OGH 8Ob524/94

OGH8Ob524/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg Fidler, Rechtsanwalt, 8650 Kindberg, Bahnhofstraße 5, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Johann R*****, wider die beklagte Partei Irene R*****, vertreten durch Dr.Gerhard Fink und Dr.Peter Bernhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 900.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.November 1993, GZ 2 R 176/93-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14.Juni 1993, GZ 27 Cg 13/93b-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Dem an die zweite Instanz gerichteten Kostenrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 59.339,40 (darin S 9.889,90 USt) bestimmten Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 2.6.1989 wurde über das Vermögen des Johann R*****, des Vaters der Beklagten, zu ***** des Landesgerichtes Leoben das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestand bei der Austria Versicherung eine aufrechte Unfallversicherung zugunsten des Gemeinschuldners. Aus dieser erhielt er im Februar 1990 wegen unfallbedingter 56 %iger Invalidität eine Zahlung von S 2 Mill. Von dieser Versicherungssumme gab der Gemeinschuldner im Mai 1990 der Beklagten, der die Tatsache der Konkurseröffnung bekannt war, ein Darlehen von S 900.000,--, das diese in den Jahren 1990 und 1991 in zwei Teilbeträgen zurückzahlte.

Den Organen des Konkursverfahrens war ursprünglich nicht bekannt, daß der Gemeinschuldner eine Versicherungszahlung erhalten hatte. Aufgrund eines Hinweises und bei der Versicherung mit Zustimmung des Gemeinschuldners geführten Erhebungen konnte der Masseverwalter im August 1990 dem Gläubigerausschuß von der Zahlung an den Gemeinschuldner Mitteilung machen. Der Vertreter des Gemeinschuldners erklärte sich in der Folge bereit, mit der Versicherungssumme einen 20 %igen Zwangsausgleich zu finanzieren und zahlte am 30.8.1990 einen Betrag von S 200.000,-- auf das Massekonto ein. Er zog jedoch in der Folge den Zwangsausgleichsantrag wieder zurück, da der Gemeinschuldner nunmehr nicht mehr angeben könne, wo die betreffenden Gelder hingeflossen seien. Eine Klage gegen die Versicherungsgesellschaft unterblieb, da sie sich auf die nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes eingetretene Verjährung berief.

Mit seiner am 16.11.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Masseverwalter, die Beklagte zur Zahlung des Betrages von S 900.000,-- s.A. schuldig zu erkennen. Er brachte vor, die Rückzahlung des Darlehens sei rechtswidrig an den Gemeinschuldner erfolgt, da schuldbefreiend nur an die Masse hätte geleistet werden dürfen. Die Klage werde auf den Rechtsgrund der Darlehensrückzahlung gestützt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung, weil die Versicherungsleistung als Invaliditätsentschädigung nicht der Pfändung unterliege und daher zumindest mit einem Betrag von S 1,800.000,-- nicht in die Konkursmasse gefallen sei. Der Gemeinschuldner habe S 200.000,-- an die Konkursmasse geleistet und damit seinen Verpflichtungen entsprochen. Auch habe der Masseverwalter sich grundsätzlich geweigert, in den Versicherungsvertrag einzutreten, insbesondere die monatlichen Versicherungsprämien aus der Konkursmasse zu bezahlen. Diese seien daraufhin von Familienmitgliedern des Gemeinschuldners finanziert worden. Die Tatsache, daß konkursfreies Vermögen vorliege, sei vom Masseverwalter, vom Gläubigerausschuß und dem Konkursgericht - zumindest konkludent - anerkannt worden. Der Gemeinschuldner sei lediglich aufgefordert worden, einen Betrag von S 200.000,-- in die Konkursmasse zu bezahlen. Die Beklagte habe bei dieser Sachlage gutgläubig davon ausgehen können, daß ihr Vater über den ihr zur Verfügung gestellten Betrag verfügungsberechtigt sei.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren Folge. Es traf die eingangs zusammengefaßten Feststellungen, die es rechtlich dahin würdigte, daß die Zuwendung des Darlehensbetrages an die Beklagte und die Rückzahlung dieses Darlehens an den Gemeinschuldner eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 31 Abs.1 Z 1 KO darstelle. Der Gemeinschuldner habe die Auszahlung des Versicherungsbetrages im Konkursverfahren verschwiegen, sodaß von einer stillschweigenden Verzichtserklärung der Konkursorgane keine Rede sein könne.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei und führte aus: Gemäß § 3 Abs.1 KO seien Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, die die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Die Rückabwicklung von nach § 3 KO relativ unwirksamen Vermögensverschiebungen habe nach Bereicherungsgrundsätzen zu erfolgen. Eine danach rückgängig zu machende ungerechtfertigte Vermögensverschiebung liege aber im konkreten Fall nicht vor, da die Beklagte zufolge der Rückzahlung nicht mehr bereichert sei. Auch stütze der Kläger seine Klage ausschließlich auf den Rechtsgrund der Rückzahlung einer Darlehensverbindlichkeit. Eine solche Verbindlichkeit habe aber zufolge der Handlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners nicht wirksam zustandekommen können. Die Rückzahlung könne deshalb nicht gefordert werden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.

Gemäß § 1 Abs.1 KO wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Rechtshandlungen des Gemeinschuldners über Massebestandteile sind den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Lediglich Rechtshandlungen, die das konkursfreie, somit das der Exekution nicht unterworfene Vermögen betreffen, bleiben von der Konkurseröffnung unberührt (SZ 54/50; SZ 52/30). Ob Vermögen im Sinne des § 1 Abs.1 KO der Konkursmasse zuzuzählen oder aber der Exekution entzogen ist, ist nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung oder des Vermögenserwerbes während des laufenden Konkurses zu beurteilen. Nach dem bis 1.3.1992 in Geltung gestandenen § 2 Z 2 Lohnpfändungsgesetz (LPfG) unterlagen Renten, die aufgrund von Versicherungsverträgen gewährt werden, wenn diese Verträge zur Versorgung des Versicherungsnehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sind, den Pfändungsschutzbestimmungen für Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 5 ff LPfG. Unpfändbar waren gemäß § 4 Abs.1 Z 1 Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind. Für Rentenansprüche, die durch eine einmalige Kapitalszahlung abgefunden wurden, bestand allerdings der Pfändungsschutz der genannten Gesetzesbestimmungen nicht (Heller/Berger/Stix Lohnpfändung 20, 35; SZ 23/280; SZ 26/210). Diese Versagung des Pfändungsschutzes wurde damit begründet, daß das Gesetz ausdrücklich von Rente spreche und deshalb bei einem Kapitalbetrag die Berechnung von Freibeträgen praktisch unmöglich sei (Heller/Berger/Stix aaO 20). Sowohl nach den allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung - AUVB - 1965 (VerVVers 1965, 18 und VerVVers 1985 H 2, 11) als auch nach den AUVB 1988 (VerVVers 1988 H 1, 29) erfolgt die Leistung des Versicherers im Falle der dauernden Invalidität als Kapitalzahlung (Art.11 II AUVB 1965, Art.7 1.AUVB 1988) und wandelt sich nur im Falle des Überschreitens einer bestimmten Altersgrenze, im Geltungsbereich der AUVB 1965 auch über Antrag, in eine Rente um. Es erweist sich somit, daß die dem Gemeinschuldner geleistete Einmalzahlung auch bei weiter Auslegung nicht unter den gesetzlichen Begriff Rente subsumiert werden kann. Der ausbezahlte Versicherungsbetrag unterlag daher zur Gänze der Exekution und war daher gemäß § 1 Abs.1 KO als Bestandteil der Konkursmasse der freien Verfügung des Gemeinschuldners entzogen.

Die von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung angestellten Überlegungen, ob die Versicherungsleistung ihrem Vater nicht gemäß § 5 Abs.1 KO ("... was der Gemeinschuldner durch eigene Tätigkeit erwirbt oder was ihm während des Konkurses unentgeltlich zugewendet wird, ist ihm zu überlassen, soweit es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, unerläßlich ist.") zu überlassen gewesen wäre, müssen schon daran scheitern, daß ein hiezu erforderliches Vorbringen im Verfahren erster Instanz nicht erstattet wurde. Die im Verfahren aufgestellte Behauptung, der Masseverwalter habe sich geweigert, die Prämien aus der Masse weiterzubezahlen, könnte selbst im Falle ihrer Richtigkeit noch nicht den Schluß rechtfertigen, der Masseverwalter habe damit das gesamte bestehende Versicherungsverhältnis einschließlich der sich daraus ergebenden Rechte in die freie Verfügung des Gemeinschuldners übertragen. Hiezu bedürfte es einer ausdrücklichen Erklärung, deren Vorliegen von der Beklagten jedoch selbst nicht behauptet wurde. Ein Ausscheiden der ausbezahlten Versicherungssumme aus der Konkursmasse kommt mangels

Vorliegens der Voraussetzungen des § 119 Abs 5 KO ("... Forderungen,

deren Eintreibung keinen ausreichenden Erfolg verspricht, ... Sachen

unbedeutenden Wertes....") nicht in Frage und hätte zudem einen Beschluß des Gläubigerausschusses und des Konkursgerichtes zur Voraussetzung.

Ist die während des Konkurses dem Gemeinschuldner geleistete Zahlung aber gemäß § 1 Abs.1 KO der Konkursmasse zuzurechnen, sind seine diesbezüglichen Rechtshandlungen gemäß § 3 Abs.1 KO den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Engegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz schließt die Tatsache, daß der Gemeinschuldner über den ihm zugekommenen Betrag nicht rechtswirksam verfügen konnte, aber nicht den Rückforderungsanspruch hinsichtlich eines trotzdem von ihm gewährten "Darlehens" aus. Vielmehr wäre die Masse, wenngleich ein Darlehensvertrag nicht wirksam zustandegekommen, das Geld jedoch der Beklagten übergeben worden ist, berechtigt gewesen, die Rückgabe aus dem Grunde der Bereicherung ohne an allfällige Rückzahlungstermine gebunden zu sein, jederzeit zu fordern (NZ 1986, 230; SZ 56/186), was in der Klage hinreichend deutlich vorgebracht wurde.

Forderungsberechtigt im Rahmen der Rückabwicklung der nach § 3 Abs.1 KO relativ unwirksamen Vermögensverschiebung ist aber nicht der Gemeinschuldner, sondern ausschließlich die Masse. Durch Zahlung einer Schuld an den Gemeinschuldner nach Konkuseröffnung wird der Verpflichtete gemäß § 3 Abs.2 KO nicht befreit, es sei denn, daß das Geleistete der Konkursmasse zugewendet worden ist oder daß dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Konkurseröffnung nicht bekannt war und daß die Unkenntnis nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht. Es ist unstrittig, daß der Klagsbetrag der Konkursmasse bisher nicht zugewendet worden ist. Ebenso steht außer Streit, daß der Beklagten die Konkurseröffnung über das Vermögen ihres Vaters bekannt war. Darauf, ob sie aufgrund eines Rechtsirrtums annahm, trotz der Konkurseröffnung an den Gemeinschuldner leisten zu dürfen, kommt es nicht an. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann auch keine Rede davon sein, ein Anspruch des Masseverwalters gegen die Beklagte könne deshalb nicht durchschlagen, da sie infolge Rückzahlung nicht mehr bereichert sei. Anders als im Fall SZ 56/186 hat die Beklagte ja nicht an einen forderungsberechtigten Dritten, sondern an den Gemeinschuldner selbst geleistet. Damit wurde sie aber von ihrer Schuld gegenüber der Masse nicht befreit, sodaß diese nunmehr Zahlung begehren kann, ohne daß es des Vorliegens eines Anfechtungstatbestandes bedurfte.

Das Urteil des Erstgerichtes war daher wieder herzustellen. Dem stand auch nicht die in der Berufung der Beklagten gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz entgegen, mit welcher sich das Berufungsgericht infolge seiner unrichtigen Rechtsansicht nicht auseinandergesetzt hat. Den Ausführungen der Berufungswerberin kann nämlich nicht entnommen werden, daß die vom Erstgericht unterlassene Vernehmung der beiden beantragten Zeugen eine der Beklagten günstigere Entscheidung herbeiführen könnte. Weder die Klärung der Frage, weshalb der Masseverwalter nicht die Auszahlung des Versicherungsbetrages von der Versicherung begehrt hat noch die Feststellung, daß der Vater auf die Rechtsansicht seines Anwaltes vertraute, könnte aus den dargestellten rechtlichen Erwägungen zu einer Abweisung des Klagebegehrens führen.

Wegen Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles in der Hauptsache ist auch auf die damit wieder aktuell gewordene Bekämpfung der Kostenentscheidung durch die Beklagte Bedacht zu nehmen (1 Ob 25/92; 1 Ob 661/84; JBl. 1978, 433; Fasching Kommentar IV 459; M.Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß 484). Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufung vermögen jedoch nicht die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zu begründen, da in der Verhandlung vom 22.12.1992 nicht nur die Unzuständigkeitseinrede erörtert, sondern auch in der Hauptsache verhandelt wurde. Der Vortrag von Klage und Klagebeantwortung, der Auftrag zur Verbesserung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und schließlich die Fassung des Beweisbeschlusses ist der Sammlung des materiellen Prozeßstoffes zuzuordnen. Auch die Kosten dieser Tagsatzung teilen daher das Schicksal der Kosten des Hauptverfahrens.

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