Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Bei einem Unfall am 11. 6. 2011 wurde das Leasingfahrzeug des Klägers, der zunächst Fahrerflucht begangen hatte, beschädigt. Für das Fahrzeug bestand eine Kaskoversicherung. Der Kläger brachte das Fahrzeug zur Beklagten, die eine Reparaturwerkstätte betreibt. Dort wurde besprochen, dass mit der Reparatur zugewartet werden müsse, bis der Sachverständige der Versicherung das Fahrzeug besichtigt habe. Nach Besichtigung durch den Sachverständigen setzte die Beklagte das Fahrzeug instand. Da der Kläger die Bezahlung der Reparaturkosten in Höhe von 4.764,89 EUR ablehnte, verweigerte die Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs.
Der Kläger begehrte die Herausgabe des Fahrzeugs. Er sei als dessen wirtschaftlicher Eigentümer, Zulassungsbesitzer und Halter zu qualifizieren. Bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte habe er klargestellt, dass eine Reparatur nur dann zu erfolgen habe, wenn die Versicherung die Kostenhaftung übernehme. Obwohl keine Reparaturfreigabe durch die Versicherung erfolgt sei, habe die Beklagte die Instandsetzung des Fahrzeugs durchgeführt. Er habe keinen Reparaturauftrag erteilt. Dessen ungeachtet verweigere die Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs, solange nicht die gesamten Reparaturkosten bezahlt würden.
Die Beklagte entgegnete, der Kläger habe nicht darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug nur dann repariert werden dürfe, wenn die Kaskoversicherung die Kosten übernehme. Er habe nur die Kontaktdaten der Versicherung bekannt gegeben und eine Abtretungserklärung unterfertigt. Darin habe er bestätigt, für die Bezahlung der Reparaturkosten gegenüber der Werkstatt in vollem Umfang zu haften.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte könne sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht stützen, weil der Kläger weder schriftlich noch mündlich einen Reparaturauftrag erteilt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den Feststellungen habe der Kläger der Beklagten einen schlüssigen Reparaturauftrag erteilt. Eine uneingeschränkte Rückgabeerwartung sei dem Kläger nicht zuzubilligen, weshalb ein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts iSd § 1440 ABGB außer Betracht zu bleiben habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Vorliegens eines schlüssigen Vertragsabschlusses bei fehlender Reparaturfreigabe durch eine beteiligte Versicherung eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheine.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragte die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1.1 Der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf eine konkrete Willenserklärung kommt regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0043253 [T2]). Dementsprechend wird die Frage, ob der Eigentümer oder Verfügungsberechtigte (hier Leasingnehmer) eines Fahrzeugs einen Reparaturauftrag schlüssig erteilt hat, vom konkreten Erklärungsverhalten bestimmt. Eine fehlende Reparaturfreigabe durch einen Versicherer kann nur in diesem Rahmen Berücksichtigung finden. Die Frage nach den Auswirkungen einer fehlenden Reparaturfreigabe auf einen konkludenten Vertragsabschluss kann daher nicht abstrakt beantwortet werden.
1.2 Eine stillschweigende Erklärung kann in einer positiven Handlung oder in einem Unterlassen bestehen. Die Handlung oder Unterlassung muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, abändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0109021). Nach der Vertrauenstheorie ist nicht der Wille des Erklärenden, sondern das Verständnis des Erklärungsempfängers maßgeblich, wenn er die Erklärung so verstanden hat, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger verstehen durfte. Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, der dem Erklärungsverhalten und den Begleitumständen beizumessen ist.
Wenn ein Fahrzeughalter (Eigentümer oder Verfügungsberechtigter) sein Fahrzeug unter Hinweis auf eine Beschädigung dem Inhaber einer Reparaturwerkstätte übergibt, so ist dies im Allgemeinen als Überlassung zur Reparatur und damit als unbedingter, schlüssiger Reparaturauftrag zu qualifizieren. In einem solchen Fall ist der Fahrzeughalter nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Werkstätteninhaber in eindeutiger Weise darauf aufmerksam zu machen, dass der Auftrag nur im Fall einer Kostenübernahme durch einen Dritten erteilt wird (vgl 6 Ob 2204/96b).
1.3 Zwischen dem Kläger und dem Vertreter der Beklagten war besprochen, dass mit der Reparatur bis zur Besichtigung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen des Versicherers zugewartet werden müsse. In dieser Situation erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe berechtigt von einem Reparaturauftrag durch den Kläger nach Besichtigung durch den Sachverständigen ausgehen dürfen, als nicht korrekturbedürftig. Nach den Feststellungen wurde der Kläger in der Abtretungserklärung zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die Bezahlung der Reparaturkosten in vollem Umfang haftbar ist. Ein vom Kläger der Beklagten unterstellter Pflichtenverstoß liegt bei dieser Sachlage nicht vor.
2.1 Das Retentionsrecht (hier) nach § 471 ABGB setzt einen Rechtsanspruch auf Aufwandsersatz voraus, der auf einer Vereinbarung oder auch auf einem tatsächlich gemachten Aufwand für ein Kraftfahrzeug beruhen kann. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn nicht der Eigentümer des Fahrzeugs als Werkbesteller auftritt, sondern ein Dritter, der über das Fahrzeug verfügungsbefugt ist (6 Ob 213/08d).
2.2 Nach § 1440 ABGB sind allerdings (unter anderem) in Verwahrung genommene Stücke kein Gegenstand der Zurückbehaltung, weshalb der Verwahrer die Zurückstellung der verwahrten Sache nicht unter Berufung auf ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht verweigern darf (RIS-Justiz RS0011489). Durch diese Bestimmung soll ein Missbrauch des Retentionsrechts verhindert werden.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt § 1440 ABGB zwar nicht nur dann zur Anwendung, wenn ein Verwahrungsvertrag abgeschlossen wurde, sondern auch dann, wenn sich eine Verwahrungspflicht nur als Nebenpflicht aus dem Vertrag ergibt (RIS-Justiz RS0011514). Dies gilt etwa auch für das Vertragsverhältnis zwischen dem Halter eines Kraftfahrzeugs und dem Inhaber einer Reparaturwerkstätte (RIS-Justiz RS0019378). Ist die Verwahrungspflicht nur eine Nebenpflicht, so beschränken Lehre und Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 1440 ABGB, also den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts, allerdings auf jene Fälle, in denen von vornherein keine Ansprüche des Rückgabeschuldners aus dem Rechtsverhältnis zu erwarten sind, also eine uneingeschränkte Rückgabeerwartung des Gläubigers besteht.
§ 1440 ABGB bleibt also überall dort außer Betracht, wo von vornherein Ansprüche des Rückgabeschuldners aus dem Rechtsverhältnis, aus dem die Rückgabepflicht resultiert, zu erwarten waren. Da der Halter eines Kraftfahrzeugs, der dieses zur Reparatur in eine Werkstätte bringt, nicht von vornherein davon ausgehen kann, aus diesem Rechtsverhältnis keinen Ansprüchen ausgesetzt zu sein, mangelt es ihm an einer uneingeschränkten Rückgabeerwartung (6 Ob 213/08d).
2.3 Das Berufungsgericht ist auch in dieser Hinsicht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Beurteilung, dass dem Kläger keine uneingeschränkte Rückgabeerwartung zuzubilligen sei und sich die Beklagte daher auf das Zurückbehaltungsrecht berufen könne, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Dem Rückforderungsbegehren des Klägers steht somit das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten aufgrund des vom Kläger schlüssig erteilten Reparaturauftrags entgegen.
3. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen. Sie hat allerdings den Einheitssatz überhöht verzeichnet.
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