Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der mj. Klaus ist der eheliche Sohn des o. Univ.Prof. Dr.Kurt E*** und der Rechtsmittelwerberin Dr. med. Laura E***. Beide Elternteile und der mj. Klaus sind österreichische Staatsbürger; die Mutter und mj. Klaus haben auch die italienische Staatsbürgerschaft. Die Eltern leben seit 1981 getrennt, der Vater in Patsch (Tirol), die Mutter seit 1983 gemeinsam mit dem mj. Klaus in Bozen. Mit dem Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Mai 1987 wurde die Ehe der Eltern nach § 55 a EheG einvernehmlich geschieden. Die sich aus § 144 ABGB ergebenden Rechte und Pflichten stehen der Mutter allein zu.
Das Besuchsrecht des Vaters war zunächst in der Weise geregelt, daß dieser den mj. Klaus jeden zweiten Freitag um 14 Uhr in der Wohnung der Großeltern mütterlicherseits abzuholen und um spätestens 19 Uhr wieder dorthin zurückzubringen hatte. Mit der Verfügung der Prätur Bozen vom 9.Jänner 1987 wurde dieses Besuchsrecht zeitlich auf jeden zweiten und vierten Freitag im Monat von 14,30 Uhr bis 17 Uhr und örtlich auf die Räume der Sanitätseinheit Mitte-Süd, Bozen, Via Fago 14, eingeschränkt und gleichzeitig eine diskrete psychologische Beaufsichtigung der Kontaktaufnahmen angeordnet. Mit einer weiteren Verfügung der Prätur Bozen vom 24.März 1987 wurde diese Verfügung widerrufen und das Besuchsrecht des Vaters bis zu einer weiteren Entscheidung des Jugendgerichtshofes ausgesetzt. Letztgenannte Verfügung wurde mit dem Dekret des Jugendgerichtshofes Trient vom 1.Dezember 1987 infolge Unzuständigkeit der Prätur Bozen ersatzlos aufgehoben.
Mit den beim Erstgericht am 9.September 1987 bzw. 21. September 1987 eingelangten Anträgen beantragte der Vater des Minderjährigen eine Neuregelung des Besuchsrechtes. Die Mutter sprach sich dagegen aus.
Das Erstgericht erkannte in Abänderung der Regelungen des bisherigen Besuchsrechtes des Vaters - zusammengefaßt dargestellt - dahin, daß es ihm ein Besuchsrecht an jedem zweiten und vierten Wochenende eines jeden Monats einräumte, wobei er den mj. Klaus nach Beendigung der letzten Schulstunde in der Woche von der Schule in Bozen abzuholen hatte und verpflichtet wurde, das Kind nach Ende der Besuchszeit am Sonntag abends nach Bozen zurückzubringen. Die Übergabe des Kindes war am Bahnhof Bozen zur Ankunftszeit des internationalen Schnellzuges "Mediolaneum" vorzunehmen. Ein weiteres Besuchsrecht wurde im jeweiligen Wechsel für die Osterferien und Weihnachtsferien (unter den im erstgerichtlichen Beschluß näher festgehaltenen Modalitäten) festgesetzt; die Rückgabe des Kindes sollte wieder am Bahnhof Bozen erfolgen. Auch ein Besuchsrecht für die Sommerferien im Ausmaß von 5 Wochen wurde dem Vater eingeräumt und die Rückgabe des Kindes wieder wie oben geregelt. Schließlich wurde angeordnet, daß die zuständige Sozialarbeiterin des Referats für Jugend und Familie der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Ausübung des Besuchsrechtes überwachen könne, um allfällige Mißstände abzustellen. Das Erstgericht ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Der mj. Klaus lebt im Haushalt der mütterlichen Großeltern, dem auch die Mutter angehört. In der unmittelbaren Mitwelt des Kindes gibt es für Klaus viele Frauen als Bezugspersonen und den Großvater mütterlicherseits. Die Vaterfigur als Identifikationsmöglichkeit für das Kind fehlt. Seinen leiblichen Vater konnte Klaus in den letzten Jahren nur sehr wenig sehen.
Der letzte normal verlaufende Kontakt zwischen Vater und Sohn war im März 1986. Seither gab es nur mehr stundenweise Besuche des Vaters. Wie oben dargestellt wurde das Besuchsrecht durch den zuständigen Vormundschaftsrichter der Prätur Bozen zeitlich stark eingeschränkt und zugleich eine diskrete psychologische Beaufsichtigung der Kontaktaufnahmen angeordnet. Seitdem wurden andersartige Besuche des Vaters von der Mutter nicht gestattet, auch die Kontakte im Rehabilitationszentrum verliefen selten und wenig zufriedenstellend.
Klaus ist ein aufgewecktes, intelligentes und spontan herzliches Kind. Nach Erreichen des schulpflichtigen Alters besucht der Minderjährige seit dem 17.September 1987 die Privatschule Instituto Marcelline in der Via Marcelline 1. Es handelt sich um einen rein italienischsprachigen, katholischen Schwesternorden, wo die Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Entwicklung des Kindes auch unter Beachtung der vorliegenden besonderen Familienverhältnisse bestens gesichert sind. Dort besteht ein friedfertiges und konstruktives Milieu; durch das Verständnis der Schwestern für die besonderen Bedürfnisse des Minderjährigen bestehen gute Voraussetzungen, die inzwischen verlorene gute Beziehung zwischen Vater und Sohn wieder aufzubauen bzw. die diese absichernden Bedingungen zu schaffen.
Der Vater ist von Beruf Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck und wohnt in Patsch bei Innsbruck. Über seinen Leumund liegt nichts Nachteiliges vor. Sein Verhältnis zur geschiedenen Ehegattin und Mutter ist nach wie vor von hohem Konfliktniveau und gegenseitiger Aversion gekennzeichnet. Der Vater hängt sehr an Klaus, liebt das Kind aufrichtig und möchte mit der gebotenen Vorsicht wieder ein geregeltes Vater-Kind-Verhältnis aufbauen und durch regelmäßige Kontakte eine tragfähige Beziehung zu seinem Sohn aufbauen. Nachdem er erfahren hatte, wo und wann Klaus mit dem Schulbesuch beginnt, hielt er mit der Schulleitung eine Aussprache. Er konnte am ersten Schultag von Klaus anwesend sein, wodurch die Mutter und ihre Eltern, die dies verhindern wollten, überrascht wurden. Durch dieses Zusammentreffen ergab sich eine gespannte Situation, die den Minderjährigen irritierte. Bei späteren Versuchen des Vaters, seinen Sohn bei den Schulschwestern zu sehen, mußten ihm die Schwestern dies verwehren, weil die Mutter es ihnen verboten hatte.
Die Mutter lehnt nicht nur jeglichen Kontakt mit ihrem geschiedenen Ehegatten und vor allem ein Zusammentreffen desselben mit dem gemeinsamen Kind ab, sie will sich auch auf keinerlei weitere Mitarbeit im Verfahren vor österreichischen Gerichten einlassen. Der Vater erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Referat für Jugend und Familie, angebotene gute Dienste anläßlich von Aufenthalten des Minderjährigen bei seinem Vater in Patsch-Igls zuzulassen. So können durch eine Sozialarbeiterin des Bezirksjugendamtes die Verhältnisse beim Kindesvater und die Voraussetzungen für einen dortigen Aufenthalt des Minderjährigen jederzeit geprüft und allfällig notwendige Maßnahmen zur Sicherstellung des Kindeswohles ergriffen werden.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß es ein Grundrecht des nicht erziehungsberechtigten (anderen) Elternteiles sei, mit dem Kind persönlich zu verkehren. Da sich aus der Sicht des Kindeswohles keine Gründe für die Unterbindung des persönlichen Verkehrs mit seinem Vater ergeben hätten, stehe diesem trotz des anhaltend hohen Konfliktniveaus zwischen den Eltern auch nach der Scheidung ein Besuchsrecht zu.
Das Rekursgericht bestätigte im wesentlichen die vom Erstgericht getroffene Besuchsrechtsregelung. Es änderte diese nur in dem einen Punkt ab, daß der mj. Klaus bis jeweils spätestens 19,30 Uhr des letzten, vom Besuchsrecht des Vaters umfaßten Tages, zum Haus Bozen, Via Cadorna 2/E, zurückzubringen und der Kindesmutter zu übergeben ist. Es hielt die inländische Pflegschaftsgerichtsbarkeit für gegeben, weil der Minderjährige österreichischer Staatsbürger sei. Gemäß § 110 Abs 2 JN könne das inländische Gericht von der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens absehen, soweit und solange durch die im Ausland getroffenen Maßnahmen die Rechte und Interessen des Minderjährigen ausreichend gewahrt werden. Der Jugendgerichtshof Trient habe über erstgerichtliche Anfrage mitgeteilt (ON 156), daß sich das do. Pflegschaftsverfahren "noch in der Untersuchungsphase" befinde. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Referat für Jugend und Familie, habe sich gegen eine Einstellung des Verfahrens vor dem inländischen Pflegschaftsgericht ausgesprochen (ON 153). Nach der ersatzlosen Aufhebung der vorläufigen Verfügung der Prätur Bozen durch den Jugendgerichtshof Trient sei derzeit keinerlei pflegschaftsgerichtliche Anordnung eines italienischen Gerichtes aktenkundig, weshalb derzeit die Wahrung der Interessen des Minderjährigen bei Einstellung der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit keineswegs gewahrt schiene. Auch das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß der nicht erziehungsberechtigte Elternteil ein Recht auf persönlichen Verkehr mit seinem Kind habe. Die Besuchsrechtsausübung diene in erster Linie dem Kindeswohl sowie der Aufrechterhaltung der auf Blutsverwandtschaft beruhenden Beziehungen. Aufgabe des erziehungsberechtigten Elternteiles sei es ua, die Besuchsrechtsausübung zu ermöglichen, alles zu unternehmen, um deren positiven Verlauf zu gewährleisten sowie eine allfällig vorhandene ängstliche oder vorerst ablehnende Einstellung des Kindes abzubauen. Allenfalls zwischen Eltern bestehende, im Fall der Trennung regelmäßig auftretende Spannungen stellten an sich keinen Grund für eine Versagung des Besuchsrechts des Vaters dar. Die persönlichen Interessen des erziehungsberechtigten Elternteiles hätten einerseits gegenüber dem Besuchsrecht des Vaters und andererseits gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten. Wie sich aus dem psychologischen Sachverständigengutachten ergebe, bestünden hinsichtlich der Person des Vaters keinerlei Bedenken gegen eine Besuchsrechtsausübung in der beantragten und vom Erstgericht beschlossenen Form. Die Fronten zwischen den Eltern hätten sich immer mehr verhärtet. Während der Vater sein Besuchsrecht entsprechend der vorläufigen erstgerichtlichen Besuchsrechtsregelung weiterhin ausüben wollte, habe die Mutter versucht, sich auf die inzwischen aufgehobene Verfügung der Pätur Bozen zu stützen und die weiteren persönlichen Kontakte des Vaters zu Klaus möglichst zu unterbinden. Es werde aber Aufgabe der Mutter sein, an der vorgenommenen Besuchsrechtsregelung positiv mitzuwirken.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Mutter mit dem aus den Ausführungen zu erschließenden Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Besuchsrechtsregelung den italienischen Behörden zu überlassen oder die Besuchsausübung des Vaters weniger umfassend zu gestalten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Wie oben ausgeführt wurde, bestätigte das Rekursgericht die vom Erstgericht getroffene Besuchsrechtsregelung mit einer einzigen Ausnahme, nämlich der Art der Zurückbringung des Minderjährigen zur Mutter. Gerade dagegen wendet sich die Revisionsrekurswerberin aber nicht. Sie bekämpft daher nur den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung. Wie der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung erkannte, ist in einem solchen Fall eine trennbar vom abändernden Teil bestätigenden Entscheidung nur mehr der außerordentliche Rekurs nach § 16 AußStrG statthaft (RZ 1985/35; 7 Ob 582/85; 4 Ob 509/83 ua; vgl. auch Petrasch ÖJZ 1985, 303). Die Rechtsmittelwerberin ist daher auf die Anfechtungsgründe der Nullität, Aktenwidrigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit beschränkt. Keiner dieser Anfechtungsgründe liegt jedoch vor:
Gemäß § 110 Abs 1 Z 1 JN idF der ZivilverfahrensNovelle 1983 ist für die in § 109 JN nF genannten Angelegenheiten, worunter die Besorgung der Geschäfte zählt, die nach den Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und mj. Kinder dem Gericht obliegen, die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Minderjährige österreichischer Staatsbürger ist. Nach § 110 Abs 2 JN idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983 spielt die Entscheidung der Heimatbehörde bei einem österreichischen Minderjährigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, nur mehr insofern eine Rolle, als das Gericht von der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens absehen kann (aber nicht muß), soweit und solange durch die im Ausland getroffene oder zu erwartende Maßnahme die Rechte und Interessen des Minderjährigen ausreichend gewahrt werden. Im Gesetz ist die Entscheidung der Frage, ob gemäß § 110 Abs 2 JN nF von der Einleitung oder Fortsetzung eines inländischen Verfahrens abgesehen wird oder nicht, vom Ermessen des inländischen Gerichtes abhängig gemacht, das sich nur am Wohle des Kindes, nämlich der ausreichenden Wahrung seiner Interessen durch die Behörden des ausländischen Staates zu orientieren hat (3 Ob 582/83; 3 Ob 513, 514/83; 8 Ob 681/86 ua; vgl. auch 7 Ob 651/84). Auf das Wohl des Kindes nahmen aber die Entscheidungen der Vorinstanzen Bedacht:
Das Rekursgericht verwies ausdrücklich darauf, daß ihm derzeit die Wahrung der Interessen des Minderjährigen bei Einstellung der inländischen Pflegschaft aufgrund der bisherigen Ermittlungen und Auskünfte der italienischen Behörden noch nicht voll gewahrt erscheint. Ob diese Einschätzung im Einzelfall richtig ist oder nicht, kann aber mit den allein zur Verfügung stehenden Anfechtungsgründen des § 16 AußStrG nicht bekämpft werden. Es ist daher vom Vorliegen der inländischen Jurisdiktion nach autonomen Kollisionsrecht des § 110 Abs 1 Z 1 JN auszugehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht jedes Elternteiles, mit dem Kind persönlich zu verkehren, ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, somit ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht (EFSlg 43.216; 45.716 uza). Die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu beiden Elternteilen zumindest durch Besuche ist grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt im wohlverstandenen Interesse des Kindes (EFSlg 35.868; AnwBl. 1983, 719 ua). Um den Zweck des Besuchsrechtes zu erreichen, ist dem Besuchsberechtigten im allgemeinen der Kontakt zu seinem Kind unbeschränkt, d.h. ohne Beeinträchtigung durch Zuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten zu gestatten und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (EFSlg 35.879;
45.744 uza). Sind die bei der Ausübung des Besuchsrechtes auftretenden Irritationen des Kindes allein auf Spannungen zwischen den Eltern zurückzuführen, wie sie häufig nach der Zerrüttung der Ehe zu befürchten sind, ist es Pflicht und Aufgabe der Eltern, Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Elternteilen in gleicher Weise zu fördern. Das mag den Eltern vielfach schwerfallen, doch ist dieses Verhaltensgebot gerade nach der Vernichtung der Ehe für das richtig verstandene Kindeswohl, seine Charakterbildung und sein seelisches Gleichgewicht nach gesicherten Erkenntnissen von besonderer Bedeutung (EFSlg 48.345; 1 Ob 526/85; 8 Ob 695/86 ua). Die von der Mutter in ihrem Revisionsrekurs gegen den Vater des Minderjährigen erhobenen Vorwürfe zeigen zwar deutlich ihre Animosität gegenüber ihrem ehemaligen Ehegatten auf, sie können aber keinem der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG unterstellt werden. Insbesondere vermögen sie an den dargelegten Grundsätzen nichts zu ändern, nach denen ein gedeihliches Verhältnis des Kindes zu beiden Elternteilen erstrebenswert erscheint. Dabei ist auch an dessen Zukunft zu denken, die ohne die Erfahrung der väterlichen Zuneigung nach dem Lauf der Dinge sehr problematisch werden könnte. Da somit keiner der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG vorliegt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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