OGH 8Ob94/11y

OGH8Ob94/11y24.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Ingrid Schaffernack, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Mai 2011, GZ 38 R 28/11s-58, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:E98968

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RIS‑Justiz RS0070303; RS0067678). Dieser Kündigungstatbestand schützt das wichtige Interesse des Vermieters, in seinem Haus Ruhe und Ordnung zu halten (RIS‑Justiz RS0067596). Grundsätzlich ist auf das Gesamtverhalten Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0067519).

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt nicht voraus, dass das Verhalten dem Störer subjektiv vorwerfbar ist (RIS-Justiz RS0020957 [T8], RS0070243). Beruht ein unleidliches Verhalten auf einer geistigen Erkrankung, ist nur ein weniger strenger Maßstab anzulegen und eine Abwägung der Interessen der beeinträchtigten Mitbewohner und des Gekündigten vorzunehmen (RIS-Justiz RS0067733 [T4]).

Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Mieters oder seiner Mitbewohner den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG verwirklicht hat, ist immer einzelfallbezogen und könnte die Zulässigkeit einer Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann begründen, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0042790).

Nach dem im Revisionsverfahren nicht mehr zu überprüfenden Sachverhalt verursacht die Beklagte nicht nur regelmäßig störenden Lärm, sondern hat Mitbewohner und Mitarbeiter der Vermieterin wiederholt massiv beschimpft, verfolgt, belästigt, bedroht, eingeschüchtert (Aufstellen von Grablichtern) und teilweise auch körperlich angegriffen. Sie hat im Haus Unruhe und Angst verbreitet.

Ausgehend von diesem Sachverhalt ist die Entscheidung der Vorinstanzen auch unter Berücksichtigung der nicht in Abrede zu stellenden Interessen der an Schizophrenie leidenden Beklagten an der Wohnung jedenfalls vertretbar.

Eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit aufzugreifende Fehlbeurteilung kann unter den festgestellten Umständen nicht erblickt werden.

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