OGH 8ObA124/99i

OGH8ObA124/99i27.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Braun und Gerhard Gotschy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl P*****, Elektroinstallateur, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josef K*****, Elektrounternehmer, *****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 158.182,43 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Februar 1999, GZ 8 Ra 246/98b-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Juni 1998, GZ 34 Cga 14/97h-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1. 2. 1988 beim Beklagten als Elektroinstallateur beschäftigt. Sein Lohn betrug zuletzt S 20.466,- brutto monatlich.

Mit der Behauptung, er sei mit einem ihm am 14. 10. 1996 zugekommenen Schreiben des Beklagten vom 11. 10. 1996 unberechtigt entlassen worden, begehrte der Kläger vom Beklagten S 158.182,43 brutto sA (aliquote Sonderzahlungen für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 14. 10. 1996 von S 16.593,- brutto, Abfertigung von S 78.802,20 brutto, Kündigungsentschädigung von S 54.597,37 brutto und Urlaubsentschädigung für 20 Arbeitstage von S 8.189,86 brutto).

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe den Kläger mehrmals mündlich und einmal schriftlich ermahnt, weil dieser die für die Fakturierung erforderlichen täglichen Bauberichte nicht vollständig und rechtzeitig erstellt habe. Trotzdem habe der Kläger am Freitag, dem 4. 10. 1996 abermals einen mangelhaften Baubericht abgeliefert, der von den zuständigen Mitarbeitern nicht bearbeitet habe werden können. Vom Beklagten darauf angesprochen, habe der Kläger den Betrieb fluchtartig verlassen, obwohl ihn der Beklagte darauf hingewiesen habe, daß dies einen Entlassungsgrund darstellen werde. Im Zuge der Ablieferung des Bauberichtes habe der Kläger das Ersuchen des Mitarbeiters K*****, den Bericht zu ergänzen, mit der Frage abgetan, ob K***** besoffen sei. Diese Umstände hätten zur mit Schreiben vom 11. 10. 1996 ausgesprochenen Entlassung geführt. Da der Kläger am 7. 10. 1996 von seiner Gattin krank gemeldet worden sei und der Beklagte erst an diesem Tag von der Beleidigung K*****s erfahren habe, sei die Entlassung rechtzeitig.

Der Kläger bestritt sowohl die ihm vorgeworfene Beleidigung K*****s als auch die Behauptung, er habe mangelhafte Bauberichte gelegt und sei deshalb verwarnt worden. Außerdem sei die Entlassung verspätet erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger hatte Bauberichte zu erstellen, die eine wesentliche Grundlage für die Fakturierung darstellten. Wegen der Ausfertigung dieser Bauberichte wurde der Kläger vom Beklagten hin und wieder beanstandet. Der Kläger gab die üblicherweise täglich abzugebenden Bauberichte manchmal - nämlich wenn es am Abend dazu keine Möglichkeit gab - erst am Morgen des nächsten Tages ab. Eine ihm am 29. 9. 1996 zur Unterschrift vorgelegte schriftliche Verwarnung wegen verspäteter Abgabe der Bauberichte wurde vom Kläger zwar entgegengenommen, aber nicht unterfertigt.

Nachdem der Kläger am 4. 10. 1996 seine Arbeit auf einer Baustelle beendet hatte, fuhr er - in Entsprechung einer Aufforderung, Fragen bezüglich der Bauberichte zu besprechen - nach dem Ende der Normalarbeitszeit ins Büro des Beklagten und suchte den Mitarbeiter K***** auf. Zu einer genauen Besprechung der Bauberichte kam es aber nicht. Der Kläger verließ das Büro, ohne mit K***** gestritten zu haben und fuhr mit seiner im Auto sitzenden Tochter nach Hause. Am 7. 10. 1996 teilte die Gattin des Klägers telefonisch mit, daß dieser krank sei.

Die Gattin des Beklagten rief zwischen 7. und 10. 10. 1996 mehrmals den Steuerberater des Beklagten an und informierte ihn über die Ereignisse vom 4. 10. 1996. Über dessen Instruktion verfaßte der Beklagte am 11. 10. 1996 ein Entlassungsschreiben, in dem der "hiermit" erfolgende Ausspruch der Entlassung damit begründet wurde, daß der Kläger trotz Ermahnungen und Verwarnung am 4. 10. 1996 neuerlich einen mangelhaften Baubericht abgeliefert und außerdem das Ersuchen K*****s um Ergänzung des Berichtes mit der Frage, ob er besoffen sei, beantwortet habe. Der Beklagte rechnete damit, daß der Kläger dieses Schreiben am 14. 10. 1996 erhalten werde und meldete ihn mit diesem Tag bei der Gebietskrankenkasse ab. Der Kläger hat das Entlassungsschreiben tatsächlich am 14. 10. 1996 erhalten. Daß der Beklagte bereits am 4. 10. 1996 mündlich die Entlassung ausgesprochen habe, wurde nicht als erwiesen angenommen.

Auf dieser Grundlage vertrat das Erstgericht die Rechtsauffassung, daß die erst eine Woche nach dem Vorfall vom 4. 10. 1996 ausgesprochene Entlassung verspätet sei. Die ihm angelastete Ehrenbeleidigung habe der Kläger nicht begangen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Beklagte am 4. 10. 1996 keine Entlassungserklärung abgegeben habe. Damit sei aber die mit Schreiben vom 11. 10. 1996 ausgesprochene Entlassung verspätet, weil kein Grund ersichtlich sei, der das einwöchige Zögern des Beklagten rechtfertigen könne. Eine grobe Ehrenbeleidigung iS § 82 lit g GewO bzw. iS § 27 Z 6 AngG sei in der dem Kläger vorgeworfenen Beleidigung K*****s nicht zu erblicken. K*****s Reaktion zeige, daß er die Äußerung des Klägers nicht als gravierend empfunden habe. Dieser Äußerung fehle es daher an der zur Verwirklichung des Entlassungsgrundes erforderlichen Erheblichkeit. Ein Eingehen auf die in der Berufung enthaltene Tatsachenrüge des Beklagten sei daher nicht erforderlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die vom Revisionswerber bekämpfte Rechtsmeinung der Vorinstanzen, die Entlassung sei verspätet erfolgt, braucht nicht überprüft zu werden, weil die Entlassung sowohl aufgrund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes als auch aufgrund der vom Beklagten selbst in seiner Berufung in der Tatsachenrüge geforderten Feststellungen nicht berechtigt ist.

Der Beklagte begründet die von ihm ausgesprochene Entlassung zum einen mit dem Vorwurf einer beharrlichen Pflichtenvernachlässigung iS des § 82 lit f GewO 1859, 2. Tatbestand, zum anderen mit dem Vorwurf einer groben Ehrenbeleidigung iS des § 82 lit g GewO 1859, 2. Tatbestand.

Der Entlassungsgrund des § 82 lit f 2. Tatbestand GewO liegt vor, wenn der Arbeiter seine Pflichten beharrlich vernachlässigt. Der Tatbestand umfaßt jegliche Vernachlässigung der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Pflichten, insbesondere auch den Verstoß gegen Weisungen des Dienstgebers. Die Dienstverweigerung muß beharrlich erfolgen. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des Verhaltens zu verstehen. Die Beharrlichkeit kann sich aus der wiederholten Ereignung von Verstößen oder der besonderen Intensität eines Verstoßes ergeben. Die beharrliche Weigerung setzt grundsätzlich ein Zuwiderhandeln nach vorangegangener Ermahnung voraus. Eine Ermahnung ist aber dann nicht erforderlich, wenn bereits ein einmaliger Verstoß so schwerwiegend und kraß ist, daß der Dienstnehmer auch ohne Ermahnung diesen Charakter erkennen kann, so daß die Nachhaltigkeit und Unnachgiebigkeit seines auf die Pflichtverletzung gerichteten Verhaltens, also die Beharrlichkeit, offen zu Tage treten. (Arb 11.281 uva).

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist dieser Entlassungsgrund nicht verwirklicht, weil darin - abgesehen von der für sich allein bedeutungslosen Feststellung, daß der Kläger "hin und wieder" "hinsichtlich der Ausfertigung" der Bauberichte "beanstandet" wurde - jeder Hinweis auf die Richtigkeit der vom Beklagten gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe fehlt. Zwar ist auch davon die Rede, daß der Kläger die Bauberichte "manchmal erst am nächsten Tag in der Früh" abgab, allerdings - wie ausdrücklich festgestellt wurde - nur dann, "wenn es am Vorabend dazu keine Möglichkeit mehr gegeben hatte".

Richtig ist allerdings, daß der Beklagte die Feststellungen des Erstgerichtes bekämpft hat und daß das Berufungsgericht im Hinblick auf seine Rechtsauffassung, die Entlassung sei verspätet, den Großteil der Tatsachenrüge nicht erledigte. Dies ist aber im Ergebnis ohne Bedeutung, weil auch die vom Beklagten in seiner Berufung zum behaupteten Fehlverhalten des Klägers geforderten Feststellungen die Entlassung nicht rechtfertigen können. Die vom Beklagten begehrten Feststellungen, wonach der Kläger "öfters überhaupt keine" oder nur "mangelhaft ausgefüllte" Bauberichte abgegeben habe, mehrmals mündlich zur rechtzeitigen und vollständigen Abgabe der Bauberichte ermahnt und schließlich mit Beil ./1 schriftlich verwarnt worden sei, betreffen Vorfälle in der Vergangenheit, die - mit Ausnahme der Beil ./1, die aber nur verspätete Berichte zum Gegenstand hat - zeitlich nicht zuordenbar sind und auch nicht unmittelbarer Anlaß der Entlassung waren. Dieser Anlaß liegt nach dem Vorbringen des Beklagten im Verhalten des Klägers am 4. 10. 1996. Den dazu vom Beklagte in seiner Berufung begehrten Feststellungen ist allerdings nur zu entnehmen, daß der Mitarbeiter K*****, dem einige Punkte (betreffend den "Verbleib bzw. Verbrauch" von Material) in der Abrechnung der Baustelle unklar gewesen seien, den Kläger auf seine bezughabenden Berichte angesprochen habe und mit ihm die Sache durchgehen habe wollen. Dies habe der Kläger mit der Frage, ob er (K*****) angesoffen sei, abgelehnt. Auch als ihn nach dem Verlassen des Büros der Beklagte gefragt habe, was los sei, und ihm gesagt habe, die Sache müsse abgerechnet werden; wenn er jetzt gehe, sei dies ein Entlassungsgrund, habe er seine Weigerung nicht aufgegeben.

Ein relevanter Verstoß gegen die Weisungen des Beklagten bezüglich der Verfassung der Bauberichte kann daraus nicht abgeleitet werden, zumal eine Unklarheit in der Abrechnung nicht zwangsläufig bedeutet, daß der Kläger einen mangelhaften Bericht gelegt haben muß. Konkrete Hinweise auf ein in diesem Sinne pflichtwidriges Verhalten des Klägers sind den begehrten Feststellungen nicht zu entnehmen.

Daß der Kläger das Ansinnen K*****s, die Sache durchzugehen, abgelehnt habe und sich auch durch den Beklagten nicht von diesem Verhalten abbringen habe lassen - zur in diesem Zusammenhang behaupteten Ehrenbeleidigung wird unten Stellung genommen - kann die Entlassung ebenfalls nicht rechtfertigen. Es steht nämlich unbekämpft fest, daß sich dieser Vorfall schon nach dem Ende der Normalarbeitszeit des (von seiner Tochter im Auto erwarteten) Klägers ereignete. Vom Kläger wurde also die Leistung von Überstunden verlangt (§ 6 Abs 1 AZG). Eine Pflicht des Klägers, über die normale Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen zu erbringen, besteht aber nur im Falle einer Grundlage in Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung bzw. Kollektivvertrag oder - auf Grund der Treuepflicht - bei einem Betriebsnotstand iS des § 20 AZG oder sonst in außergewöhnlichen Fällen, nicht aber schon bei jeder betrieblichen Notwendigkeit oder Terminarbeit (Arb 11.112; WBl 1998, 500, RIS-Justiz RS0051419;). Keine dieser Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Klägers zur Überstundenleistung wurde hier geltend gemacht. Damit wurde aber durch die Weigerung, die einseitig angeordnete(n) Überstunde(n) zu leisten, kein Entlassungsgrund verwirklicht (SZ 68/224; Ris-Justiz RS0051491).

Den Entlassungsgrund der groben Ehrenbeleidigung iS des § 82 lit g GewO, 1. Tatbestand, erachtete bereits das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung auch auf der Grundlage der vom Beklagten gewünschten Feststellungen als nicht verwirklicht. Die entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, die im übrigen in der Revision mit keinem Wort in Frage gestellt werden, sind richtig. Insofern reicht es aus, auf die Richtigkeit der Begründung der zweiten Instanz zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist darauf zu verweisen, daß nicht einmal behauptet wurde, daß es sich beim Mitarbeiter K***** um einen Vorgesetzten des Klägers handelte. Zwar ist die dem Kläger angelastete Bemerkung auch gegenüber einem nicht übergeordneten Arbeitskollegen nicht zu billigen; im Hinblick auf die schon vom Berufungsgericht hervorgehobene Reaktion des Arbeitskollegen, die den Schluß rechtfertigt, er habe die Äußerung des Klägers nicht als ehrverletzend empfunden, wird dadurch aber der Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung noch nicht verwirklicht.

Da somit die Entlassung des Klägers weder durch die vom Erstgericht getroffenen noch durch die vom Beklagten in der Berufung geforderten Feststellungen gerechtfertigt wird, erweisen sich die dem Klagebegehren stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis als zutreffend.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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