Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren nach Ing. Ludwig B*** haben dessen Witwe Berta B*** sowie dessen beide Kinder Ludwig H***-P***-B*** und Alexander B*** bedingte Erbserklärungen zu je einem Drittel des Nachlaßvermögens abgegeben. Die Liegenschaft EZ 107 KG Wolfgangthal hat der Erblasser durch letztwillige Verfügung seinem Enkel Philipp H***-P***-B*** hinterlassen und angeordnet, daß der Witwe des Erblassers, nach deren Tod seinem Sohn Ludwig und nach dessen Tod schließlich dessen Ehefrau Alexia H***-P***-B*** ein Fruchtgenußrecht und Wohnrecht an dieser Liegenschaft zusteht.
Alexander B*** hat unter Hinweis auf seinen Pflichtteilsanspruch die Nachlaßabsonderung und die Bestellung eines Separationskurators beantragt und anläßlich der Errichtung des Hauptinventars ON 63 vorgebracht, in diesem fehlten die in der von ihm vorgelegten Liste unter Nr.1 bis 17 und Nr.25 bis 31 angeführten Fahrnisse. Die Gegenstände Nr.9 bis 17 sowie 30 befänden sich in bei der Inventaraufnahme nicht eingesehenen versperrten Truhen und Kästen auf der Liegenschaft EZ 107 KG Wolfgangthal, die Fahrnisse Nr.1 bis 8 und Nr.25 bis 29 sowie Nr.31 dagegen in der vom Erblasser mitbenützten Wohnung in 1010 Wien, Schmerlingplatz Nr.8. Alexander B*** beantragte die nachträgliche Inventur und Schätzung aller dieser Fahrnisse. Die beiden anderen Erben "und Legatare" traten dem Antrag mit dem Hinweis entgegen, die bezeichneten Gegenstände seien am Todestag teilweise nicht mehr vorhanden gewesen und teilweise auf Grund eines in Notariatsaktform errichteten Schenkungsvertrages im Eigentum der Schwiegertochter des Erblassers, Alexia H***-P***-B***, gestanden.
Mit Beschluß ON 65 wies das Erstgericht unter den Punkten 1.) und 3.) die Anträge des Alexander B*** auf Ergänzung des Inventars und Durchführung der Schätzung ab. Es legte der Abhandlung das Hauptinventar ON 63 zugrunde, sah das Kodizill für erfüllt an und erließ die Einantwortungsurkunde (ON 66,67). Eine Entscheidung über den Absonderungsantrag des Alexander B*** traf es nicht. Das Rekursgericht gab dem von Alexander B*** gegen den verlassenschaftsgerichtlichen Beschluß ON 67 erhobenen Rekurs nicht, jenem gegen den Beschluß ON 65 teilweise und jenem gegen den Beschluß ON 66 durch Aufhebung zur Gänze Folge. Es trug dem Verlassenschaftsgericht die Beschlußfassung über die beantragte Nachlaßseparation noch vor der Einantwortung und die neuerliche Entscheidung über die Anträge des Alexander B*** auf Inventierung und Schätzung der von ihm angeführten Gegenstände Nr.1 bis 31 nach Verfahrensergänzung auf. Zu letzterem Punkt führte es aus, daß der Besitz des Erblassers an einer Sache im Todeszeitpunkt erforderlichenfalls in einem förmlichen Beweisverfahren zu klären sei. Eine solche Klärung habe das Verlassenschaftsgericht vorliegendenfalls aber nicht versucht. Bei den Fahrnissen auf der Liegenschaft EZ 107 KG Wolfgangthal liege es auf der Hand, daß eine Klärung durch Aufsperren der Kästen und Truhen im Zuge eines Augenscheines möglich sei. Bei den Fahrnissen in der Wiener Wohnung spreche schon für den Besitz des Erblassers, daß sie durch Schenkung in Notariatsaktform übereignet worden sein sollen, was auf eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe (§ 1 Abs.1 lit.d NZwG) und damit auf den Besitz des Erblassers hindeute. Zur Klärung biete sich ein Augenschein und die Vernehmung der Beteiligten an.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung in ihrem die Punkte 1.) und 3.) des verlassenschaftsgerichtlichen Beschlusses ON 65 abändernden Teil richtet sich der Revisionsrekurs der Witwe Berta B*** und des Sohnes Ludwig H***-P***-B*** mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Die Rekurswerber führen aus, Alexander B*** habe bei Errichtung des Hauptinventars zwar das Fehlen von Fahrnissen behauptet, jedoch in keiner Weise dargelegt, inwieweit diese im Besitz oder Eigentum des Erblassers gestanden seien. Dagegen habe er selbst darauf hingewiesen, seinen diesbezüglichen Anspruch bereits im Rechtsweg geltend gemacht zu haben. Somit sei die Streitigkeit dem Rechtsweg vorbehalten und nicht im Abhandlungsverfahren durch ein förmliches Beweisverfahren "zu erkunden". Besitz setze den Willen ihres Inhabers voraus, die Sache als die seinige zu behalten. Der Erblasser habe vorliegendenfalls schon jahrelang nicht in der Wohnung gewohnt und offenbar im Wissen um eine mögliche Anfechtung eine Schenkung durch Notariatsakt vorgenommen. Ein Augenschein könne nicht Besitzverhältnisse klären. Da die Aufnahme von Gegenständen in das Inventar keine materiellrechtlichen Wirkungen habe und Alexander B*** hinsichtlich seiner Ansprüche bereits einen Rechtsstreit führe, fehle ihm vorliegendenfalls überhaupt eine Rechtsmittelbeschwer.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Nach der ständigen Rechtsprechung kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich die Inventierung des gesamten Nachlasses verlangen, um eine Grundlage für die Berechnung seines Pflichtteiles zu haben (SZ 47/12; 6 Ob 721/80, 7 Ob 558/84 ua). Dieses Recht hat entgegen der Ansicht der Rekurswerber auch nach Einbringung der Pflichtteilsklage keineswegs seine Bedeutung verloren, da das Inventar eine öffentliche Urkunde ist und der Ermittlung des vom Erben durch den Erbgang erworbenen Vermögens dient (7 Ob 224/72).
Gemäß § 97 Abs.1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis allen beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befand, enthalten. Zu diesem Zweck hat sich der Gerichtsabgeordnete im Sinne des § 98 Abs.1 AußStrG durch Besichtigung der Güter und Fahrnisse und Vernehmung der Erben, Verwandten und Hausgenossen vollständige Aufklärung zu verschaffen. Fahrnisse sind gemäß § 101 Abs.1 AußStrG nach Gattung, Zahl, Maß und Gewicht anzugeben oder einzeln zu beschreiben. Auch angeblich fremde Sachen oder Sachen, an denen nach dem äußeren Schein (z.B. Vorhandensein in einer gemeinsamen Wohnung) zumindest Mitbesitz des Erblassers vorlag, sind in das Inventar aufzunehmen (SZ 47/12). Nicht zum Nachlaßvermögen gehören die vom Erblasser bei seinen Lebzeiten verschenkten Sachen, die sich zur Zeit seines Todes nicht mehr in seinem Besitz befanden (SZ 17/151; 6 Ob 180/74), dagegen wohl aber die auf den Todesfall geschenkten Sachen, denn sie waren bis zu diesem Zeitpunkt in seinem Besitz (SZ 59/9; 7 Ob 724/87).
Die Frage, ob ein Gegenstand im Besitz des Erblassers war, ist im Außerstreitverfahren als Vorfrage ohne Verweisung auf den Rechtsweg zu beurteilen (SZ 26/225; EvBl.1967/187; 6 Ob 44/68 ua). Ob ein Vermögensobjekt in das Inventarverzeichnis aufzunehmen ist oder nicht, hat daher das Abhandlungsgericht auch dann zu beurteilen, wenn es hiezu eines förmlichen Beweisverfahrens bedarf (1 Ob 170/56; JBl.1961, 289; EvBl.1967/187; 6 Ob 44/68; SZ 47/12; 8 Ob 676/87 ua).
Aus diesen Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, daß das Verlassenschaftsgericht trotz der von Alexander B*** offenbar bereits erhobenen Pflichtteilsklage verpflichtet ist, auch die Eröffnung der Truhen und Kästen im Hause des Erblassers anzuordnen und darin allenfalls verwahrte Fahrnisse, von denen die Rechtsmittelwerber selbst gar nicht behaupten, daß sie nicht im Besitze des Erblassers gestanden seien, im Sinne des § 97 Abs.1 AußStrG ("genaues und vollständiges Verzeichnis") zu inventarisieren. Weiters hat sich das Verlassenschaftsgericht auf die in § 98 Abs.1 AußStrG vorgeschriebene Weise, nämlich durch Besichtigung sowie durch Vernehmung der Erben, Verwandten und Hausgenossen usw, vollständige Aufklärung darüber zu verschaffen, ob der Erblasser hinsichtlich aller oder einzelner der in seiner Wohnung 1010 Wien, Schmerlingplatz 8, befindlichen Fahrnisse im Todeszeitpunkt deren Besitzer war. Nach der ausdrücklichen Anordnung des Punktes I des im Akt befindlichen Notariatsaktes vom 16.November 1973 hat der Erblasser die dort genannten Fahrnisse bereits zu seinen Lebzeiten an Alexia H***-P***-B*** verschenkt und anläßlich der Errichtung dieses Notariatsaktes ("hiemit") an diese auch übergeben. Ausgehend von der bisher unbestritten gebliebenen Wirksamkeit dieses Notariatsaktes wären daher keine der darin angeführten Fahrnisse in das Inventar aufzunehmen, weil sie sich nicht mehr im Besitz des Erblassers befanden.
Der angefochtene Aufhebungsbeschluß erweist sich somit im Sinne der vorgenannten Darlegungen im Grundsätzlichen als zutreffend. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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