OGH 8Ob614/88

OGH8Ob614/889.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Bauer, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert H***, kaufmännischer Angestellter, 1120 Wien, Breitenfurterstraße 135, vertreten durch Dr. Heinrich Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei 1.) V*** DER

Ö*** B*** Versicherungsaktiengesellschaft,

1090 Wien, Nußdorferstraße 66, vertreten durch Dr. Remigius Etti, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, 2.) Firma L***, Liegenschafts- und Wohnungseigentumsgesellschaft mbH, 1140 Wien, Hütteldorferstraße 145, wegen S 1,123.739,37 s.A, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Mai 1988, GZ 4 R 65/88-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. Dezember 1987, GZ 14 Cg 34/87-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 17.161,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.560,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloß am 23. Oktober 1978 bzw. 15. Dezember 1982 mit der durch den Generalbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Ernst M*** vertretenen zweitbeklagten Partei als Verkäuferin einen Kaufvertrag, mit welchem ihm als Käufer das dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 2857 der KG Kottingbrunn zugeschriebene Grundstück 183/327 Bauplatz, Fläche 1.461 m2, zu einem Preis von S 409.080,-- verkauft und unter anderem die lastenfreie Übertragung des Eigentumsrechtes mit Ausnahme eines Elektrizitätsleitungsrechtes zugunsten der Stadt Wien zugesichert wurde. Die Verkäuferin garantierte, daß das Grundstück von allen nicht ausdrücklich übernommenen Lasten, speziell von Pfandrechten, Dienstbarkeiten und Reallasten und auch von Besitzrechten Dritter frei ist. Der Kaufpreis wurde durch Gegenverrechnung mit einer der Mutter des Klägers gegenüber der Verkäuferin bestehenden Forderung entrichtet. Rechtsanwalt Dr. Ernst M*** wurde vom Kläger beauftragt, das grundbücherliche Einverleibungsverfahren durchzuführen. Am 25. Jänner 1985 erfuhr der Kläger von der österreichischen Länderbank, daß die Liegenschaft tatsächlich nicht lastenfrei intabuliert worden war und daß auf dieser eine Maximalhypothek von S 14,400.000,-- mit einem Restbetrag von S 720.114,04 aushaftet. Der Kläger wurde aufgefordert, diesen Restbetrag zu bezahlen. Da er hiezu nicht imstande war, klagte die österreichische Länderbank die Forderung ein. Am 29. April 1986 schlossen die Streitteile jenes Verfahrens einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Kläger der österreichischen Länderbank einen Betrag von S 854.974,63 zuzüglich S 134.000,-- Kostenersatz zahlen sollte. Der Kläger konnte dieses Geld jedoch nicht aufbringen, worauf die Länderbank ein Versteigerungsverfahren betreffend das gegenständliche Grundstück betrieb. Rechtsanwalt Dr. Ernst M*** war bis zu seinem Tode am 14. Juli 1986 bei der erstbeklagten Partei im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung zu Polizze-Nr. 2111/003093 versichert. In der vorliegenden Klage beruft sich der Kläger auf die vertragliche Zusicherung der Lastenfreiheit der Kaufliegenschaft durch die zweitbeklagte Partei bzw. ein grob fahrlässiges Verhalten des Rechtsanwaltes Dr. M*** und leitet hieraus deren Haftung für den ihm entstandenen Schaden in der Höhe des Klagsbetrages von S 1,123.739,37 ab. Auf Grund der von Dr. M*** bei der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung sei letztere zur Deckung dieses Schadens verpflichtet. Dieser der Verlassenschaft nach Dr. Ernst M*** zustehende Deckungsanspruch aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag sei dem Kläger von der Witwe und erbserklärten Erbin Gertrude M*** abgetreten worden. Die erstbeklagte Partei beantragte Klageabweisung. Sie wendete ein, der Kläger sei über den Lastenstand des von ihm erworbenen Grundstückes ohnehin informiert gewesen, es bestehe nach den Versicherungsbedingungen für den gegenständlichen Schadenersatzanspruch auch keine Deckungspflicht und zufolge verspäteter Versicherungsmeldung Leistungsfreiheit; überdies sei die Abtretung eines Deckungsanspruches der im Konkurs verfangenen Verlassenschaft nach Dr. Ernst M*** mangels verlassenschaftsgerichtlicher Genehmigung und mangels Betrauung der Gertrude M*** mit der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft gar nicht wirksam.

Die zweitbeklagte Partei erstattete keine Klagebeantwortung. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, "die Beklagte" sei zur Zahlung des Klagebetrages an den Kläger schuldig, wobei die Haftung "der Beklagten" auf die Höhe des "zwischen ihr" und Dr. Ernst M*** zu Polizze-Nr. 2111/003093 abgeschlossenen Versicherungsvertrages (Berufshaftpflichtversicherung), jedenfalls mit S 769.477,16 s.A. und S 241.888,27 s.A. beschränkt sei, ab. Es legte seiner Entscheidung folgenden weiteren Sachverhalt zugrunde:

Dr. Ernst M*** erhielt vom Kläger kurz nach der Vertragserstellung im Jahre 1978 das Mandat zur lastenfreien Einverleibung des Eigentumsrechtes am gegenständlichen Grundstück, führte den Auftrag jedoch erst im Jahre 1982 durch und zwar ohne die Lastenfreistellung zu erwirken. Ohne Wissen des Klägers haftete eine Maximalhypothek zugunsten der österreichischen Länderbank auf diesem Grundstück weiter. Dr. M*** hat als gewillkürter Vertreter des Klägers grob auftragswidrig gehandelt. Auf Grund einer dem Kläger schon vor dem Jahre 1982 erteilten Baubewilligung baute dieser auf dem gegenständlichen Grundstück ein Einfamilienhaus. Eine verlassenschaftsbehördliche Genehmigung der schriftlich erfolgten Abtretung der "Forderung" des Versicherungsnehmers Dr. Ernst M*** gegenüber der erstbeklagten Partei durch Gertrude M*** an den Kläger liegt nicht vor. Gertrude M*** trat als bedingt erbserklärte Erbin nach Dr. Ernst M*** auf, konnte aber keine Genehmigung erwirken und auch die pflichtteilsberechtigten Kinder haben der gegenständlichen Zession nicht zugestimmt. Mit 22. Juni 1987 wurde über die Verlassenschaft nach Dr. Ernst M*** das Konkursverfahren eröffnet und die Verlassenschaftsabhandlung wurde sodann unterbrochen. Der Kläger konnte trotz mehrerer ihm eingeräumter Sanierungsversuche den Rechtsmangel der Forderungsabtretung nicht beheben.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht die Legitimation des Klägers zur Geltendmachung des Klageanspruches mit der Begründung, er habe eine rechtswirksame Abtretung des Deckungsanspruches der Verlassenschaft nach Dr. Ernst M*** gegenüber der erstbeklagten Partei nicht nachzuweisen vermocht, da es an der verlassenschaftsbehördlichen Genehmigung und der Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten mangle.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil als gegen die erstbeklagte Partei ergangenes Teilurteil. Es verneinte den vom Kläger geltend gemachten Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens, hielt dem von ihm mit der Berufung vorgelegten Genehmigungsbeschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 14. Jänner 1988 das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot entgegen und erachtete die Rechtsrüge der Berufung als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehe. Im übrigen wies es darauf hin, daß nach dem Inhalt des Genehmigungsbeschlusses vom 14. Jänner 1988 die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nach Dr. Ernst M*** an Gertrude M*** erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz übertragen worden sei und die pflichtteilsberechtigten Kinder des Dr. Ernst M***, mit welchen sie in Erben- und Verwaltungsgemeinschaft stehe, der Abtretung nicht zugestimmt hätten. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagestattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die erstbeklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bringt der Kläger vor, die mit seiner Berufung erfolgte Vorlage des verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses vom 14. Jänner 1988 an das Berufungsgericht und die darauf gegründeten Ausführungen in der Berufungsschrift seien entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes "sehr wohl gerechtfertigt und auch zulässig".

Dieser nicht weiter begründeten Behauptung ist entgegenzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung Genehmigungsbescheide, z.B. der Devisenbehörde (JBl 1953, 521; 6 Ob 87/68, 1 Ob 650/80) oder pflegschaftsbehördliche Genehmigungsbeschlüsse (2 Ob 50/85), die erst im Rechtsmittelverfahren vorgelegt werden, als Tatumstände wertet, die, weil sie nicht schon in erster Instanz vorgekommen waren, im Sinne des § 482 Abs 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Die vorgenannte Gesetzesstelle verfügt ein Neuerungsverbot in Ansehung des Stoffes für die Entscheidung der in erster Instanz gestellten Sachanträge (6 Ob 22/75, 7 Ob 509/78, 6 Ob 820/83 ua). Sie ermöglicht nur ein Vorbringen, das den konkreten Rechtsmittelgrund selbst betrifft (6 Ob 545, 546/86, 8 Ob 598/86 ua). Eine Erweiterung der Beweisgrundlagen für den Tatsachenbereich ist im Rechtsmittelverfahren dagegen ausgeschlossen (7 Ob 145/73; Fasching IV 166 f); die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen bereits in erster Instanz bewiesen werden (2 Ob 253/64). Der Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt demnach nicht vor. In der Rechtsrüge führt der Revisionswerber aus, der dem Berufungsgericht vorgelegte verlassenschaftsgerichtliche Genehmigungsbeschluß vom 14. Jänner 1988 stelle ein entscheidendes Argument für die Rechtswirksamkeit der Abtretungserklärung der Gertrude M*** dar. Der Kläger habe in der letzten Tagsatzung dem Erstgericht die Vorlage dieses Beschlusses auch in Aussicht gestellt, es handle sich hiebei um ein Beweismittel zur Darlegung der geltend gemachten Berufungsgründe. Darin, daß der Erstrichter die "zugesagte Vorlage" des Genehmigungsbeschlusses nicht abgewartet habe, liege auch ein Verfahrensmangel. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes sei die Rechtsrüge seiner Berufung gesetzmäßig erfolgt. Die durch den Beschluß vom 14. Jänner 1988 erteilte Genehmigung der Zessionserklärung der Gertrude M*** vom 30. März 1987 beziehe sich nämlich auf diesen Zeitpunkt zurück. Da Pflichtteilsberechtigten kein Mitbestimmungsrecht an der Nachlaßverwaltung zukomme, der Deckungsanspruch gegen die erstbeklagte Partei ein Sondervermögen darstelle und die beiden pflichtteilsberechtigten Söhne des verstorbenen Dr. Ernst M*** nachträglich auch die Zustimmung zur Ausscheidung dieses Deckungsanspruches aus dem Nachlaßvermögen gegeben hätten, erschienen die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes ebenfalls unrichtig. Der Deckungsanspruch begründe ein Absonderungsrecht, welches gemäß § 6 Abs 2 KO geltend gemacht werden könne; hier sei er wegen der nachträglichen Genehmigung der Abtretungserklärung vom 30. März 1987 aus der Konkursmasse ausgeschieden. Insgesamt ergebe sich demnach, daß der Kläger zufolge der verlassenschaftsgerichtlich genehmigten und somit rechtswirksamen Abtretungserklärung der Gertrude M*** zur Geltendmachung seines Schadenersatzanspruches direkt gegen den Versicherer legitimiert erscheine.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern:

Das Vorliegen eines in der angeblichen Nichteinhaltung einer Zusage des Erstrichters zu erblickenden erstgerichtlichen Verfahrensmangels wurde vom Berufungsgericht verneint. Eine neuerliche - hier irrigerweise in der Rechtsrüge statt in der Mängelrüge erfolgte - Geltendmachung eines behaupteten erstinstanzlichen Verfahrensmangels vor dem Revisionsgericht ist nach der ständigen Rechtsprechung nicht zulässig.

Soweit die Rechtsrüge Rechtsausführungen enthält ist sie deswegen nicht zulässig, weil der Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes in der Berufung nicht gesetzmäßig - nämlich nicht auf der gegebenen Feststellungsgrundlage - ausgeführt worden war, in welchem Falle sie in der Revision nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann (7 Ob 307/62; EvBl 1967/64; 1 Ob 506/86, 8 Ob 515/88 uva).

Der Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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