Spruch:
Die Unterlassung der Antragstellung auf Fällung eines Versäumungsurteiles bewirkt nur dann den Eintritt des Ruhens des Verfahrens, wenn die erschienene Partei vom Richter zu dieser Antragstellung aufgefordert wurde
OGH 24. 11. 1983, 8 Ob 510/83 (LG Innsbruck 3 R 1014/82; BG Innsbruck 11 C 156/82)
Text
Mit der am 30. 12. 1981 beim Erstgericht eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung von 6671.59 S sA. Gegen den darüber ergangenen Zahlungsbefehl des Erstgerichtes erhob der Beklagte rechtzeitig Widerspruch, in dem er ein Sachvorbringen erstattete und Urkunden vorlegte. Zu der für 7. 4. 1982 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erschien nur ein Vertreter der Klägerin. Die Ladung des Beklagten war nicht ausgewiesen. Bei dieser Tagsatzung trug der Vertreter der Klägerin die Klage vor, ergänzte - teils als Replik auf die allerdings noch nicht vorgetragenen Ausführungen im Widerspruch - das Klagevorbringen und bot ergänzend Beweise an. Nach Erörterung der vom Beklagten im Widerspruch vorgelegten und zum Akt genommenen Urkunden nahm der Klagevertreter zu diesen Stellung und legte selbst eine weitere Urkunde vor. Zur Aufnahme der angebotenen Beweise wurde die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung auf 14. 7. 1982 erstreckt. Zu dieser Tagsatzung erschien abermals nur der Vertreter der Klägerin. Die Ladung des Beklagten war ausgewiesen. Nach Wiederholung der bisherigen Verhandlungsergebnisse durch das Erstgericht verzichtete der Klagevertreter auf die Einvernahme der Klägerin als Partei und legte zwei weitere Beweisurkunden vor, in die das Gericht Einsicht nahm. Da ein weiteres Vorbringen nicht erstattet wurde, schloß das Erstgericht die Verhandlung und behielt die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vor.
Das Erstgericht sprach mit Urteil vom 15. 10. 1982 der Klägerin den Betrag von 2600.42 S sA zu; das Klagemehrbegehren von 4071.17 S sA wies es ab.
Das Berufungsgericht wies die von der Klägerin gegen dieses Urteil (in seinem klagsabweisenden Teil) erhobene Berufung als unzulässig zurück. Da die klagende Partei es unterlassen habe, einen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles zu stellen, sei jedenfalls in der Tagsatzung vom 14. 7. 1982 Ruhen des Verfahrens eingetreten. Das Erstgericht hätte daher kein Urteil fällen dürfen.
Gerichtshandlungen während des Ruhens bzw. der Unterbrechung des Verfahrens verletzten das rechtliche Gehör der Parteien und seien daher nichtig. Diese Nichtigkeit könne allerdings nur im Rahmen der Anfechtung durch ein zulässiges Rechtsmittel wahrgenommen werden. Da die Berufung der Klägerin die Nichtigkeit in keiner Weise moniere, das Urteil vielmehr meritorisch bekämpfe, sei die Berufung als eine infolge der Ruhenswirkung unwirksame Prozeßhandlung unzulässig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Falls im bezirksgerichtlichen Verfahren die beklagte Partei von der ersten, sei es zur Vornahme der im § 239 ZPO bezeichneten Prozeßhandlungen, sei es sofort zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung ausbleibt, so ist auf Antrag der klagenden Partei gegen sie gemäß § 396 ZPO ein Versäumungsurteil zu fällen (§ 442 Abs. 1 ZPO). Unterläßt die klagende Partei diesen Antrag, so tritt Ruhen des Verfahrens ein (Fasching II 694 und II 160, 623; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], 234; Dolinar, Ruhen des Verfahrens und Rechtsschutzbedürfnis 45; SZ 27/253; SZ 48/46). Dies gilt allerdings nur unter den in § 133 Abs. 2 ZPO normierten, im folgenden zu erörternden Voraussetzungen.
Auszugehen ist davon, daß die Unterlassung des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles nur eine von Lehre und Rechtsprechung entwickelte Erscheinungsform des zweiten Säumnisfalles der - gemäß § 431 ZPO auch im Verfahren vor den Bezirksgerichten anzuwendenden - Bestimmung des § 133 Abs. 2 ZPO darstellt. Dieser Säumnisfall liegt aber - wie die Rekurswerberin richtig aufzeigt - nur dann vor, wenn die erschienene Partei trotz richterlicher Aufforderung den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils nicht stellt (Fasching II 694; Holzhammer aaO 234; Dolinar aaO 47 f.). Ist eine solche richterliche Aufforderung, die jedenfalls im Protokoll festzuhalten ist (Fasching II 694) und im Falle des Einschreitens eines Rechtsanwaltes in Form eines bloßen Befragens erfolgen kann (Dolinar aaO 45), unterblieben, dann bewirkt die Unterlassung des Urteilsantrages - wie das Nichtverhandeln im allgemeinen - kein Ruhen des Verfahrens (Fasching II 812; vgl. auch SZ 27/253). Da im vorliegenden Fall das Erstgericht eine Aufforderung iS des § 133 Abs. 2 ZPO an den erschienenen Klagevertreter unterlassen hat, ist der Säumnistatbestand hier nicht erfüllt. Die Unterlassung eines Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles führte daher im vorliegenden Fall nicht zum Ruhen des Verfahrens. Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht die Unzulässigkeit der Berufung angenommen.
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