OGH 8ObA37/16y

OGH8ObA37/16y28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Mag. Regina Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** H*****, vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Krückl Lichtl Huber Eilmsteiner in Linz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde E*****, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Anfechtung einer Vereinbarung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. März 2016, GZ 11 Ra 18/16w‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00037.16Y.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

2.1 Die Beklagte steht vor allem auf dem Standpunkt, das Berufungsgericht sei vom festgestellten Sachverhalt abgewichen und habe etwas anderes beurteilt, als vom Erstgericht festgestellt worden sei. In diesem Sinn habe das Berufungsgericht über die Unwirksamkeit der Auflösungsvereinbarung (wegen angeblich fehlender Kompetenz des Stadtamtsdirektors) sowie über einen Entlassungsgrund entschieden.

Mit diesem Vorwurf ist die Beklagte nicht im Recht.

2.2 Die Überlegungen zur Kompetenz des Stadtamtsdirektors (im Zusammenhang mit den §§ 56 und 60 OÖ GemO) bezieht das Berufungsgericht allein auf den Umstand, dass der Klägerin die von ihr gewünschte Bedenkzeit im Ausmaß von einem Tag nicht eingeräumt wurde. Der Stadtamtsdirektor habe dieses Ersuchen der Klägerin mit dem Hinweis abgelehnt, dass er eine Entlassung schnell aussprechen müsse. Eine solche Kompetenz sei dem Stadtamtsdirektor aber nicht zugekommen. Daraus hat das Berufungsgericht den Schluss gezogen, dass ein zusätzlicher Druck für die Klägerin darin bestanden habe, dass sie schnell entscheiden musste, obwohl die Entlassung vom Stadtamtsdirektor gar nicht sofort hätte ausgesprochen werden können.

3. Nach den Feststellungen hat der Stadtamtsdirektor mit Rücksprache des Bürgermeisters die Klägerin (im April 2015) zu einem Gespräch gebeten. Auf § 37 Abs 2 letzter Satz OÖ GemO kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sich die Rücksprache mit dem Bürgermeister (selbst wenn der Bürgermeister im Sinn der Notkompetenz nach § 60 OÖ GemO zum Ausspruch einer Entlassung berechtigt gewesen sein sollte) nicht einmal auf den Ausspruch der Entlassung bezogen hat. Außerdem betrifft der Ausspruch einer Entlassung nicht die Leitung des inneren Dienstes oder die Dienstaufsicht. Auch darauf, dass die Auflösungsvereinbarung unterhalb der Unterschrift des Stadtamtsdirektors vom Bürgermeister unterfertigt worden sei, kann sich die Beklagte nicht stützen, weil eine Auflösungsvereinbarung keine Entlassung darstellt und für die einvernehmliche Auflösung eine Notkompetenz des Bürgermeisters nicht bestehen würde.

4.1 Zur Ausübung eines ungerechtfertigten Drucks auf den Dienstnehmer zum Abschluss einer Auflösungsvereinbarung ist das Berufungsgericht von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Schließt der Dienstnehmer unter dem Eindruck der Ankündigung des Dienstgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es in dieser Hinsicht darauf an, ob für den Dienstgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausibel und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Entscheidend ist, ob der Dienstgeber den Dienstnehmer zu einer einvernehmlichen Auflösung drängen will, weil er von seiner Rechtsposition nicht überzeugt ist (vgl RIS‑Justiz RS0014878). Dazu kommt die Obliegenheit des Dienstgebers, vor dem Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob sich der Dienstnehmer tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat. Dementsprechend hat er zumindest zu versuchen, den Sachverhalt unter Beiziehung des Dienstnehmers aufzuklären.

Die Beurteilung, ob nach diesen Grundsätzen für den Dienstnehmer eine Drucksituation bestanden hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum im Anlassfall nicht überschritten.

4.2 Nach den Feststellungen wurde der Krankenstand der Klägerin (wegen eines grippalen Infekts) am 8. 4. 2015 verlängert; sie war vor allem in der Vorwoche krank. Die gesundheitliche Belastung für die Klägerin aufgrund der beiden Malkurse, die sie am 8. 4. 2015 zuhause abgehalten hatte, wurde von der Beklagten nicht geprüft. Bei dem Gespräch über die Auflösung des Dienstverhältnisses wurde der Klägerin gegenüber erklärt, dass ihr Verhalten eine Entlassung rechtfertige; auch von Nachteilen bei der Arbeitssuche war die Rede. Entscheidend kommt hinzu, dass der Klägerin die von ihr gewünschte Bedenkzeit von einem Tag ohne sachlichen Grund nicht gewährt wurde, zumal eine Entlassung vom Stadtamtsdirektor nicht wirksam hätte ausgesprochen werden können und daher eine Befassung zumindest des Bürgermeisters erforderlich gewesen wäre. Davon ausgehend hält sich die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, wonach die Androhung der Entlassung – ohne Aufklärung der gesundheitlichen Belastungen durch die beiden Malkurse und der möglichen Auswirkungen auf den Heilungsprozess, wobei sich die Krankenstandsdauer laut Krankmeldung nicht verlängert habe – über das erlaubte Maß hinausgegangen sei, im Rahmen der Rechtsprechung.

5. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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