Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.172,70 bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Raiffeisenbank begehrte vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 125.000 s.A. mit folgender Begründung:
Der Beklagte habe für einen Kontokorrentrahmenkredit des Ehepaares Gerta und Wilhelm S*** am 22.7.1970 die Wechselbürgschaft übernommen. Gerta S*** sei im Jahre 1982 verstorben. Auf dem Kreditkonto haftete zum Sterbetag des Wilhelm S*** am 10.1.1987 ein Debetsaldo von S 127.490,-- unberichtigt aus. Wegen einer betraglichen Haftungsbeschränkung des Beklagten werde dessen Haftung nur bis zur Höhe von S 125.000,-- in Anspruch genommen. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß seine Bürgschaftsverpflichtung aus dem Jahre 1970 auf 3 Jahre befristet gewesen sei. Er habe die Haftung für einen Kredit mit der Kontonummer 810.150 übernommen, die Klägerin nehme ihn aus einem Kredit mit der Kontonummer 8102 in Anspruch. Der Kredit sei für den Betrieb einer Militärkantine aufgenommen worden. Ab 1.1.1978 bzw. 1.8.1979 sei der Kredit aber für den Betrieb einer Tabaktrafik ausgenützt worden. Dies sei der klagenden Partei bekannt gewesen. Sie treffe daher ein grobes Verschulden an der verspäteten Fälligstellung des Kredites. Die klagende Partei habe den Beklagten nicht davon in Kenntnis gesetzt, daß die Hauptschuldner für die Finanzierung der Tabaktrafik zwei weitere Kredite in Anspruch genommen hätten. Bei Anwendung entsprechender Sorgfalt hätte die klagende Partei dem Hauptschuldner keine weiteren Kredite mehr einräumen dürfen. Sie habe den Beklagten auch nicht vom Ableben der Kreditnehmerin Gerta S*** am 29.8.1983 verständigt und es unterlassen, ihn über den Vermögensverfall der Kreditnehmer zu informieren. Auch habe sie ihre Forderung gegen die Hauptschuldner saumselig betrieben, so daß der Beklagte seinen Rückgriffsanspruch nicht mehr durchsetzen könne. Daraus sei ihm ein Schaden in der Höhe des Klagebetrages erwachsen, den er aufrechnungsweise gegen die Klageforderung einwende. Die Bürgschaftsverpflichtung sei verjährt. Der Beklagte sei bei Abgabe der Bürgschaftserklärung über den Umstand, daß ein Altkredit der Hauptschuldner mit ungefähr S 108.000,-- ausgehaftet habe, getäuscht worden. Hätte er gewußt, daß der Altkredit noch nicht zur Gänze abgedeckt war, hätte er keine Bürgschaftserklärung abgegeben. Der neue Kredit sei vereinbarungswidrig zur Abdeckung einer vorhandenen Überziehung eröffnet worden.
Das Erstgericht erkannte sowohl die Klageforderung als auch die Gegenforderung als zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren ab.
Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:
Am 2.7.1965 schloß die klagende Raiffeisenbank mit dem Ehepaar Gerta und Wilhelm S***, die eine Kantine in der Kaserne Bruckneudorf pachten wollten, einen Kreditvertrag, demzufolge sie als Kreditgeberin den Kreditnehmern über das Konto Nr. 810.150 einen Kredit bis zum Höchstbetrag von S 375.000,-- mit der Maßgabe einräumte, daß ständig nur 80 % der Kreditsumme ausgenutzt werden durften. Der Kredit sollte vom Ehepaar S*** für die Ablöse verwendet werden; neben den Namen der Kreditnehmer war "Bruckneudorf, Militärkantine" vermerkt. Unter Punkt 3 des Kreditvertrages war vereinbart, daß sich der Kreditrahmen beginnend mit 31.7.1965 jeweils monatlich um S 5.000,-- verringern sollte, so daß der Gesamtkredit bis zum 30.6.1970 abzudecken war. Der Beklagte, der mit dem Ehepaar S*** bekannt war, trat über deren Ersuchen der klagenden Partei gegenüber als Bürge auf und unterzeichnete am 2.7.1965 eine Wechselverpflichtungserklärung. Auf dieser Wechselverpflichtungserklärung befand sich neben den Namen der Hauptschuldner ebenfalls der Vermerk "Bruckneudorf, Militärkantine". Die Hauptschuldner S*** konnten in weiterer Folge ihre Verbindlichkeiten nicht entsprechend der Vereinbarung abdecken. Das Konto Nr. 810.150 wies zum Beispiel am 6.4.1970 einen Debetsaldo von S 145.751,11 auf.
Im Jahre 1970 ersuchte Wilhelm S*** erneut den Beklagten, für einen neuen Kredit für die Militärkantine Bruckneudorf zu bürgen. Beide Hauptschuldner versicherten dem Beklagten, daß der im Jahre 1965 aufgenommene Kredit ordnungsgemäß zurückgezahlt worden sei. Dies wurde dem Beklagten auch von Angestellten der klagenden Partei bestätigt. Der Beklagte vertraute auf diese Information, weil er bis 1970 von der klagenden Partei nicht aus seiner Bürgenhaftung in Anspruch genommen worden war.
Mit dem Kreditvertrag vom 22.7.1970 räumte die klagende Partei den Ehegatten S*** wieder unter der Kontonummer 810.150 einen Kredit von S 125.000,-- mit der Maßgabe ein, daß nur S 100.000,-- ausgenutzt werden durften. Das Kreditverhältnis war als Kontokorrentkredit ausgestaltet, eine zeitliche Beschränkung war nicht vorgesehen. Beiden Vertragsteilen stand gemäß Punkt 3 des Vertrages das Recht zu, den Kreditvertrag unter Einhaltung einer einmonatigen Frist zu kündigen. Der Kreditgeber durfte gemäß Punkt 5 den gesamten Kredit sofort fällig und zahlbar stellen, wenn a) in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kreditnehmers oder denen der bestellten Sicherheiten Verschlechterungen oder Änderungen eintraten, die nach dem Ermessen des Kreditgebers eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Kredites bedeuteten, b) wenn der Kredit zweckwidrig verwendet wurde oder c) der Kreditnehmer ihm obliegende Verpflichtungen nicht vollständig oder termingerecht erfüllte. Dem Kreditgeber stand auch das Recht zu, Bilanzen samt Gewinn- und Verlustrechnungen und sonstige erforderliche Details anzufordern und das Unternehmen einer kaufmännischen und betrieblichen Kontrolle zu unterziehen. Auf dem Kreditvertrag war wiederum "Bruckneudorf, Militärkantine" vermerkt.
Der Beklagte unterzeichnete am 22.7.1970 eine Wechselverpflichtungserklärung und verpflichtete sich der klagenden Partei gegenüber als Bürge zur Sicherstellung aller Forderungen aus dem Kreditvertrag der Eheleute S*** vom 22.7.1970. Die Haftung des Beklagten wurde auf S 125.000,-- beschränkt. Der Beklagte unterschrieb schließlich auch einen Blankowechsel. Auch auf dieser Wechselverpflichtungserklärung findet sich der Hinweis "Militärkantine". Der Beklagte war nach den Versicherungen der Kreditschuldner S*** und der Angestellten der klagenden Partei davon überzeugt, daß die Kreditsumme für Investitionen in der Kantine verwendet werden sollte. Eine zeitliche Befristung der Verpflichtung des Beklagten wurde nicht vereinbart. In der Folge wiesen auch die Kontoführungsblätter zu Kontonummer 810.150 jeweils den Vermerk "Militärkantine" auf.
Die klagende Partei zahlte den Kreditbetrag aber nicht an die Hauptschuldner S*** aus, sondern deckte mit S 100.000,-- den Debetsaldo aus dem Kreditvertrag vom 2.7.1965 ab. Danach wurde das Konto Nr. 810.150 von den Eheleuten S*** wieder ausgenützt und nach Umstellung der Kontoführung auf Computer unter der Nr.8.102 weitergeführt.
In den Jahren 1973 und 1974 ließ sich die Klägerin von den Eheleuten S*** Bilanzen vorlegen.
Das Ehepaar S*** führte die Militärkantine in Bruckneudorf bis zur Auflösung des Pachtverhältnisses am 31.12.1977. Vom 1.8.1978 bis zu seinem Tod am 10.1.1987 war Wilhelm S*** Inhaber einer Tabaktrafik in Wien 14., Penzingerstraße 77. Vom 4.4.1979 bis 30.6.1980 hatte er zwei Zigarettenautomaten von den Austria Tabakwerken auf dem Gebiet der Kaserne Bruckneudorf gepachtet. Die klagende Partei wußte von der Auflösung des Pachtvertrages und der Übernahme einer Tabaktrafik. Sie stellte den unter der Kontonummer
8.102 laufenden Kredit aber nicht fällig, sondern ließ ihn weiterlaufen und gewährte Wilhelm S*** daneben einen weiteren Kredit für die Ausstattung der Tabaktrafik, der auf den Subkonten 2-8102 und 3.8102 verbucht wurde. Weder die Hauptschuldner S*** noch die klagende Partei verständigten den Beklagten von der Aufgabe der Kantine.
Die klagende Partei ließ sich den an Wilhelm S*** neu gewährten Kredit durch eine Bürgschaft der Gerta S***, durch eine Gehaltsabtretung und eine Verpfändung einer Unfallversicherung besichern. Im Jahre 1980 legte Wilhelm S*** der klagenden Partei noch eine weitere Bilanz vor, weitere Überprüfungen fanden nicht statt.
Am 29.8.1983 verstarb Gerta S***, eine Verlassenschaftsabhandlung fand zu A 459/83 des Bezirksgerichtes Neusiedl mangels Vermögens nicht statt. Die klagende Partei wußte vom Ableben der einen Hauptschuldnerin. In der Folge wurde Wilhelm S*** vor allem im Jahr 1984 mehrfach zur Rückzahlung des unter der Kontonummer 8.102 laufenden Kredites gemahnt.
Mit dem Schreiben vom 27.11.1986 teilte die klagende Partei dem Beklagten erstmals mit, daß an Wilhelm S*** eine zweite Mahnung wegen einer Gesamtschuld von S 126.322,25 ergangen war. Der Beklagte, der seit der Bürgschaftserklärung von der klagenden Partei nichts mehr gehört und auch den Kontakt zum Ehepaar S*** seit Jahren verloren hatte, versuchte, mit Wilhelm S*** ins Gespräch zu kommen. Dies gelang ihm nicht mehr, da Wilhelm S*** am 10.1.1987 verstarb.
Das im Verlassenschaftsverfahren nach Wilhelm S*** zu 1 A 40/87 des Bezirksgerichtes Mödling errichtete Inventar wies Aktiven von S 155.484,33 und Passiven von S 858.487,92 auf. Die klagende Partei meldete im Verlassenschaftsverfahren zur Kontonummer 8.102 einen Betrag von S 127.490,-- als Forderungen an. Auf Antrag der erbserklärten Erbin wurde mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.9.1987, 6 S 127/87-2, über das Vermögen der Verlassenschaft nach Wilhelm S*** der Konkurs eröffnet. Der Beklagte meldete seinen allfälligen Rückgriffsanspruch gegen die Verlassenschaft als bedingte Forderung im Konkursverfahren an; deren Bestand wurde vom Masseverwalter aber bestritten.
Rechtlich bejahte das Erstgericht die Gültigkeit der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten. Die klagende Partei habe aber gegen ihre Verpflichtung zur Information des Beklagten verstoßen: Sie hätte ihn von der beabsichtigten Kreditverwendung, von der Auflösung des Pachtverhältnisses sowie vom Ableben eines der Hauptschuldner verständigen müssen. Der Beklagte hätte dann den Geschäftsabschluß verweigern, die Bürgschaft kündigen, Rückgriff nehmen bzw. Sicherstellung verlangen können. Alle diese Möglichkeiten seien ihm wegen des Verstoßes der klagenden Partei gegen ihre Informationspflicht genommen worden, weshalb der Beklagte einen Schaden in der Höhe des Klagebetrages erlitten habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge, erkannte die Klageforderung mit S 125.000,-- als zu Recht, die Gegenforderung nicht als zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von S 125.000,-- s.A. Ein überhöhtes Zinsenbegehren wies es ab. Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil über die Warnpflicht des Gläubigers gegenüber dem Bürgen keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe. Da das Zurechtbestehen der Klageforderung vom Beklagten nicht bekämpft wurde, sei nur mehr auf die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung einzugehen. Grundsätzlich bestehe keine Warnpflicht des Gläubigers gegenüber einem Bürgen bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages; Ausnahmen, wie sie etwa der Entscheidung SZ 56/81 zugrundelagen, kämen hier nicht in Betracht. Es bestehe auch keine Pflicht, den Kredit deshalb fälligzustellen, um den Bürgen vor Nachteilen zu schützen. Es sei Sache des Bürgen, sich über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners selbst zu informieren. Nur wenn der Gläubiger erkennt, daß der Bürge von der bedrohlichen finanziellen Lage des Hauptschuldners nichts weiß, sei eine Mitteilungspflicht gegeben. Der Beklagte habe nicht einmal behauptet, daß der klagenden Partei ein ihm fehlender wesentlicher Wissensstand im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit der Hauptschuldner bekannt gewesen sei. Die eingewendete Gegenforderung sei daher nicht berechtigt.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragte in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte verweist in seinen Rechtsmittelausführungen darauf, daß die klagende Partei ihren Informationspflichten über die Umwidmung des Kredites zugunsten des Betriebes einer Tabaktrafik nicht entsprochen habe. Sie habe zu Lasten des Bürgen weiteren Kredit gewährt und diesen pflichtwidrig vom Ableben einer der beiden Hauptschuldner nicht verständigt. Sie hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt den Kredit fälligstellen und dem Beklagten als Bürgen die Möglichkeit zur Sicherstellung seiner Rückgriffsansprüche geben müssen. Im übrigen sei er von den Hauptschuldnern und dem Angestellten der klagenden Partei über die Begleichung der "alten" Kreditverbindlichkeit unrichtig informiert worden.
Bevor auf diese Ausführungen eingegangen wird, ist zunächst festzuhalten, daß sich die Revision des Beklagten eindeutig nur gegen die Verneinung des Bestandes der Gegenforderung richtet. Sie läßt die Klageforderung gänzlich unberührt, so daß der Oberste Gerichtshof darauf (ungeachtet der wegen des tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges fehlenden Rechtskraft dieses Entscheidungsteiles - 7 Ob 585/77; 2 Ob 49/79; RZ 1982/42 S.164 ua) nicht mehr einzugehen hat.
Zur Informationspflicht der klagenden Partei hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß zwar grundsätzliche Aufklärungspflichten einer Kreditunternehmung gegenüber ihren Kunden bestehen (vgl. hiezu Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 22; Canaris in Großkommentar zum HGB3 III/2, 553 RNr.9; SZ 57/70 ua), daß diese aber nicht überspannt werden dürfen; primär hat der Kunde selbst seine Interessen zu wahren, zumal nicht übersehen werden darf, daß Diskretion für das Bankgeschäft als solches lebenswichtig ist (Schinnerer-Avancini aaO 23; SZ 57/70; 7 Ob 625/85 ua). Nur wenn der Gläubiger erkennt, daß der Bürge von der bedrohlichen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners nichts weiß, besteht eine Mitteilungspflicht (vgl. Avancini, Der Auskunftsanspruch des Bürgen gegenüber dem Gläubiger, JBl. 1985, 199). Der Beklagte hat aber nicht einmal behauptet, daß die klagende Partei gewußt hätte, es seien ihm die finanziellen Schwierigkeiten der Hauptschuldner nicht bekannt gewesen.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, daß ihn die klagende Partei anläßlich der Übernahme der "zweiten" Bürgschaft nicht darüber informierte, daß durch den neu aufgenommenen Kredit der früher gewährte abgedeckt wurde, läßt sich daraus kein Schadenersatzanspruch ableiten, weil der Beklagte sonst mit einem gegenüber der neuen Bürgschaft höheren Betrag weiter gehaftet hätte. Durch die mit einer Haftsumme von S 125.000,-- begrenzte neue Bürgschaft ist jedenfalls keine Vergrößerung seiner damals schon bestehenden unbegrenzten Bürgschaftsverpflichtung eingetreten. Die Annahme des aufrechten Bestandes seiner Bürgschaftsverpflichtung durch die Vorinstanzen hat der Beklagte aber weder mit Berufung noch mit Revision bekämpft.
Seinem Rechtsmittel war daher der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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