OGH 8Ob88/17z

OGH8Ob88/17z24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* P*, vertreten durch Dr. Martin Kloser, Rechtsanwalt in Hard, gegen die beklagte Partei W* P*, vertreten durch MMMag. Dr. Susanne Manhart, LL.M., Rechtsanwältin in Bregenz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 15. September 2015, GZ 3 R 256/15t‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119185

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat gemäß § 502 Abs 1 ZPO nur Rechtsfragen des materiellen oder des Verfahrensrechts zu lösen, von denen die Entscheidung abhängt und denen zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Die Beurteilung, ob dem Scheidungsbeklagten aufgrund des festgestellten Sachverhalts schwere Eheverfehlungen vorzuwerfen sind und ob die Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, ist ebenso von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig wie die Gewichtung eines allfälligen Mitverschuldens der klagenden Partei (RIS-Justiz RS0119414 [T2]; RS0043432 [T6]). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

Diese Voraussetzungen vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

1. Die Verletzung der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen, insbesondere durch nicht gerechtfertigtes Aufheben der ehelichen Gemeinschaft, ist grundsätzlich eine Eheverfehlung (2 Ob 170/98h ua). Das Verschulden des Verlassenden kann aber ausgeschlossen sein, wenn das Verlassen der Ehewohnung eine entschuldbare Reaktionshandlung auf schwerwiegende Eheverfehlungen des Partners darstellt. Diese Ausnahme haben die Vorinstanzen hier aufgrund des Verhaltens des Beklagten, insbesondere die ihm vorzuwerfende beharrliche und unzumutbare Vermüllung der ehelichen Wohnung, zumindest vertretbar bejaht.

2. Soweit die Revision geltend macht, dass der Beklagte an der Ehe festhalten habe wollen, weshalb diese nicht unheilbar zerrüttet sei und die Klage abzuweisen gewesen wäre, verwechselt sie die subjektive mit der objektiven Zerrüttung (vgl 4 Ob 1621/95). Bei der rechtlichen Beurteilung, ob eine Ehe objektiv als unheilbar zerrüttet anzusehen ist, handelt es sich um eine vom Gericht aus objektiver Sicht zu treffende Prognose darüber, ob die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft noch im Bereich des Möglichen liegt. Das Ergebnis der Vorinstanzen ist nicht unvertretbar. Das dem Tatsachenbereich zuzuordnende subjektive Empfinden des Beklagten war für diese Beurteilung nicht entscheidend, sondern nur eines von mehreren Kriterien (vgl RIS-Justiz RS0043423; RS0056986; RS0043432).

3. Gemäß § 57 Abs 1 EheG erlischt das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebt. Eine Verfristung der Eheverfehlungen des Beklagten wurde von den Vorinstanzen aber schon deshalb ohne Rechtsirrtum verneint, weil er sein partnerschaftswidriges Verhalten bis zuletzt nicht eingesehen und eingestellt hat, sondern sowohl die lieb- und interesselose Behandlung der Klägerin als auch die zunehmende Vermüllung und Verwahrlosung des ehelichen Wohnhauses einen Dauerzustand darstellten. Fortgesetztes ehewidriges Verhalten ist als Einheit aufzufassen, sodass der Fristablauf auf die letzte Handlung abzustellen ist (RIS-Justiz RS0057240; siehe auch RS0107286; 8 Ob 102/13b).

4. Soweit der Revisionswerber bemängelt, dass die Vorinstanzen nicht berücksichtigt hätten, dass die Klägerin in den Jahren 2012 und 2013 alleine in Spanien und auf Kreta geurlaubt habe, verstößt er gegen das Neuerungsverbot. Er hat in erster Instanz nie behauptet, dass er mit diesen Urlauben der Klägerin nicht einverstanden gewesen sei.

Entgegen den Revisionsausführungen haben die Tatsacheninstanzen – wenn auch in knapper Form – Feststellungen über die Umstände des Auszugs der Klägerin aus der Ehewohnung und ihre Beweggründe für die Übersiedlung nach Spanien getroffen. Der Umstand, dass der Beklagte nicht mitkommen und nicht in Spanien leben wollte, war zu keinem Zeitpunkt strittig.

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