OGH 4Ob106/54

OGH4Ob106/5412.10.1954

SZ 27/253

Normen

ZPO §38
ZPO §168
ZPO §396
ZPO §38
ZPO §168
ZPO §396

 

Spruch:

Kein Eintritt des Ruhens des Verfahrens, wenn der Kläger für den Fall der nicht rechtzeitigen Nachbringung der Vollmacht des Beklagtenvertreters keinen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles stellt.

Entscheidung vom 12. Oktober 1954, 4 Ob 106/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Braunau am Inn; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.

Text

Das Erstgericht stellte mit seinem Beschluß vom 26. März 1954 fest, daß Ruhen des Verfahrens eingetreten sei, weil die Vollmacht des für die Beklagten bei der Tagsatzung am 10. März 1954 einschreitenden Rechtsanwaltes Dr. Walter R. nicht innerhalb der festgesetzten Frist von 14 Tagen beigebracht wurde und der Kläger keinen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles im Falle der nicht rechtzeitigen Beibringung der Vollmacht stellte.

Infolge Rekurses der klagenden Partei hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm auf, das Verfahren fortzusetzen. Es ging dabei von folgendem, sich aus der Aktenlage ergebenden Sachverhalt aus: Bei der mündlichen Streitverhandlung am 10. März 1954 trug die klagende Partei die Klage vor. Für die beklagte Partei schritt Dr. R. ein, der gemäß § 38 ZPO. als Bevollmächtigter einstweilen zugelassen wurde und den Auftrag erhielt, die Vollmacht binnen 14 Tagen beizubringen. Dr. R. bestritt das klägerische Vorbringen, worauf die Verhandlung erstreckt wurde. Ein Antrag auf Fällung des Versäumungsurteils für den Fall der Nichtbeibringung der Vollmacht ist in der Verhandlung vom Kläger nicht gestellt worden. Die Frist zur Beibringung der Vollmacht verlief fruchtlos, eine Vollmacht wurde nicht gelegt.

Auf Grund dieses Sachverhaltes verneinte das Rekursgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Feststellung des Ruhens des Verfahrens. Ruhen des Verfahrens, so führt der rekursgerichtliche Beschluß aus, tritt gemäß § 168 ZPO. nur dann ein, wenn die Parteien dies vereinbaren oder gemäß § 170 ZPO. keine der Parteien zur Verhandlung erscheint. Weder das eine noch das andere sei gegebenenfalls anzunehmen. Wenn der gemäß § 38 ZPO. für die Beklagten auftretende Vertreter innerhalb der ihm gestellten Frist die Vollmacht nicht legte, so könnte allenfalls über Antrag der klagenden Partei ein Versäumungsurteil gefällt werden, keinesfalls aber sei Ruhen des Verfahrens eingetreten; da doch der Kläger verhandelt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses der Beklagten ist ungeachtet der Bestimmung des § 527 ZPO. anzunehmen, da der Aufhebungsbeschluß tatsächlich eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses enthält.

Mit Recht hat das Rekursgericht die Zulässigkeit des Rekurses des Klägers wider den ihm zugefertigten, das Ruhen des Verfahrens aussprechenden Beschluß angenommen. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Ruhen des Verfahrens, weil es eine gesetzliche Folge der Versäumung ist (§§ 170, 133 ZPO.), eines besonderen Ausspruchs bedarf. Ist aber ein Beschluß ausgefertigt worden, so kann dieser tatsächlich gefaßte Beschluß angefochten werden; denn § 514 ZPO. läßt den Rekurs wider Beschlüsse im allgemeinen zu, sofern die Zivilprozeßordnung die Anfechtung nicht ausschließt. Eine solche Bestimmung ist aber weder im § 170 ZPO. noch in einer anderen Stelle des Gesetzes enthalten (Entsch. 19. Mai 1937, RZ. 1937, S. 295).

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Da der Beklagtenvertreter gemäß § 38 ZPO. gegen Nachbringung der Vollmacht zugelassen worden ist, wäre es Sache des Klägers gewesen, sofort bei der ersten Tagsatzung für den Fall des nicht rechtzeitigen Nachbringens der Vollmacht einen Antrag auf Fällung eines Versäumnisurteils zu stellen (§ 396 ZPO.). Trotz Unterlassung des Antrags auf Erlassung eines Versäumnisurteils im Falle nicht rechtzeitiger Nachbringung der Vollmacht ist Ruhen des Verfahrens nicht eingetreten, weil Nichtverhandeln nur dann dem Nichterscheinen gleichsteht, wenn die erschienene Partei ungeachtet richterlicher Aufforderung nicht verhandelt. Daß aber der Erstrichter den Kläger aufgefordert hätte, für den Fall der Nichtbeibringung der Vollmacht der Beklagten nach § 38 ZPO. zugelassenen Beklagtenvertreter einen Antrag nach § 396 ZPO. zu stellen, ist weder aus dem Protokoll ersichtlich, noch wurde es auch nur behauptet. Ruhen des Verfahrens ist daher nicht eingetreten.

Das Rekursgericht hat daher mit Recht den Beschluß, durch den der Eintritt des Ruhens behoben wurde, aufgehoben.

Damit ist freilich nicht gesagt, daß der Kläger nunmehr noch berechtigt wäre, wie dies die Entscheidung GlUNF. 6363 annimmt, den versäumten Kontumazialantrag außerhalb der Verhandlung nachzuholen, weil sich aus § 396 ZPO. ergibt, daß der Kontumazialantrag in der Verhandlung zu stellen und darüber sofort zu erkennen ist, sofern nicht ausdrücklich die Urteilsfällung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten worden ist. Anträge, die in der mündlichen Verhandlung zu stellen sind, können aber nicht nachgeholt werden, wenn die rechtzeitige Stellung der Anträge unterlassen worden ist.

Der Kläger kann daher nicht außerhalb der mündlichen Verhandlung Fällung eines Versäumnisurteils beantragen. Es wird vielmehr eine neue Tagsatzung vom Erstrichter anzuordnen sein. Da der Beklagtenvertreter inzwischen eine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt hat, so wird im fortgesetzten Verfahren nur dann eine Kontumazierung ergehen können, wenn weder die Beklagten noch ihr Vertreter erscheinen sollten.

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