OGH 8Ob35/17f

OGH8Ob35/17f30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Alexander Paleczek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K* A*, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revison der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2017, GZ 38 R 12/17x‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118502

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG ist verwirklicht, wenn der Mieter sich gegenüber dem Vermieter oder einer im Haus wohnenden Person einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum, die Sittlichkeit oder die körperliche Sicherheit schuldig macht.

Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) verurteilt, weil er im Sommer 2015 einen anderen Bewohner der Wohnhausanlage im Hof mit Faustschlägen verletzt und mit einem Messer attackiert hatte.

Die Argumentation der Revision, den Beklagten treffe kein Verschulden an diesem Vorfall, weil er nicht bei Sinnen gewesen sei, übergeht die Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung. Die Bestrafung nach § 287 StGB setzt eine verschuldete Berauschung und die Verwirklichung sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestands (Vorsatz) des im Rausch begangenen Delikts voraus (Plöchl in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² StGB § 287 Rz 22 ff; zur Bindungswirkung von Strafurteilen: RIS‑Justiz RS0074219).

Für den Kündigungsgrund der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung ist es nicht erforderlich, dass den Bewohnern dadurch das Zusammenleben verleidet wird (1 Ob 169/03i immolex 2004/29 [Iby]). Er wird bereits durch die Tat an sich verwirklicht, ohne dass es auf ein „Gesamtverhalten“ oder auf eine ungünstige Zukunftsprognose ankommt (RIS-Justiz RS0070257 [T2] = 2 Ob 242/06m; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 30 MRG Rz 25 mwN; Prader, Manz Wohnrecht MRG5.00 § 30 Rz 11).

Die Beurteilung, ob ein Kündigungstatbestand erfüllt ist, hängt typischerweise von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0042984). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es ist nicht unvertretbar, wenn die Vorinstanzen die Gewalttätigkeit des Beklagten gegen den Mitmieter als nicht bloß geringfügigen Anlass qualifiziert haben.

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