OGH 8Ob508/91

OGH8Ob508/917.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weiter Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gernot U*****, geboren am 14. Juni 1973, Martin U*****, geboren am 29. September 1974 und Roman U*****, geboren am 29. September 1974, infolge Revisionsrekurses des mj. Gernot U*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 18. Oktober 1990, GZ 2 R 403/90-20, womit der Rekurs dieses Minderjährigen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 31. Mai 1990, GZ 3 P 275/89-10, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird insoweit aufgehoben, als der Rekurs des mj. Gernot U***** zurückgewiesen wurde. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund eine neue (Sach-)Entscheidung zu fällen.

Text

Begründung

Die mj. Gernot, Martin und Roman U***** sind eheliche Kinder aus der am 30.8.1989 geschiedenen Ehe von Eduard und Gertrud U*****. Der Mutter Gertrud U***** ist die alleinige Obsorge für die drei Kinder übertragen worden. In dem anläßlich der Ehescheidung über die Vermögensteilungsansprüche nach §§ 81 f EheG geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater Eduard U*****, die ihm gehörige Liegenschaft EZ 113 KG 75443, St. Stefan schenkungsweise an die drei mj. Kinder zu übereignen; die Mutter Gertrud U***** übernahm die Verpflichtung zur Abstattung bestimmter auf der Liegenschaft sichergestellter Darlehensverbindlichkeiten. Mit Schenkungsvertrag vom 2.1.1990 überließ Eduard U***** die angeführte Liegenschaft zu gleichen Teilen den drei Kindern. Für den Abschluß eines Wohnungsrechtsvertrages zwischen den mj. Kindern U***** und Gertrud U***** wurde Dr. Wilfried A*****, Rechtsanwalt in Villach, zum Kollisionskurator bestellt. Der vom Kollisionskurator am 28.5.1990 mit der Mutter geschlossene Wohnungsrechtsvertrag wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31.5.1990 pflegschaftsbehördlich genehmigt. Dieser Beschluß wurde der Mutter, ihrem Vertreter und dem Kollisionskurator jeweils am 6.6.1990 zugestellt.

Dagegen erhoben Eduard U***** und der mj. Gernot U*****, beide vertreten durch Dr. S*****, Rechtsanwalt in Villach, Rekurs. Zur Rechtzeitigkeit brachten sie vor, erstmals am 12.9.1990 von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis erlangt zu haben.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht diese Rechtsmittel zurück. Zur Zurückweisung des Rekurses des mj. Gernot U***** führte das Rekursgericht aus, daß zwar in besonderen Ausnahmefällen vereinzelt auch einem mündigen Minderjährigen eine eigene Antrags- und Rechtsmittelbefugnis in Pflegschaftssachen eingeräumt worden sei; im vorliegenden Fall sie aber zu berücksichtigen, daß für den mj. Gernot U***** ein Kollisionskurator bestellt wurde. Durch diesen Kurator sei Gernot U***** beim Abschluß des gegenständlichen Wohnrechtsvertrages und im dazu abgeführten Genehmigungsverfahren wirksam vertreten worden. Da sich Gernot U***** überdies selbst am Genehmigungsverfahren nicht beteiligt und auch keine eigenen Anträge gestellt habe, könne ihm nunmehr ein Rekursrecht nicht zugebilligt werden. Jedenfalls könne der Minderjährige ein allfälliges Rechtsmittel nur innerhalb der dem Kollisionskurator offenstehenden Rekursfrist erheben. Die diesbezügliche Rechtsmittelfrist sei aber abgelaufen, sodaß der Reurus auch verspätet sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs. 1 AußStrG hinsichtlich der Zurückweisung des Rekurses des mj. Gernot U***** zulässig sei.

Der gegen die Zurückweisung seines Rekurses erhobene Revisionsrekurs des mj. Gernot U***** ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 23/181; SZ 38/172; SZ 38/216;

JBl. 1954, 258; EvBl. 1956/69; EvBl. 1967/312; NZ 1971, 28;

RZ 1990/37; 2 Ob 597/90 ua) steht beschränkt Geschäftsfähigen im außerstreitigen Verfahren - in vermögensrechtlichen Angelegenheiten jedenfalls bei besonderer Tragweite (wie hier) - das Recht zu, selbständig Anträge zu stellen und Rechtsmittel zu erheben, um sich gegen Maßnahmen ihrer gesetzlichen Vertreter oder des Pflegschaftsgerichtes zur Wehr zu setzen; in diesem Umfang können sie auch Rechtsanwälte bevollmächtigen. Voraussetzung ist allerdings, daß die zur Wahrung der Rechte und im Interesse eines geordneten Verfahrensablaufes notwendige geistige Reife vorliegt (1 Ob 573/77). Hinweise dafür, daß im vorliegenden Fall dem mündigen mj. Gernot U***** die erforderliche Reife fehlte, haben sich aus dem Akt nicht ergeben.

Am selbständigen Rekursrecht des mündigen Minderjährigen vermag der Umstand, daß ein Kollisionskurator zur Wahrung seiner Rechte bestellt wurde, nichts zu ändern. Auch der Kollisionskurator ist gesetzlicher Vertreter, allerdings mit einem auf bestimmte Angelegenheiten eingeschränkten Wirkungskreis (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 43). Die Unterlassung selbständiger Antragstellung im Verfahren erster Instanz vermag dem mündigen Minderjährigen jedenfalls - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - die Rechtsmittelbefugnis nicht zu nehmen.

Die Voraussetzungen eines selbständigen Rechtsmittelrechtes des mj. Gernot U***** liegen hier vor, weil alle im Zusammenhang mit dem Abschluß des Wohnungsrechtsvertrages vorzunehmenden Vertretungshandlungen aus dem Aufgabenkreis der Mutter ausgeschieden sind und sonst niemand zur Wahrnehmung der Kontrolle des Kollisionskurators und des Pflegschaftsgerichtes berufen wäre.

Der Rekurs des mj. Gernot U***** gegen den angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes ist daher zulässig; er ist aber auch rechtzeitig: Wer zur Anbringung eines Rekurses berechtigt ist, braucht, wenn ihm - wie hier - die anzufechtende Entscheidung nicht zugestellt wurde, deren Zustellung nicht zu verlangen, sondern er kann den Rekurs anbringen, ohne daß dieser als verspätet zurückgewiesen werden könnte (SZ 28/34; JBl. 1977, 99; RZ 1990/37).

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß, soweit er die Zurückweisung des Rekurses des mj. Gernot U***** betrifft, aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche (Sach-)Entscheidung aufzutragen.

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