European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124662
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Das Berufungsgericht sprach der Klägerin, die eine Kraftfahrzeugwerkstätte betreibt, Standgebühren von täglich 5 EUR für den Zeitraum Mai 2015 bis Ende September 2017 für das Einstellen des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu.
Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zu der Frage zugelassen, ob ein gerichtlicher Herausgabetitel bei Erfüllung einer titelmäßigen Zug‑um‑Zug‑Leistung eine uneingeschränkte Rückgabeerwartung im Sinne des § 1440 ABGB entstehen lasse.
Rechtliche Beurteilung
Auch wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausspricht, die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, das Rechtsmittel aber nur Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059). Das ist hier der Fall.
1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 213/08d ausgesprochen, dass auch nicht ausdrücklich vereinbarte Garagierungskosten eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte jedenfalls dann zur Ausübung des Retentionsrechts nach § 471 ABGB berechtigen können, wenn das Fahrzeug vom Werkbesteller über einen längeren Zeitraum nicht abgeholt wurde, ohne dass dies der Werkstätteninhaber – über die Geltendmachung seines Retentionsrechts hinaus – zu verantworten gehabt hätte. Derjenige, der sein Fahrzeug nach durchgeführter Reparatur monatelang nicht abholt, muss durchaus mit Gegenansprüchen des Werkunternehmers auch für den mit der Verwahrung verbundenen Aufwand rechnen, stellt doch (auch) eine Kraftfahrzeugwerkstätte nicht unentgeltlich einen Stellplatz zur Verfügung. Die Voraussetzungen des § 1440 ABGB liegen in einem solchen Fall daher nicht vor.
2.1 Die Behauptung des Beklagten, da Standgebühren weder ausdrücklich vereinbart worden seien noch sich aus AGB der Klägerin ergeben würden, sei kein Aufwand auf die Sache iSd § 471 ABGB getätigt worden, setzt sich über diese Rechtsprechung hinweg. Es macht keinen entscheidenden Unterschied, dass der Beklagte die klagende Kraftfahrzeugwerkstätte hier nicht mit einer Reparatur, sondern mit einer Fehlersuche an seinem Fahrzeug (nach einem Heißlaufen des Motors) beauftragt hatte.
2.2 Entgegen der Meinung des Beklagten werden die Standgebühren auch nicht erst durch Zuspruch mit Urteil fällig. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Verurteilung zu einer Leistung vielmehr Fälligkeit zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung voraussetzt (§ 406 ZPO).
3. Es trifft nicht zu, dass sich die Klägerin in ihrer Berufung nicht gegen die Abweisung der Standgebühren für den Zeitraum 14. 9. 2017 bis 30. 9. 2017 (17 Tage) durch das Erstgericht gewandt hätte. Die Klägerin hat die gesamte Klagsabweisung unter anderem auch mit dem Argument bekämpft, das Erstgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Retentionsrecht mit 13. 9. 2017 (Tag der Zahlung der Judikatschuld aus dem Vorverfahren) erloschen sei. Dieser Auffassung hat sich das Berufungsgericht angeschlossen und der Klägerin weitere 85 EUR Standgebühren zugesprochen.
4. Eine Sittenwidrigkeit kann auch nicht allein dadurch nachgewiesen werden, dass die Standgebühren mit der Zeit ansteigen, während sich der Wert der zurückbehaltenen, der Klägerin als Sicherheit dienenden Sache verringert, hätte es der Beklagte doch in der Hand, dieser Entwicklung ein Ende zu setzen.
5.1 Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die mit Mängelrüge zu bekämpfen ist (RIS-Justiz RS0040282). Soweit das Berufungsgericht – wie im vorliegenden Verfahren – die Anwendung des § 273 ZPO billigte, ist daher eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren nicht möglich (RIS‑Justiz RS0040364 [T7]).
5.2 Die nach § 273 ZPO erfolgte Betragsfestsetzung ist demgegenüber zwar als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (RIS‑Justiz RS0111576; RS0040341). Einen gravierenden, an die Grenzen des Missbrauchs gehenden Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens (vgl RIS-Justiz RS0007104), der an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte, zeigt der Beklagte allerdings nicht auf, zumal in dem zwischen den Parteien geführten Vorverfahren noch von einer angemessenen Standgebühr von 10 EUR pro Tag ausgegangen wurde und der Entscheidung 6 Ob 213/08d eine tägliche Gebühr von 11,20 EUR „für einen Parkplatz im Freien“ zugrunde lag.
6. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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