OGH 7Ob558/84

OGH7Ob558/8410.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 23. Dezember 1981 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Daniel Alexander B*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des erbl. Sohnes Alexander B*****, vertreten durch Dr. Alfred Haberhauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Februar 1984, GZ 44 R 42/84‑26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 28. Dezember 1983, GZ 1 A 728/81‑21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00558.840.0510.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Der am 23. 12. 1981 verstorbene Daniel Alexander B***** hat in einem Testament vom 1. 12. 1981 seine Frau Anna B***** zur Alleinerbin eingesetzt. Seinem Sohn aus erster Ehe, Alexander B*****, vermachte er ein Grundstück samt Haus in W*****.

Anna B***** gab aufgrund dieses Testaments die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab.

Der Nachlass wurde vor dem öffentlichen Notar Dr. Walter Führer als dem Gerichtskommissär nach vorangegangener Schätzung inventiert. Alexander B*****, der bei der Schätzung der Liegenschaft anwesend war und geltend machte, er habe in den Jahren 1978/79 aus Eigenmitteln eine Umgestaltung der Dachdeckung und der Mansarde vorgenommen (AS 73), erschien nicht zur Errichtung des Hauptinventars am 20. 12. 1983 (ON 19). Bei dieser wurden in Gegenwart des Bevollmächtigten der Erbin die Aktiven mit 895.413,70 S (darunter die dem Alexander B***** vermachte Liegenschaft mit 780.000 S), die Passiven mit 184.556,19 S und der reine Nachlass unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten von 46.347,58 S mit 664.509,93 S ermittelt. Es wurde dargelegt, dass die Witwe Anna B***** zumindest ihren Pflichtteil von einem Sechstel, das seien 110.751,66 S, zu erhalten habe, sodass der nicht legierte Nachlass zur Abdeckung des Pflichtteils bzw zur Bezahlung der Passiven und Verfahrenskosten nicht ausreiche und eine Kürzung des Legats erforderlich sei. Schließlich wurde festgehalten, dass die Witwe Anna B***** den nicht legierten Nachlass von 115.413,70 S in Anrechnung auf ihren Pflichtteil sowie die von ihr als Erbin bezahlten und noch zu bezahlenden Passiven und Verfahrenskosten übernehme, sodass ein Betrag von 226.241,73 S verbleibe, dessen Sicherstellung auf der Liegenschaft des Erblassers die Witwe beantrage; in die gemäß § 178 AußStrG zu erlassende Amtsurkunde werde daher auch die Forderung der Witwe aufzunehmen sein (ON 19).

Mit Beschluss vom 28. 12. 1983, ON 21, nahm das Erstgericht das Hauptinventar über Aktiven von 895.413,70 S und Passiven von 184.556,19 S, sowie den sich daraus ergebenden Reinnachlass zu Gericht an (Punkt 1) und bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs und des Sachverständigen antragsgemäß mit insgesamt 46.347,58 S (Punkt 8). Es nahm zur Kenntnis, dass die Kürzung des Legats erforderlich sei (Punkt 2) und dass Anna B***** die Sicherstellung des bei Errichtung des Hauptinventars ermittelten Betrags von 226.241,73 S auf der Liegenschaft des Erblassers beantragt habe, sodass gleichzeitig mit der Einverleibung des Eigentumsrechts für den Sohn Alexander B***** auch die Einverleibung des Pfandrechts für die Forderung der Witwe in der angeführten Höhe zu erfolgen habe (Punkt 3). Das Erstgericht erkannte weiter den Testaments‑ und den Legatserfüllungsausweis für erbracht (Punkte 6 und 7), nahm die Einantwortung des Nachlasses an die Witwe Anna B***** vor (Punkt 9 und ON 22) und erließ die Amtsurkunde (Punkt 10 und ON 23), in der a) aufgrund des in der letztwilligen Verfügung vom 1. 12. 1981 enthaltenen Vermächtnisses bestätigt wird, dass das Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ 900 KG E***** für den Sohn Alexander B***** und b) aufgrund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung bestätigt wird, dass das Pfandrecht für die Forderung der Witwe Anna B***** von 226.241,73 S einverleibt werden könne und möge.

Alexander B***** erhob gegen den Beschluss ON 21 Rekurs und machte geltend, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil die ihm legierte Liegenschaft mit einem Schätzwert von 780.000 S in das Hauptinventar aufgenommen worden sei. Gemäß § 102 Abs 2 AußStrG seien unbewegliche Sachen nach dem Einheitswert in das Inventar einzusetzen. Die Schätzung sei deshalb zu Unrecht vorgenommen worden. Anlässlich der Schätzung sei Alexander B***** keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden; es seien deshalb jene Beträge, die er für die Liegenschaft aus Eigenmitteln aufgewendet habe und die einen Betrag von 255.000 S erreichten, im Gutachten nicht berücksichtigt worden. Alexander B***** stellte den Antrag, den Beschluss des Erstgerichts dahin abzuändern, dass das Hauptinventar über die Aktiven unter Berücksichtigung des Einheitswerts der Liegenschaft von 110.000 S, in eventu unter Berücksichtigung seiner Aufwendungen von 255.000 S berechnet werde; er beantragte hilfsweise, ein neues Schätzungsgutachten einzuholen.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs nicht Folge und führte aus, dass das Inventar ebenso wie auch das eidesstättige Vermögensbekenntnis vom Gericht auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit nicht zu überprüfen seien, weil sie keine über das Verlassenschaftsverfahren hinausgehende Bedeutung hätten. Das Inventar habe auch keine Auswirkungen auf die Frage der Eigentumsverhältnisse und der gegebenenfalls im Prozess vorzunehmenden Pflichtteilsberechnung (ON 26).

In seinem Rekurs an den Obersten Gerichtshof macht Alexander B***** Gesetzes‑ und Aktenwidrigkeit geltend und wiederholt die von ihm bereits im Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts gestellten Anträge. Die Ansicht des Rekursgerichts, das Inventar habe keine Auswirkungen auf die vorzunehmende Pflichtteilsberechnung, sei akten‑ und gesetzwidrig, weil durch den bestätigten Beschluss des Erstgerichts die Einverleibung des Pfandrechts für die Forderung der Witwe angeordnet worden sei. Es ergebe sich aus der Aktenlage (Sachverständigengutachten AS 73), dass Alexander B***** in dem gegenständlichen Haus erhebliche Investitionen vorgenommen habe; das Erstgericht habe es unterlassen, ihn hiezu zu vernehmen.

Da das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts bestätigt hat, ist der (außerordentliche) Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur aus den Gründen der offenbaren Gesetz‑ oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität zulässig. Es ist daher zu prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

Aktenwidrigkeit ist gegeben, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergibt und solcherart ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hat (EFSlg 37.376, EFSlg 39.779). Die Ausführungen des Rekursgerichts darüber, dass das Inventar keine Auswirkungen auf die Pflichtteilsberechnung habe, geben eine Rechtsansicht wider; sie können daher nicht im dargelegten Sinn aktenwidrig sein. Die bekämpfte rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts ist aber auch nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG. Sie entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung, wonach das Inventar nur für Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens aufgenommen wird und die darüber ergehenden Entscheidungen Wirkungen nur für dieses Verfahren, nicht aber darüber hinaus haben (EFSlg 39.863, SZ 47/12). Der Inhalt eines aufgenommenen Inventars ist – ebenso wie ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis des Erben – ohne Einfluss auf das Ergebnis einer von Noterben erhobenen Pflichtteilsklage (SZ 47/12). Die Bewertung im Rahmen des Inventars ist für die endgültige Haftung des erbserklärten Erben nicht bindend (SZ 49/149).

Es ist auch nicht offenbar gesetzwidrig, dass das Erstgericht die dem Sohn des Erblassers vermachte Liegenschaft nicht mit ihrem Einheitswert, sondern mit dem vom Sachverständigen über Ersuchen des Gerichtskommissärs ermittelten Schätzwert in das Inventar aufgenommen hat. Nach § 102 Abs2 AußStrG ist zwar „in Beziehung auf die Rechte der Parteien eine gerichtliche Schätzung zum Zwecke der Abhandlung nur dann aufzunehmen, wenn sie von einem Erben angesucht oder von dem Gericht wegen Berechnung des Pflichtteils oder aus anderen besonderen Gründen ausdrücklich angeordnet wird“. Dadurch aber, dass das Erstgericht die Schätzung dem Inventar zugrundegelegt hat, hat es diese Maßnahme gebilligt; darin liegt eine „ausdrückliche“, wenn auch nachträgliche, Anordnung (EvBl 1961/126).

Durch sein Vorbringen im Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts, er habe auf die Liegenschaft aus Eigenmitteln Aufwendungen im Gesamtbetrag von 255.000 S gemacht, die im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien, hat Alexander B***** das vorliegende Tatsachenmaterial (AS 73) ergänzt, und er hat für seine bis dahin unbewiesenen Behauptungen Beweise (Rechnungen) angeboten. Die Neuerungen waren daher zulässig im Sinne des § 10 AußStrG (vgl EFSlg 42.218). Ihre Nichtbeachtung im Rekursverfahren, die an sich nur ein Verfahrensverstoß ist, kann nur dann Nichtigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG begründen, wenn sie geeignet ist, die gesamten Entscheidungsgrundlagen zu verändern oder umzustoßen (EFSlg 42.383, EFSlg 37.359), wenn also der Verfahrensverstoß von einschneidender Bedeutung ist (EvBl 1982/120, EFSlg 39.783). Nach den oben angestellten Erwägungen darüber, dass das Inventar nur für Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens aufgenommen wird und keine Auswirkungen auf die Pflichtteilsberechnung und die Legatsreduktion hat, kann nicht gesagt werden, dass der gerügte Verfahrensverstoß von einschneidender Bedeutung war. Der Rekurswerber hätte im Übrigen bei Errichtung des Hauptinventars Gelegenheit gehabt, die von ihm getätigten Aufwendungen auf die Liegenschaft geltend zu machen und Beweise hiefür anzubieten; von dieser Gelegenheit aber hat er dadurch, dass er der Ladung hiezu nicht Folge leistete, keinen Gebrauch gemacht. Er vermag sich daher nicht mit Erfolg darüber zu beschweren, dass er vom Erstgericht über die behaupteten Investitionen nicht vernommen wurde.

Da ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht gegeben ist, war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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