European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00577.85.1010.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 24.464,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 3.600,‑‑ und die USt von S 1.896,75) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von S 2,516.611,‑‑ s.A. und brachte vor: Sie habe der Beklagten mehrere Kredite gewährt, die per 30. 6. 1981 in der Höhe des Klagebetrages aushafteten. Es handle sich um die Kreditverträge vom 12. 12. 1979 über S 1,500.000,‑‑, vom 18. 4. 1980 über S 123.210,‑‑ und vom 28. 8. 1980 von S 300.000,‑‑. Der Kreditrahmen habe zur Zeit der Klage S 1,923.210,‑‑ betragen, hingegen der aushaftende Saldo bei Klageeinbringung S 2,516.611,‑‑ (AS 21). Dazu kämen noch von der Beklagten vereinbarungsgemäß zu tragende Kosten anläßlich der grundbücherlichen Besicherung der Forderung und Zahlungen, die die Klägerin im Auftrage der Beklagten auf deren Konto bei der C* durchgeführt habe. Im ersten Kreditvertrag seien 11 % Sollzinsen vierteljährlich kontokorrentmäßig und 4 % Verzugszinsen vereinbart worden. Diese seien anschließend auf 13 % Sollzinsen erhöht worden und ab 1. 7. 1981 sei eine weitere Zinsenerhöhung um 1,5 % p.a. erfolgt. Gemäß Punkt 4.4 des Kreditvertrages vom 12. 12. 1979 habe die Klägerin berechtigterweise ihre fällige Forderung eingeklagt.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Die Klägerin habe ihr im Jahre 1979 einen Kredit zur Errichtung eines Einfamilienhauses eingeräumt. Von diesem Kredit sei jedoch von den zuständigen Organen der Klägerin in deliktischem Zusammenwirken mit Peter R* lediglich ein Betrag von S 600.000,‑‑ an sie ausbezahlt worden. Der Restbetrag sei an R*, der diesen Betrag für seine Zwecke verwendet habe, überwiesen worden. Der Klägerin stehe höchstens eine Darlehensforderung von S 600.000,‑‑ zu, wobei es sich dabei um einen günstigen Baukredit handle, der lediglich mit 8,5 % zu verzinsen sei. Durch das Vorgehen der vertretungsbefugten Organe der Klägerin habe die Beklagte einen den Klagebetrag bei weitem übersteigenden Schaden dadurch erlitten, daß das vorgesehene Bauprojekt nicht habe realisiert werden können und der Bau halb fertig geblieben sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:
Die Beklagte beabsichtigte, ein Einfamilienhaus zu errichten. über Vermittlung der Baufirma B* lernte sie im Herbst 1979 den Geschäftsführer der P*gesellschaft mbH, Peter R*, kennen. Dieser gab der Beklagten vor, zur Errichtung eines Einfamilienhauses fähig und gewillt zu sein, wobei er das von der Beklagten geplante Bauvorhaben mit etwa S 4,000.000,‑‑ veranschlagen werde und einen Teil der Bausumme als Akontozahlungen benötige. Da die Beklagte über keine Barmittel für das geplante Bauvorhaben verfügte, bot sich R* an, ihr bei der Verschaffung der benötigten Finanzierungsmittel durch ein Bankinstitut behilflich zu sein. In der Folge brachte R* die Beklagte mit der Klägerin, der damaligen V*, bzw. der nunmehrigen „V*, reg. Gen.mbH“, in Verbindung. Sämtliche für die Kreditbeschaffung erforderlichen Unterlagen wurden als „Serviceleistung“ von Peter R* zum Notar Dr. P* gebracht, wo die Beklagte alle Unterlagen unterzeichnete.
Am 12. 12. 1979 wurde sodann zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Darlehensvertrag abgeschlossen (Beilage D). Der Kredit sollte innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf der Grundstücke zur Abdeckung gelangen. Die Zinsen betrugen 11 %, vierteljährlich kontokorrent verrechnet. Die der Beklagten als Darlehensvertrag ausbezahlte Summe betrug S 1,500.000,‑‑. Die Beklagte bestätigte die Empfangnahme dieser Darlehenssumme mit ihrer Unterschrift. Sie erteilte ihre Zustimmung zur Überweisung des ausgezahlten Betrages an die P*gesellschaft mbH, wobei sie Peter R* dazu überredet haben dürfte, welcher ihr auch den Weg zur Bank abnahm. Über Veranlassung des Peter R* erfolgte eine unmittelbare Überweisung der Darlehenssumme auf das Privatkonto des R*, lautend auf „Peter R*, Geschäftsführer der P*ges.mbH.“. Bei der Zuzählung des Darlehens fungierte als Organ der Klägerin der Bankangestellte Josef B*. Filialleiter war damals Ernst S*. Zum Zeitpunkt der Darlehenszuzählung waren Peter B* und auch Ernst S* keine Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsgebarung der P* GesmbH Peter R* bekannt. Eine Vereinbarung, das Darlehen in bestimmter Weise zu verwenden, wurde im Darlehensvertrag nicht getroffen. Zur Sicherstellung aller klägerischen Forderungen sowohl aus Haupt- als auch aus Nebenverbindlichkeiten der Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von S 2,000.000,‑‑ gab die Beklagte bereits am 11. 12. 1979 die ihr gehörigen Liegenschaften EZ * der Katastralgemeinde *, samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör, zum Pfand. Am 18. 4. 1980 wurde das der Beklagten gewährte Darlehen durch einen zweiten Darlehensvertrag um S 123.210,‑‑ aufgestockt. Als Fälligkeitstag wurde der 15. 10. 1980 vereinbart. Der Zinssatz betrug 13 % Zinsen p.a.. Am 27. 8. 1980 erfolgte eine weitere Darlehensaufstockung und zwar um S 300.000,‑‑, wobei die Zinsen ebenfalls 13 % p.a. betrugen. Für diesen Aufstockungskredit wurde keine gesonderte Fälligkeit vereinbart, sondern auf den Vorkredit und auf „Darlehen wird durch Abverkauf gedeckt“ verwiesen. Zur Sicherstellung der Forderungen der Klägerin wurden die der Beklagten gehörigen Liegenschaften EZ * der KG * bis zu einem zusätzlichen Höchstbetrag von S 500.000,‑‑ zum Pfand bestellt.
Auf die gewährten Darlehensbeträge hat die Beklagte bis zum heutigen Tag keinerlei Rückzahlungen geleistet, obwohl gemäß dem abgeschlossenen Darlehensvertrag die Fälligkeit längst eingetreten ist. Der Tagessaldo per 27. 3. 1981 betrug S 2,516.611,‑‑ zu Lasten der Beklagten.
Das zu 27 e Vr 11.397/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Ernst S* wegen § 153 f StGB eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt.
Gegen Peter R* wurde zu 24 c Vr 8595/80 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Anklage unter anderem wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 2. Fall StGB erhoben. Auch die Beklagte scheint als Geschädigte auf.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß zwischen den Streitteilen ein Darlehensvertrag rechtswirksam zustandegekommen sei. Das von der Beklagten behauptete „deliktische Zusammenwirken“ von Beschäftigten der Klägerin mit Peter R* habe nicht festgestellt werden können. Peter R* habe die ihm von der Beklagten eingeräumte Vertretungsmacht mißbraucht. Wenn ein Vertreter seinen Auftrag überschreite, sich aber im Rahmen der Vollmacht halte, sei die Vertretungshandlung grundsätzlich gültig, der Vertreter werde aber seinem Machtgeber ersatzpflichtig. Wie aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien hervorgehe, habe Peter R* die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Bauwerberin zur Unterfertigung eines Kreditvertrages sowie auch zur Unterfertigung einer Zustimmungserklärung veranlaßt, wonach der zu gewährende Kredit unmittelbar auf ein Konto der Firma P*gesellschaft mbH zu überweisen sei. Dies bedeute, daß Peter R* der Beklagten zum Schadenersatz verpflichtet sei und sich diese dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen könne. Sie habe den Kreditantrag und insbesondere die Überweisungszustimmung gutgläubig unterfertigt, ohne sich über die Tragweite bzw. das Risiko dieses Schrittes im klaren gewesen zu sein. Sie müsse die unredliche Handlungsweise ihres Vertreters im Rechtsverkehr gegen sich gelten lassen, obwohl dieser das in ihn gesetzte Vertrauen in keiner Weise gerechtfertigt habe. Der Kreditvertrag wäre nur dann wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig gewesen, wenn der Kreditsachbearbeiter der Klägerin und Peter R* in der erkennbaren Absicht zusammengewirkt hätten, die Beklagte zu schädigen. Dies habe aber die Beklagte, die hiefür allein beweispflichtig sei, nicht beweisen können.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Das Gericht zweiter Instanz erachtete aus Beweisgründen die Beischaffung des Strafaktes gegen Peter R* nicht für erforderlich. Das Erstgericht habe auch zutreffenderweise das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens nicht unterbrechen brauchen, weil es die Sachlage ohne Straferkenntnis durch selbständige Feststellungen der im konkreten Fall entscheidenden Tatumstände beurteilen konnte. Auch die Bemängelung, daß das Erstgericht die Höhe des Klagebetrages lediglich auf Grund des Kontoauszuges Beilage G feststellte, sei nicht stichhältig, weil die Beklagte in keiner Weise konkretisiert habe, warum der Kontoauszug unrichtig sein sollte.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde oder diese aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
a) Die Revisionswerberin rügt zunächst als Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens, daß dieses ihre Mängelrüge dahin, es sei der bezughabende Strafakt nicht beigeschafft worden und das Zivilverfahren hätte bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens unterbrochen werden sollen, verworfen habe. Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (SZ 22/106; 3 Ob 507/85; 2 Ob 547/85; 5 Ob 516, 517/85 uza). Davon abgesehen ist sowohl die sogenannte vorgreifende Beweiswürdigung der Vorinstanzen als auch deren Prüfung, ob die vorhandenen Beweise ausreichen bzw. ob noch weitere Beweise notwendig sind, ein Akt irrevisibler Beweiswürdigung (EFSlg. 39.254 f.; 7 Ob 755/83 ua). Schließlich handelt es sich ‑ wie schon aus dem Wortlaut des § 191 ZPO hervorgeht ‑ bei der Unterbrechung um eine Ermessenssache (8 Ob 263/71; 7 Ob 247/74 ua) und wären selbst Beschlüsse, die eine Unterbrechung verweigern, unanfechtbar (§ 192 Abs. 2 ZPO; Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 789). Die Mängelrüge der Klägerin ist daher nicht begründet.
b) Nach ständiger Rechtsprechung kann die unterlegene Partei, die ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt hat, die Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht mehr nachtragen (EvBl 1959/283; 8 Ob 578/82 uza). Da die Beklagte ihre Berufung sowohl formell als auch inhaltlich nur auf angebliche Mangelhaftigkeiten des erstgerichtlichen Verfahrens aufbaute, demgemäß auch bloß einen Aufhebungsantrag stellte, kann auf nunmehr herangezogene Fragen materiellrechtlicher Art nicht mehr eingegangen werden. Alle Vorwürfe der Beklagten gegenüber der Klägerin, daß sie aus rechtlichen Erwägungen heraus die Überweisung des Darlehensbetrages an Peter R* nicht vornehmen hätte dürfen, haben daher im Revisionsverfahren unbeachtlich zu bleiben, weil sich ein Eingehen darauf aus den dargestellten Gründen verbietet.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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