OGH 6Ob820/83

OGH6Ob820/8322.12.1983

SZ 56/200

Normen

MRG §30 Abs3
MRG §31 Abs1
MRG §30 Abs3
MRG §31 Abs1

 

Spruch:

Eine Teilkündigung nach § 31 Abs. 1 MRG ist auch zulässig, wenn der Vermieter das Miethaus innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Kündigung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat OGH 22. 12. 1983, 6 Ob 820/83 (LG Innsbruck 3 R 399/83; BG Hopfgarten C 346/82 )

Text

Mit Übergabsvertrag vom 30. 4. 1976 hat der Vater der Klägerin sein Wohnhaus der Klägerin ins Alleineigentum übertragen. Die grundbücherliche Durchführung erfolgte am 10. 8. 1976. Die Klägerin konnte das Wohnhaus erst etwa zwei Jahre später beziehen, weil sowohl das Obergeschoß als auch das Untergeschoß, letzteres an die Beklagte, vermietet waren. Erst nachdem das Obergeschoß freigegeben worden war, konnte die Klägerin dort einziehen. Die Beklagte bewohnt das Mietobjekt bereits etwa 13 Jahre.

Die Klägerin kundigte der Beklagten das im Parterre rechts neben der Haustür gelegene Wohnzimmer mit Bad aus dem Gründe des § 30 Abs. 2 Z 8 MRG auf und führte aus: Das Haus werde von zwei Wohnparteien bewohnt. Das Obergeschoß, bestehend aus Küche (8.58 m2), Wohnzimmer (14.4 m2), Kinderzimmer (12.24 m2), Gang (6.51 m2) und Toilette werde von der Klägerin, ihrem Gatten und ihren drei Kindern bewohnt. Ein Bad stehe ihnen nicht zur Verfügung. Das Erdgeschoß bewohne als Mieterin die Beklagte seit ihrer Scheidung vor zirka fünf Jahren mit ihren beiden Kindern. Diese Wohnung bestehe aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer, einer geräumigen Küche, einer Toilette und einem Bad. Da die fünfköpfige Familie der kundigenden Partei mit der annähernd 40 m2 großen Wohnung unmöglich das Auslangen finden könne, wobei sogar die notwendigsten Schlafräume - alle drei Kinder müßten im Kinderzimmer, die Klägerin mit ihrem Mann im Wohnzimmer schlafen - sowie Badegelegenheiten nicht vorhanden sein, sei offenbar Eigenbedarf gegeben. Eine Interessenabwägung habe nach § 30 Abs. 2 Z 8 lit. a MRG zu entfallen, weil es sich um den gemieteten Teil "eines winzigen Einfamilienhauses" handle.

Die Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und wendete ein: Die Abtrennung des gekundigten Wohnzimmers samt Bad sei technisch nicht möglich. Die Kündigung sei unwirksam, weil eine zumutbare Ersatzwohnung nicht beigestellt worden sei. Es sei auch eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Das Erstgericht hob die Kündigung des Inhaltes, der Beklagten werde aufgetragen, das im Parterre rechts von der Haustüre gelegene Wohnzimmer mit Bad im Haus der Klägerin binnen 14 Tagen ab dem 31. 1. 1983 der Klägerin geräumt von allen Fahrnissen zu übergeben, auf. Die Klägerin habe das Mietobjekt im Jahre 1976 durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben. Da sie ihr Kündigungsbegehren auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 8 MRG (Eigenbedarf) stütze, sei Abs. 3 dieser Bestimmung zu berücksichtigen. Demnach könne der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben habe, aus dem Gründe des Abs. 2 Z 8 nur kundigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre lägen. Diese Bedingung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Kündigung sei daher aufzuheben.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 15 000 S übersteigt und das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen ist. Die Klägerin vertrete zu Recht die Auffassung, eine Teilkündigung stelle einen eigenen Tatbestand dar, der die im § 30 Abs. 3 MRG normierten Bedingungen nicht vorsehe. Richtig sei, daß der Sonderkündigungstatbestand für Eigenbedarf wörtlich dem § 22 Abs. 1 MG entspreche. Dort sei jedoch ausdrücklich auf die Bestimmung des § 19 Abs. 3 MG hingewiesen. Daraus folge, daß eine Teilkündigung nach § 22 Abs. 1 MG nur habe eingebracht werden können, wenn alle Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 MG gegeben gewesen seien, somit wenn seit dem Erwerb zehn Jahre verstrichen gewesen seien. Im § 31 Abs. 1 MRG fehle jedoch eine entsprechende Verweisung auf § 30 Abs. 3 MRG. Damit sei auf das Erfordernis, daß das Rechtsgeschäft unter Lebenden, mit dem das Haus erworben sei, zehn Jahre zurückliegen müsse, nicht mehr hingewiesen. Das keineswegs unklar formulierte Gesetz lasse sich nicht anders verstehen. Aus den Materialien könne nichts gewonnen werden, weil diese zur erwähnten Änderung überhaupt nicht sagten. Im vorliegenden Fall sei das Gesetz so formuliert, daß es einer Auslegung durch Heranziehung der Materialien gar nicht bedürfe. Ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht einmal angedeutet sei, könne auch im Wege der Auslegung nicht Geltung erlangen. Es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber erkennbar seinen Willen erklärt hätte, dieses frühere Erfordernis weiter gelten zu lassen. Gerade die Tatsache, daß ein solches Erfordernis früher im Gesetz gestanden und nunmehr weggelassen worden sei, lasse nur den Schluß zu, daß eine Gesetzesänderung beabsichtigt gewesen sei. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er hätte auf eine Regelung, die bisher Bestandteil des Gesetzes gewesen sei, bei der Neufassung trotz gegenteiliger Absicht vergessen. Als maßgebend könne also nur der objektive Sinn eines gehörig kundgemachten Gesetzeswortlautes angesehen werden. Das Erstgericht werde die zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, ob der verbleibende Teil des Mietobjektes abgesondert benützbar sei oder benützbar gemacht werden könne und ob der verbleibende Teil zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Beklagten und der schon bisher mit ihr im gemeinsamen Haushalt wohnenden eintrittsberechtigten Personen ausreiche.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, § 31 Abs. 1 MRG stellte eine Änderung der Rechtslage gegenüber § 22 Abs. 1 MG dar, kann nicht geteilt werden. Denn nach anfänglicher Uneinheitlichkeit (vgl. MietSlg. 20 528/47 und 21 603/46) vertrat der OGH in der Folge ständig die Auffassung, bei § 22 Abs. 1 MG handle es sich um einen selbständigen Kündigungsgrund, für welchen die Bestimmung des § 19 Abs. 3 MG über die erforderliche Dauer des Eigentumsrechtes des Vermieters nicht gelte (vgl. MietSlg. 23 470, in welcher die gegenteilige Auffassung der Entscheidung MietSlg. 21 603 ausdrücklich abgelehnt wurde; MietSlg. 24 405, 24 406, 29 415). Ausgehend von dieser auch in der Lehre (vgl. Czech - Michlmayr, Das neue Wohnrecht II. Teil, 57 f.; Limbeck - Ruttar, Das Mietengesetz II. Teil, 113; Michlmayr, ImmZ 1970, 102) geteilten Auffassung bedeutet § 31 Abs. 1 MRG keine inhaltliche Änderung gegenüber § 22 Abs. 1 MG (vgl. auch 425 Blg.NR 15. GP 43). Damit erweist sich der Versuch der Beklagten, § 31 Abs. 1 MRG dahin auszulegen, daß danach ebenso wie gemäß § 22 Abs. 1 MG das Rechtsgeschäft unter Lebenden, mit dem das Haus erworben worden sei, zehn Jahre zurückliegen müsse, schon im Ansatz als unrichtig.

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