OGH 8Ob218/98m

OGH8Ob218/98m24.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****krankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Amhof und Dr. Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Elisabeth S*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der P***** GmbH, wegen S 98.870,54 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. Mai 1998, GZ 3 R 12/98a-11, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13. November 1997, GZ 22 Cg 166/97y-7, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 18. 3. 1996 wurde über das Vermögen der P***** GmbH der Konkurs eröffnet und die Beklagte zur Masseverwalterin bestellt. Aufgrund ihres Antrages bewilligte das Handelsgericht Wien mit Beschluß vom 21. 5. 1996 die Schließung des gemeinschuldnerischen Unternehmens. Mit Schreiben vom 4. 6. 1996 kündigte die Beklagte das bestehende Dienstverhältnis gegenüber zwei Dienstnehmern unter Hinweis auf die Unternehmensschließung sowie auf § 25 KO unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf. Die beiden Dienstnehmer erklärten daraufhin mit gleichlautenden Schreiben vom 10. 6. 1996, aufgrund der erfolgten Schließung des Unternehmens gemäß § 25 KO auszutreten.

Über die klagsgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge erließ die klagende Partei den Rückstandsausweis vom 18. 4. 1997 über insgesamt S 98.870,54. Diese Sozialversicherungsbeiträge betreffen einen Teil des Juni 1996 sowie die Monate Juli bis Oktober 1996.

Aus diesem Sachverhalt leitet die klagende Partei gegen die beklagte Masseverwalterin Zahlungsansprüche in Höhe von S 98.870,54 sA ab, weil es sich nach ihrer Meinung bei den Sozialversicherungsbeiträgen um Masseforderungen handle.

Die beklagte Masseverwalterin bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach, weil es sich bei den klagsgegenständlichen Beiträgen um Konkursforderungen handle.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das während der Kündigungsfrist anfallende laufende Entgelt bzw die gebührende Kündigungsentschädigung seien selbst dann Masseforderungen, wenn der Arbeitnehmer wegen Schließung des Unternehmens keine Arbeitsleistung mehr erbringen könne. Dementsprechend seien die auf die jeweiligen Entgeltsansprüche entfallenden Sozialversicherungsbeiträge als Masseforderungen zu beurteilen.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht die Entscheidung im Sinn der Klagsabweisung ab. Im vorliegenden Fall hätten die Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung durch den Masseverwalter ihren vorzeitigen Austritt erklärt, wodurch die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewirkt werde und ihnen eine "Kündigungsentschädigung" zustehe, die betragsmäßig dem laufenden Entgelt bis zum Ende der Kündigungsfrist entspräche; bei dieser handle es sich jedoch nicht um einen Entgelt -, sondern um einen Ersatzanspruch, sodaß eine Einordnung in § 46 Abs 1 Z 3 KO nicht in Betracht komme und damit nur eine Konkursforderung vorliege. Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage, ob durch eine nach der außerordentlichen Kündigung gemäß § 25 KO abgegebene Austrittserklärung am Charakter des Beendigungsanspruches etwas geändert werde bzw ob bei "Umwandlung" des Anspruches auf laufendes Entgelt in eine Kündigungsentschädigung auch die akzessorischen Ansprüche der Sozialversicherungsträger von Masseforderungen zur Konkursforderungen werden, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar aus den genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

In der abweichenden rechtlichen Beurteilung eines völlig unstrittigen Sachverhalts durch das Berufungsgericht liegt keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, auch wenn im bisherigen Verfahren der Schwerpunkt der rechtlichen Diskussion auf einer anderen Rechtsfrage (Schließung des Unternehmens) lag und das Berufungsgericht den von ihm als entscheidungsrelevant erachteten Gesichtspunkt (Austritt der Arbeitnehmer) nicht vor seiner Entscheidungsfindung mit den Parteien erörterte; die klagende Partei vermag auch in ihrer Revision nicht aufzuzeigen, was eine derartige Erörterung hätte bringen sollen.

Das Berufungsgericht ist zurecht davon ausgegangen, daß auf den vorliegenden Sachverhalt die Bestimmungen der KO idF des IRÄG 1994 (BGBl 153) anzuwenden sind, und daß sich die konkursrechtliche Einordnung der von den Arbeitnehmerforderungen abhängigen Ansprüche (Steuern und Sozialversicherungsbei- träge) seit dem IRÄG 1982 ausschließlich nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderungen richtet: Sind diese Konkursforderungen, so sind auch die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge Konkursforderungen, sind sie hingegen Masseforderungen, so sind auch die davon abhängigen Ansprüche Masseforderungen (AB 3 BlgNR 15. GP, 6 ff; 8 Ob 6/96 = ecolex 1996, 912 = ZIK 1997, 142; 8 Ob 16/98f = ZIK 1999, 60).

Wenn auch die teilweise Neuordnung der Arbeitnehmeransprüche infolge Konkurseröffnung, insbesondere die Einordnung der Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer durch die - inzwischen bereits wieder durch das IRÄG 1997 überholte - Insolvenznovelle 1994 zahlreiche Unklarheiten gebracht hat (vgl dazu die Nachweise in 8 Ob 16/98f, ZIK 1999, 60), ist unstrittig, daß laufendes Entgelt einschließlich der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge Masseforderungen sind, gleichgültig ob das Arbeitsverhältnis vor oder nach Konkurseröffnung, begünstigt oder nicht begünstigt aufgelöst wurde. Bei den nach Kündigung durch den Masseverwalter gemäß § 25 KO auflaufenden Entgeltansprüchen der hier betroffenen Arbeitnehmer - und daher auch den auf diese Zeit entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen - handelt es sich eindeutig um ein laufendes Entgelt bis zum Ende der Kündigungsfrist und damit um

Masseforderungen (8 Ob 30/95k = JBl 1996, 468 = ZIK 1996, 61; 8 Ob

6/96 = ecolex 1996, 912 = ZIK 1997, 142; 8 Ob 16/98f = ZIK 1999, 60).

Daran ändert - entgegen der Ansicht der beklagten Masseverwalterin - auch der Umstand nichts, daß das Unternehmen nach der Konkurseröffnung geschlossen wurde und die Arbeitnehmer deshalb keine Arbeitsleistungen mehr erbringen können; dadurch wird aus der Forderung auf laufendes Entgelt kein durch die Kündigung entstandener Schadenersatzanspruch, der nur als Konkursforderung zu liquidieren wäre (so ausdrücklich RV 734 BlgNR 20. GP, 37 zur insoweit durch das IRÄG 1997 unverändert gebliebenen Bestimmung des § 46 Abs 1 Z 3 ZPO; in diesem Sinn auch Nunner, Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Konkurs nach dem IRÄG 1997, WBl 1997, 313 ff [318 FN 39]; 8 Ob 16/98f = ZIK 1999, 60).

Treten hingegen die Arbeitnehmer gemäß § 25 KO vorzeitig aus, wird das Arbeitsverhältnis sofort aufgelöst. Die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (vgl § 1162 ABGB, § 25 AngG) löst zwar, weil die Konkurseröffnung als wichtiger Grund gilt (§ 25 Abs 1 KO), Ansprüche aus, die betragsmäßig dem laufenden Entgelt bis zum Ende der Kündigungsfrist entsprechen (§ 1162b ABGB, § 29 AngG), doch handelt es sich bei dieser "Kündigungsentschädigung" nach herrschender Ansicht nicht um einen Entgelt- sondern um einen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Ersatzanspruch (Arb 9.514, 10.041, 10.145, 10.177, 10.189, 10.581, 11.205, 11.252 uva). Eine Einordnung in § 46 Abs 1 Z 3 KO und somit als Masseforderung kommt daher nicht in Betracht. Vielmehr liegt ein Beendigungsanspruch vor, der nach der ausdrücklichen Anordnung in § 25 Abs 1 letzter Satz KO idF IRÄG 1994 lediglich eine Konkursforderung ist. Infolge des oben dargelegten Grundsatzes, daß die Sozialversicherungsbeiträge stets das Schicksal der ihnen zugrundeliegenden Arbeitnehmeransprüche teilen, handelt es sich bei den auf die Kündigungsentschädigung entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen auch um Konkursforderungen.

Auch nach einer bereits vom Masseverwalter ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung nach § 25 Abs 1 KO steht es den Arbeitnehmern frei, innerhalb der gesetzlichen Fristen ihren fristlosen Austritt zu erklären und damit das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden (9 ObA 10/98f = ARD 4960/5/98). Von diesem Recht haben die beiden genannten Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 25 Abs 1 Z 2 KO Gebrauch gemacht; dadurch steht ihnen kein Anspruch mehr auf laufendes Entgelt nach Konkurseröffnung und damit keine Masseforderung zu, sondern es gebührt ihnen eine Kündigungsentschädigung in gleicher Höhe, die sie aber nur als Konkursforderung anmelden können. Dieses Schicksal teilen auch die der klagenden Partei zustehenden Sozialversicherungsbeiträge. Entscheidet sich der Arbeitnehmer sofort oder - wie hier - nach Kündigung durch den Masseverwalter für den Austritt nach § 25 KO, kann die Sozialversicherung die ihr gebührenden Beiträge in Bezug auf die Kündigungsentschädigung nur noch als Konkursforderung geltend machen. Eine Perpetuierung ihres Anspruchs als Masseforderung scheidet wegen der erwähnten Abhängigkeit von der Einordnung des Arbeitnehmeranspruches aus, mag auch, wie bereits das Berufungsgericht richtig erkannt hat, für den Arbeitnehmer die Entscheidung für den sofortigen Austritt nach § 25 KO im Ergebnis nicht von so einschneidender Bedeutung sein, weil auch diese Ansprüche - anders als die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge - nach § 1 Abs 1 Z 1 IESG gesichert sind.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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