin auf Einstufung in die Beschäftigungsgruppe III bestand daher erst ab August 1996, sodaß für die Monate Mai bis Juli 1996 nur die Differenz zu dem der Beschäftigungsgruppe II entsprechenden Kollektivvertragslohn in der Höhe von S 14.150,-

brutto zuzusprechen war.

Der Revision der Beklagten ist ein Erfolg zu versagen, der Revision der Erstklägerin hingegen teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Zweitklägerin auf §§ 50, 41 ZPO, hinsichtlich der Erstklägerin auf §§ 50, 43 Abs 2 ZPO. Die Erstklägerin ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruches, dessen Geltendmachung besondere Kosten nicht veranlaßt hat, unterlegen, weshalb ihr Ersatzanspruch nicht zu kürzen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte