OGH 8Ob534/94

OGH8Ob534/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karl P***** und 2. Christine P*****, Landwirte, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wider die beklagte Partei Franz F*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Gerald Carli, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000,-- S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24.März 1994, GZ 5 R 449/93-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 8.Oktober 1993, GZ 3 C 306/93t-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteiles wird das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die mit 7.168,32 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.194,72 S USt) und die mit 5.858,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahren (darin 1.800,-- S Barauslagen und 676,48 S USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte übernahm im Jahre 1982 im Verlassenschaftsverfahren nach seiner verstorbenen Adoptivmutter deren ideelles Hälfteeigentum an den dieser und dem erblasserischen Witwer Alois F*****, dem Adoptivvater des Beklagten, je zur Hälfte gehörigen Liegenschaften EZ ***** KG Obersafen, EZ ***** KG Seibersdorf und EZ ***** KG Unterrohr in sein Alleineigentum. Er räumte mit Erbübereinkommen vom 19.1.1982 seinem Adoptivvater, dem erblasserischen Witwer Alois F*****, an den von ihm übernommenen Liegenschaftshälften auf dessen Lebensdauer das unentgeltliche Fruchtgenußrecht und Wirtschaftsführungsrecht gemäß den Bestimmungen der §§ 509 ff ABGB ein und räumte diesem gleichzeitig auch das Vorkaufsrecht "gemäß den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches" ein, wobei auf eine grundbücherliche Sicherstellung des Vorkaufsrechtes und des obigen Fruchtgenußrechtes verzichtet worden war.

Mit Notariatsakt vom 27.2.1992, beruhend auf dem Übergabsvertrag vom gleichen Datum, übergab Alois F***** die in seinem bücherlichen Eigentum stehende (ideelle) Hälfte der Liegenschaften EZ ***** KG Obersagen und EZ 184 KG Seibersdorf gegen Einräumung der Reallast des (üblichen) Ausgedinges je zur Hälfte in das (gemeinsame ideelle) Eigentum der beiden Kläger - somit in Ansehung der Gesamtliegenschaft zu je einem Viertel. Unter einem übertrug Alois F***** mit diesem Übergabsvertrag alle aus dem ihm gemäß Erbübereinkommen vom 19.1.1982 eingeräumten Fruchtgenußrecht (an der zweiten Liegenschaftshälfte) resultierenden Rechte und Pflichten an die beiden Kläger.

Der Erstkläger wollte am 20.4. und am 28.4.1993 auf den Liegenschaften Ackerarbeiten vornehmen und pflügen, beide Male wurde er vom Beklagten durch Vorstellen eines Fahrzeuges daran gehindert. Auch bei weiteren Versuchen, die Acker- und Wiesenflächen zu bearbeiten, wurde er vom Beklagten behindert.

Unter Hinweis auf das dem Alois F***** eingeräumte Fruchtgenußrecht und die Übertragung mit Übergabsvertrag vom 27.2.1992 begehrten die Kläger mit Unterlassungsklage die Verurteilung des Beklagten, jede Störung der Kläger in ihrem Recht auf Nutzung unter Schonung der Substanz der Liegenschaften EZ ***** KG Obersafen und EZ ***** KG Seibersdorf, insbesondere Behinderungen bei der Eigenbearbeitung dieser Grundstücke, zu unterlassen. Zufolge Übertragung der sich aus dem Fruchtgenußrecht ergebenden Rechte und Pflichten an die Kläger, stehe diesen das Recht auf volle Nutzung der Liegenschaften sowohl aus ihrem Eigentumsrecht, aber auch aus dem ihnen übertragenen obligatorischen Fruchtgenußrecht zu. Die vom Beklagten erfolgte Behinderung bei der Bearbeitung der Äcker stelle einen unzulässigen Eingriff in die den Klägern zustehende ausschließliche Nutzung dar.

Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, bei der Fassung des Erbübereinkommens sei er sich über die Bedeutung des Fruchtgenußrechtes nicht im klaren gewesen. Vertragswille hinsichtlich dieses Fruchtgenusses sei lediglich gewesen, daß Alois F***** mit dem erzielten Pachtschilling eine Verbesserung seiner Pension erwirken könne. Es sei aber nicht Sinn und Zweck des Fruchgenußrechtes gewesen, daß nicht Alois F*****, sondern die Kläger die daraus gezogenen Früchte für sich verwenden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Fruchtnießung sei das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen (§ 509 ABGB), daher sei der Fruchtnießer auch berechtigt, die belastete Sache zu vermieten oder zu verpachten. Eben dies habe Alois F***** mit der Übertragung der aus dem Fruchtgenuß erfließenden Rechte und Pflichten an die Kläger getan. Den Klägern stehe daher auf Lebenszeit des Fruchtnießers das ausschließliche Nutzungsrecht an den genannten Liegenschaften zu, in das der Beklagte nicht einzugreifen berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge; es änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, mangels Verbücherung des Fruchtgenußrechtes sei für Alois F***** nur ein der Fruchtnießung ähnliches Recht begründet worden. Nur das dingliche Recht könne der Fruchtnießer "zumindest der Ausübung nach" einem anderen überlassen. Zwar könne auch ein der Fruchtnießung nachgebildetes obligatorisches Recht vereinbart werden, daraus folge aber noch nicht die Übertragbarkeit desselben. Keineswegs könne jedes Recht schon dann übertragen werden, wenn seine Übertragung nicht gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, denn es liege keine erhebliche Rechtsfrage vor und das Berufungsgericht sei auch nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit Beschluß vom 30.6.1994 wurde dem Beklagten die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. In der sodann überreichten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Das Berufungsgericht ist von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach ein Fruchtgenußrecht seiner Ausübung nach übertragbar sei (7 Ob 513/85; SZ 58/150; EvBl 1962/366, 461) abgewichen; die Frage der unterschiedlichen Beurteilung eines verbücherten und eines nicht verbücherten Fruchtgenußrechtes hinsichtlich seiner Übertragbarkeit betrifft eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Im Bereich der persönlichen Servituten wird die Übertragung eines Fruchtgenußrechtes der Ausübung nach mit schuldrechtlicher und mit dinglicher Wirkung anerkannt (SZ 23/280; 7 Ob 513/85 Petrasch-Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 509 ABGB; Koziol-Welser Grundriß I9, 163; Klang-Klang Komm2 II 566 und 583). Der Umstand, daß im Erbübereinkommen vom 19.1.1982, in dem der Beklagte seinem Adoptivvater Alois F***** ein Fruchtgenußrecht einräumte, auf dessen Verbücherung verzichtet worden war, steht der Übertragung seiner Ausübung nicht entgegen. Für Forderungen ist vielmehr deren Übertragbarkeit der Regelfall, nur ein Zessionsverbot bedarf einer rechtsgeschäftlichen (SZ 41/16 = EvBl 1968/211, 349) oder einer gesetzlichen Begründung (vgl etwa §§ 485, 507 ABGB für Realservituten bzw zum höchstpersönlichem Recht des Gebrauches). Ganz allgemein sind also obligatorische Rechte abtretbar, während Sachenrechte nicht zedierbar sind, bei denen die vertragliche Übertragung der Rechtszuständigkeit besonders geregelt ist (Ertl-Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 1393; Koziol-Welser Grundriß I9, 290 f). Soferne es sich nicht um höchstpersönliche Ansprüche handelt bzw sonstige rechtliche Hindernisse einer Übertragung entgegenstehen (zB § 1153 ABGB im Gegensatz zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz ua), ist ein Forderungsrecht grundsätzlich übertragbar (Mayerhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht Allgemeiner Teil 472 ff). Wenn daher ein verdinglichtes Fruchtgenußrecht "seiner Ausübung nach" übertragbar ist, dann gilt dies umsomehr für ein nicht verbüchertes Fruchtgenußrecht (so schon Glaser-Unger Neue Folge 1651 für ein obligatorisches Wohnrecht). Eine Rechtsähnlichkeit zum Gebrauchsrecht hat noch nicht zwangsläufig die Unübertragbarkeit zur Folge (vgl Petrasch-Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 485 und Rz 1 zu § 507). Der Beklagte ist daher im Hinblick auf die Übertragbarkeit des seinem Adoptivvater eingeräumten, von diesem an die Kläger übertragenen Fruchtgenußrechtes nicht berechtigt, den Gebrauch der Liegenschaft durch die Kläger zu hindern.

Der Einwand des Beklagten, er habe seinem Adoptivvater das Fruchtgenußrecht übertragen, damit dieser den Ertrag der Liegenschaft zur Aufbesserung seiner Pension verwende und ihn nicht den Klägern zuwende (ON 2, AS 6 f), besagt keineswegs die Vereinbarung einer Unübertragbarkeit, denn auch ein solcher Vertragszweck verlangt nicht, daß der Fruchtnießer höchstpersönlich die Früchte zieht; er könnte die Aufbesserung der Pension ja auch durch eine für ihn weniger beschwerliche Verpachtung bzw im Rahmen eines Übergabsvertrages, mit dem ihm Ausgedingsleistungen zugesichert werden, erzielen. Auch der vom Beklagten geltend gemachte Vertragszweck gestattet also die Übertragung des nicht verbücherten Fruchtgenusses. Ob und in welcher Form der Überträger des Rechtes seine Pension aufbessert, bleibt ausschließlich seiner Disposition überlassen. Soweit sich der Beklagte auf diesen eine Übertragung hindernden Vertragszweck beruft, macht er ein unbeachtliches rechtsgeschäftliches Motiv (§ 901 ABGB) geltend.

Somit ist ein Hindernis, das Forderungsrecht auf die Kläger zu übertragen, nicht ersichtlich und kann auch aus dem Beklagtenvorbringen in keiner Weise abgeleitet werden.

Die rechtlichen Voraussetzungen einer Unterlassungsklage (vgl Rechberger Komm ZPO Rz 14 f zu § 406 ZPO) sind unstrittig gegeben:

Der Beklagte hat zumindest bei zwei Anlässen die Rechtsausübung der Kläger gehindert, und die Wiederholungsgefahr ist durch das Prozeßverhalten des Beklagten, der das Recht der Kläger weiterhin bestreitet, unzweifelhaft.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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