OGH 8Ob46/05f

OGH8Ob46/05f4.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras, sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei Bank A*****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die erstbeklagte Partei Paul P*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, und die zweitbeklagte Partei Anna S*****, wegen EUR 18.048,35 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2004, GZ 2 R 196/04i-28, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. Juli 2004, GZ 25 Cg 121/03i-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig der erstbeklagten Partei die mit EUR 1.000,98 (darin EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte (in der Folge: Beklagte) ist seit 1995 Pensionist. Die Ehe des Beklagten wurde 1998 geschieden. Seit dieser Zeit bestand zu seinem aus dieser Ehe entstammenden Sohn Roman ein gespanntes Verhältnis. Im Jahr 2000 gründete der Sohn des Beklagten eine Tierpension und das erste Tiertaxi in Wien. Um einen lukrativen Auftrag zu erhalten, war die Anschaffung eines dritten Fahrzeugs für den Fuhrpark erforderlich. Die Hausbank des Sohnes des Beklagten, bei der dieser zwei im Minus befindliche Konten hatte, erklärte sich zur Finanzierung nicht bereit. Der Sohn des Beklagten wandte sich darauf an die Klägerin. Eine vom Sachbearbeiter beim KSV durchgeführte Bonitätsauskunft ergab einen offenen Kredit über rd 98.000 ATS bei einer Bank (nicht der Hausbank) der 1999 als uneinbringlich abgeschrieben worden war. Der Sachbearbeiter teilte dem Sohn des Beklagten mit, dass er für eine Krediträumung einen Bürgen bringen müsse.

Der Sohn des Beklagten bat seinen Vater diesbezüglich um Hilfe. Der Beklagte verpflichtete sich ATS 220.000 „plus Zinsen" als Bürge zu übernehmen. Zu diesem Zweck unterfertigte der Beklagte eine Wechselerklärung (./A) und einen Blankowechsel. Es kann nicht festgestellt werden, ob bzw welche konkreten Informationen der Sachbearbeiter der Klägerin anlässlich der Unterfertigung der Wechselbürgschaftserklärung dem Beklagten betreffend die Vermögenslage seines Sohnes gab.

Der Beklagte wusste davon, dass gegen seinen Sohn im Mai 2000 Exekutionen anhängig waren. Sein Sohn erklärte ihm auch vor Unterzeichnung, dass er Verbindlichkeiten habe, die er nicht mehr zurückzahlen könne. Welchen aushaftenden Schuldenbetrag der Sohn des Beklagten seinem Vater nannte, ist nicht feststellbar. Der Beklagte bezieht ein Pensionseinkommen von EUR 1.450 14 x jährlich. An Fixkosten fallen monatlich EUR 771 an. Der Beklagte ist für seine jetzige Ehegattin unterhaltspflichtig.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mittels Wechselmandatsklage EUR 18.048,35 sA. Der Beklagte sei von der Fälligstellung informiert worden. Dass der Sohn des Beklagten die Kontoüberziehung nicht ausgleichen werden können, sei für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen. Der Erstbeklagte sei über die wirtschaftliche Lage seines Sohnes genau informiert gewesen. Gegenüber dem Beklagten sei seine Haftungsübernahme nicht verharmlost worden. Im Gegenteil sei ihm vom Sachbearbeiter mitgeteilt worden, dass durch diese Haftungsübernahme seine persönliche Kreditmöglichkeit eingeschränkt werde. Der Beklagte habe ausschließlich auf Wunsch seines Sohnes die Haftung übernommen. Der Beklagte habe seinem Sohn helfen wollen, weshalb er selbst bei unterlassener Information über die wirtschaftliche Lage seines Sohnes die Wechselbürgschaft übernommen hätte.

Ein von der Klägerin ebenfalls behauptetes Anerkenntnis ist im Revisionsverfahren nicht mehr gegenständlich.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Im Gegensatz zur Klägerin seien ihm die zahlreichen Verbindlichkeiten seines Sohnes und dessen wirtschaftliche Situation nicht bekannt gewesen. Ihm habe sein Sohn nur eröffnet, dass er eine Tierpension aufmache und einen Kredit benötige, um einen Lieferwagen anzuschaffen. Er habe daraufhin eine Filiale der Klägerin aufgesucht und dem Sachbearbeiter bekannt gegeben, er komme, „um den Kredit zu unterschreiben". Nähere Aufklärungen habe der Erstbeklagte nicht erhalten, insbesondere keinen Hinweis auf die drohende Gefahr, dass sein Sohn nicht in der Lage sein könnte, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Im Fall einer entsprechenden Aufklärung hätte der Beklagte von einer Übernahme der Verbindlichkeiten seines Sohnes Abstand genommen. Das Erstgericht hielt den gegen den Beklagten erlassenen Wechselzahlungsauftrag im Umfang von EUR 9.000 samt Zinsen aufrecht, verurteilte die Beklagten zur Zahlung dieses Betrages samt 6 % Zinsen und hob den Wechselzahlungsauftrag im Übrigen auf.

Zusätzlich zum eingangs (zusammengefasst) wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht noch folgende Feststellungen:

„Auch eine genaue Auflistung der Schulden von Roman P***** hätte den Erstbeklagten von der Abgabe einer Bürgschaftserklärung nicht abgehalten".

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass ausgehend davon, dass der Beklagte selbst bei genauer Auflistung der Verbindlichkeiten seines Sohnes die Bürgschaftserklärung übernommen hätte, weshalb eine Haftung nach § 25c KSchG grundsätzlich gegeben sei. Ausgehend von den Feststellungen sei in Anbetracht der Leistungsfähigkeit des Beklagten eine 50 %ige Ermäßigung und Herabsetzung des Zinsbetrags von (16,5 % auf 6 %) gemäß § 25d KSchG gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, der Berufung des Beklagten jedoch Folge und änderte das Teilurteil im gänzlich klagsabweisenden Sinn ab.

Gemäß § 25c KSchG habe der Gläubiger einen Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürger oder Garant beitritt, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkenne oder erkennen müsse, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht erfüllen werde. Unterlasse der Unternehmer diese Information, hafte der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte. Der Gläubiger habe den interzedierenden Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners auch dann hinzuweisen, wenn dieser über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid wisse. Dies solle das Risiko des Einstehenmüssens für eine (materiell) fremde Schuld verringern und den Interzedenten nachdrücklich warnen. Die Auskunft solle diesem die wirtschaftlichen Gründe des Gläubiges vor Augen führen, aus denen dieser neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person bestehe.

Die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers sei schlecht gewesen. Ein ungefähr im Jahr 1996 fällig gestellter Kredit sei 1999 als uneinbringlich abgeschrieben worden; zwei Konten des Genannten bei seiner Hausbank seien im fraglichen Zeitraum im Minus gestanden und habe diese Bank eine weitere Krediteinräumung abgelehnt. Außerdem seien gegen den Sohn des Beklagten im Mai 2000 zahlreiche Exekutionsverfahren anhängig gewesen. Der Klägerin sei dieser Umstand bekannt gewesen.

Der Nachweis einer erfolgten Information gegenüber dem Beklagten scheide aus, da gerade nicht mehr feststellbar sei, ob und/oder welche konkrete Information der Sachbearbeiter dem Beklagten anlässlich der Unterfertigung der Wechselbürgschaft gegeben habe. Ein Vorbringen, dass der Erstbeklagte die Bürgschaftserklärung auch unterschrieben hätte, wenn die Klägerin ihn entsprechend aufgeklärt hätte, sei aber im erstgerichtlichen Verfahren nicht erstattet worden. Festgestellt sei lediglich, dass der Sohn des Beklagten diesen über seine Verbindlichkeiten aufgeklärt habe und dass den Beklagten auch eine genaue Auflistung der Schulden seines Sohnes nicht von der Abgabe einer Bürgschaftserklärung abgehalten hätte. Diese Feststellung werde jedoch vom Berufungsgericht nicht übernommen, da sie vom Beweisverfahren nicht gedeckt sei. Über Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO, änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin ab, dass die Revision zulässig sei. Die Klägerin nehme in ihrem Zulassungsantrag den Standpunkt ein, dass sie in erster Instanz sehr wohl ein Vorbringen erstattet habe, das vom Erstgericht dahin verstanden worden sei, dass der Beklagte die Bürgschaftshaftung „in jedem Fall" übernommen hätte, unabhängig davon, ob er von der Klägerin über die schlechte wirtschaftliche Lage seines Sohnes genau aufgeklärt worden wäre oder nicht. Im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit bzw der Rechtssicherheit sei davon auszugehen, dass der Klägerin der Nachweis gelungen sei, dass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen.

Die Klägerin strebt mit ihrer gegen die Berufungsentscheidung erhobenen Revision eine Änderung dahin an, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht ausgeführten Gründen als gerade noch zulässig anzusehen; sie ist jedoch nicht berechtigt. Nach stRsp des Obersten Gerichtshofes hat der Gläubiger den interzedierenden Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners auch dann hinzuweisen hat, wenn dieser über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß. Dies soll das Risiko des Einstehenmüssens für eine (materiell) fremde Schuld verringern und den Interzedenten nachdrücklich warnen: Die Auskunft soll diesem die wirtschaftlichen Gründe des Gläubigers vor Augen führen, aus denen dieser neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person besteht. Demzufolge hat der Gläubiger den Interzedenten darüber zu informierten, inwiefern die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners erwarten lässt, dass dieser seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht (vollständig) erfüllen wird, sodass die Haftung des Interzedenten schlagend wird (7 Ob 261/99d = ÖBA 2000, 527; 1 Ob 107/00t = ÖBA 2001, 166; 1 Ob 132/01w; 8 Ob 100/03v ua). Die vom Berufungsgericht nicht übernommene Feststellung, wonach der Beklagte die Wechselbürgschaft „auch bei genauer Auflistung der Schulden" übernommen hätte, impliziert nicht, dass die Bürgschaftserklärung auch dann erfolgt wäre, wenn die Klägerin ihrer Auskunftspflicht nachgekommen wäre. Gerade der mit der Auskunftsverpflichtung angestrebte Zweck, nämlich dem Interzedenten die wirtschaftlichen Gründe des Gläubigers vor Augen zu führen, aus denen dieser neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person besteht und darzulegen, inwieweit die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners erwarten lässt, dass die Haftung des Interzedenten schlagend wird, führt dazu, dass der Gläubiger sich nicht erfolgreich darauf berufen kann, dass der Interzedent über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß. Eine Feststellung, dass der Beklagte die Bürgschaftserklärung auch dann abgegeben hätte, wenn ihn die Klägerin im Sinn der Anforderungen der zitierten Judikatur pflichtgemäß aufgeklärt hätte, wurde aber gerade nicht getroffen. Aus diesen Erwägungen ist auch unbeachtlich, ob eine derartige Feststellung vom erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin überhaupt gedeckt wäre. Dem Argument der Rechtsmittelwerberin, dass das Berufungsgericht sie mit seiner Rechtsansicht, dass ein entsprechendes Vorbringen in erster Instanz gar nicht erstattet worden sei, „überrascht" habe, mangelt es daher an Relevanz. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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