OGH 8Ob60/11y

OGH8Ob60/11y24.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagten Parteien 1) B***** KEG und 2) M***** B*****, beide in *****, beide vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Rechtsanwalt GmbH in Götzis, wegen 18.168,21 EUR sA (Revisionsinteresse: 10.824,23 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. April 2011, GZ 2 R 153/10y-53, mit dem über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Mai 2010, GZ 1 Cg 57/07k-47, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 844,85 EUR (darin enthalten 140,81 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung kann es zu einer eigenen Haftung des Erfüllungsgehilfen kommen, wenn sein Verhalten keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann, wenn er ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags hatte oder wenn er bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nahm (1 Ob 182/97i mwN; RIS-Justiz RS0019726). Eine weitere Ausnahme von der abschließenden Regelung des § 1313a ABGB wird auch dann angenommen, wenn der Anlageinteressent klar macht, er wolle - bezogen auf eine bestimmte Anlageentscheidung - die einschlägigen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen, und soweit dieser die Tätigkeit auch entfaltet hat (1 Ob 182/97i, 7 Ob 118/97x, 9 Ob 5/10s uva). Nach der Rechtsprechung haftet ein Anlageberater oder -vermittler für die Verletzung ihn treffender Auskunftspflichten, wenn vom schlüssigen Zustandekommen eines Auskunftsvertrags iSd § 1300 ABGB ausgegangen werden kann. Regelmäßig wird der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrags angenommen, wenn die Umstände des Falls bei Bedachtnahme auf die Verkehrsauffassung und die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs den Schluss rechtfertigen, dass beide Teile die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten machen, etwa wenn klar zu erkennen ist, dass der Auskunftswerber eine Vermögensdisposition treffen und der Berater durch die Auskunft das Zustandekommen des geplanten Geschäfts fördern will (2 Ob 66/11m; 9 Ob 5/10s; 7 Ob 118/97x; 1 Ob 182/97i; RIS-Justiz RS0014562). Dass der Berater (Vermittler) nicht vom Kunden, sondern vom Emittenten entlohnt wird, spielt dabei keine Rolle (RIS-Justiz RS0026596). Die Frage, ob ein solcher Auskunftsvertrag zustandegekommen ist, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0042936 uva) und stellt in der Regel daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Hier bestand zwischen dem Kläger und dem Zweitbeklagten (gewerberechtlicher Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten, einer konzessionierten Vermögensberaterin) schon seit 1998 eine Geschäftsbeziehung. Der Zweitbeklagte war zunächst als Versicherungsvermittler für den Kläger tätig. Er vermittelte dem Kläger darüber hinaus auch andere Finanzprodukte verschiedener Anbieter sowie fondsgebundene Lebensversicherungen. Der Kläger nahm auch im Jahr 2000 die professionelle Beratung des Zweitbeklagten in Vermögensangelegenheiten in Anspruch. Sowohl auf dem Antrag als auch auf allen nachfolgenden Schriftstücken, die das damals vom Kläger erworbene Finanzprodukt betrafen, schienen beide Beklagte als persönliche Betreuer des Klägers auf. Nachdem die damals über Beratung des Zweitbeklagten erworbene Veranlagung Verluste brachte, erwarb der Kläger schließlich im Jahr 2003 - wiederum über die von ihm gewünschte Beratung des Zweitbeklagten - das verfahrensgegenständliche Anlageprodukt. Auch auf dem über die neue Veranlagung ausgestellten Anlagezertifikat scheinen wiederum beide Beklagte als persönliche Betreuer des Klägers auf.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im konkreten Fall vom zumindest schlüssigen Zustandekommen eines Auskunftsvertrags zwischen dem Kläger und beiden Beklagten auszugehen ist, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage keineswegs unvertretbar. Die Beklagten haben selbst vorgebracht, dass der Zweitbeklagte den Kläger im Rahmen der hier zu beurteilenden Veranlagung mit „stets größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt beraten“ hat (ON 13). Nach dem hier insgesamt entstehenden Eindruck trat der Zweitbeklagte (auch für die Erstbeklagte) dem Kläger gegenüber nicht bloß als ein Vertriebsvertreter seiner Vertragspartner, sondern als eigenständiger Anlageberater auf. Der Kläger nahm die einschlägigen Kenntnisse und Verbindungen des Zweitbeklagten gerade im Hinblick auf die hier zu beurteilende Anlageentscheidung ebenso in Anspruch, wie er seinen Rat bereits Jahre zuvor in unterschiedlichen Vermögensangelegenheiten gesucht hat. Vor allem darin unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt auch von dem zu 6 Ob 249/07x entschiedenen, sodass für die Beklagten aus dem Umstand, dass im dort zu beurteilenden Fall ein die Eigenhaftung des Beraters begründender Ausnahmefall nicht angenommen wurde, nichts zu gewinnen ist.

Ob der Zweitbeklagte eine Legitimationskarte seiner Vertriebspartnerin vorgezeigt hat, ist nicht entscheidend. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen aus den dargestellten Überlegungen keineswegs unvertretbar.

2. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, dass dem Kläger ein Schaden in Höhe des von ihm eingesetzten Kapitals entstanden sei, haben die Beklagten in ihrer Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts nicht bekämpft. Die im Verfahren zweiter Instanz unterlassene Rechtsrüge dieser rechtlich selbständig beurteilbaren Rechtsfrage kann in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043480; RS0043338). Auf die Ausführungen der Revisionswerber zur Schadenshöhe und -berechnung ist daher nicht weiter einzugehen.

Insgesamt erweist sich die Revision daher als unzulässig, weshalb sie zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision beantragt.

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