European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00030.24F.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war bei der Beklagten als Kindergartenpädagogin und Leiterin einer Kindertagesstätte angestellt. Nachdem bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft Beschwerden über das Verhalten der Klägerin gegenüber den Kindern eingegangen waren, konfrontierte die Beklagte die Klägerin mit diesen Vorwürfen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie das Dienstverhältnis jedenfalls auflösen wolle und dass ein Entlassungsgrund vorliegen würde, wenn sich herausstellen sollte, dass die Anschuldigungen wahr seien. Die Klägerin stimmte daraufhin einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu.
[2] Die Vorinstanzen haben die auf Aufhebung der einvernehmlichen Auflösung und Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[4] 1. Schließt der Arbeitnehmer unter dem Eindruck der Ankündigung des Arbeitgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es darauf an, ob für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Ist dies der Fall, kann sich der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei auf ihn ungerechtfertigter Druck ausgeübt worden (RS0014878 [T5]). Ist der Arbeitgeber aber von der Haltbarkeit seiner Rechtsposition nicht überzeugt und will er den Arbeitnehmer gerade deswegen zur einvernehmlichen Auflösung drängen, ist die Auflösungsvereinbarung schon aus diesem Grund nach § 870 ABGB anfechtbar (RS0014878 [T7, T9]). Dabei kommt es auf den Wissensstand des Arbeitgebers ex ante und nicht darauf an, ob seine Ansicht auch ex post von den Gerichten nach Durchführung eines förmlichen Beweisverfahrens bestätigt wird (RS0014878 [T8, T9]). Dass sich der Arbeitgeber nicht sicher war, ob die Gerichte einen Entlassungsgrund bejahen werden, schadet nicht, wenn er dies annahm und bei objektiver Betrachtung auch mit guten Gründen annehmen durfte (8 ObA 72/23f).
[5] 2. Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte die erhobenen Anschuldigungen nicht überprüft und ihr auch keine Möglichkeit eingeräumt habe, die Vorwürfe zu entkräften, sodass die Beklagte noch gar wissen habe können, ob tatsächlich ein Entlassungsgrund vorliege. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beklagte die Entlassung ohnehin nur für den Fall androhte, dass sich die Anschuldigungen als wahr herausstellen. Da die Beklagte eine allfällige Entlassung damit vom Ergebnis weiterer Erhebungen abhängig machte, hat sie auch nicht gegen ihre Obliegenheit verstoßen, vor dem Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob tatsächlich ein pflichtwidriges Verhalten der Klägerin vorliegt (siehe 8 ObA 37/16y).
[6] 3. Ob der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, dass die Voraussetzungen einer Entlassung vorliegen, kann nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RS0014878 [T6]). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits zu 8 ObA 94/20m ausgesprochen, dass sich der Arbeitgeber uneingeschränkt darauf verlassen können muss, dass die Betreuung und Fürsorge der bei ihm untergebrachten Kinder mit allen sich daraus ergebenden Verpflichtungen gewährleistet ist. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagte vom Vorliegen eines Entlassungsgrundes ausgehen durfte, wenn sich die gegen die Klägerin erhobenen Anschuldigungen als wahr herausstellen, ist damit von der bisherigen Rechtsprechung gedeckt.
[7] 3. Die außerordentliche Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.
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